Arbeitshilfe

Reseba - The Dark Wind

Spielfilm von Hussein Hassan
Autonome Region Kurdistan, Deutschland, Katar 2016, 89 Minuten, OmU

Inhalt

Der Film beginnt mit einer Verlobungsfeier, die nach traditionellem Ritus gefeiert wird. Während der Bräutigam (Reko) mit dem Vater der Braut die Heirat vereinbart, schaut eine schöne junge Frau (Pero) mit langen braunen Haaren durch eine Maueröffnung des alten Gewölbes zu. Ihr Blick begegnet dem ihres Bräutigams, und sie lächelt ihm glücklich zu. Kurz darauf sieht man die beiden im Kreis der Familienangehörigen tanzen.
Das friedvolle Leben endet, als schwarz maskierte bewaffnete Kämpfer der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) in einem Fahrzeugkonvoi in das Dorf eindringen und die jesidische Bevölkerung unter Beschuss nehmen. Die Dorfbewohner versuchen zu fliehen oder stellen sich den Angreifern in den Weg. In Nahaufnahme sieht man die verängstigten Gesichter der Frauen und Mädchen, die in einer Lehmhütte Zuflucht gesucht haben. Doch sie werden entdeckt und von den militanten IS-Kämpfern aus ihrem Versteck gezerrt. Reko ist fern von zu Hause, als sein Dorf in der Shingal- Region vom IS überfallen wird. Er arbeitet als Sicherheitsbediensteter für einen amerikanischen Ölkonzern und bewacht die irakischen Ölfelder. Als er von dem Angriff des IS erfährt, macht er sich sofort auf den gefährlichen Heimweg.
In der nächsten Szene steht eine Gruppe verschleierter junger Frauen in bodenlangen schwarzen Abayas, dem traditionellen Gewand islamischer Frauen, aneinander gekettet und mit gesenktem Kopf in einer Reihe. Die jungen Frauen werden auf einem Markt zum Kauf angeboten. Eine von ihnen ist Pero. Während der arabische Verkäufer die Frauen seinen Kunden anpreist, steht ein schwarz maskierter IS-Kämpfer dabei und führt Buch über den Frauenhandel. Die Männer, die angereist sind, um eine der verschleppten Frauen zu kaufen, haben sich vor ihren Autos positioniert und treffen ungeniert ihre Auswahl.

Reko begegnet seinen Eltern wieder, als diese in ein Flüchtlingslager der UN gebracht werden. Auch Peros Eltern haben den Angriff des IS überlebt. Doch von seiner Verlobten fehlt jede Spur. Entschlossen bricht Reko auf, um Pero zu suchen. Nachdem ein erster Anlauf erfolglos blieb, Pero über einen arabischen Scheich freizukaufen, der mit dem IS Geschäfte macht, führt ihn eine Spur ins westkurdische Gebiet jenseits der syrischen Grenze. Er erfährt, dass Pero dorthin an einen der gefährlichsten Emire des IS verkauft wurde. Nach einer riskanten Fahrt durch syrisches Kriegsgebiet findet er seine Verlobte. Pero wurde von einer kurdischen Frauen-Peshmerga-Einheit aus der Gewalt des IS befreit. Mit erloschenem Blick sitzt sie ihm im Beisein der Kämpferinnen gegenüber.

Der zweite Teil des Films konzentriert sich auf die Zeit nach Peros Rückkehr zu ihrer Familie im Flüchtlingslager. Liebevoll schließt die Mutter die Tochter bei ihrer Ankunft in die Arme, und auch der Vater ist erleichtert. Behutsam wäscht die Mutter die Tochter und kämmt ihr das nasse Haar. Pero lässt alles stumm mit sich geschehen. Derweil besorgt Reko ihr frische Kleidung. Als Pero später die schwarze Abaya, die sie während ihrer Gefangenschaft beim IS tragen musste, in einer Seifenlauge entdeckt, in der die Mutter schmutzige Wäsche eingeweicht hat, nimmt sie das Kleidungsstück heraus und wirft es ins Feuer. Doch die auf sie gerichteten Blicke der Männer aus den benachbarten Zelten lassen sie aufschrecken, und Pero läuft gehetzt davon. Reko holt sie zurück. Doch wenig später sitzt er nachdenklich in seinem Geländewagen, während Peros Mutter die traumatisierte Tochter versorgt.

Als auch die Mutter sich keinen Rat mehr weiß, wendet sie sich an einen religiösen Würdenträger der Jesiden. Er empfiehlt ihr, die Tochter nach Lalish zu bringen, dem höchsten Heiligtum der Jesiden. In der Tempelanlage angekommen, bittet die Mutter den dortigen Geistlichen, die Tochter zu heilen. In der Tempelstätte begießt Pero sich mit dem heiligen Quellwasser, nachdem der Geistliche sie gesegnet hat. Er hat ihr versichert, dass ihr geistliches Oberhaupt, Baba Scheich, und der Geistliche Rat der Jesiden sie von dem Leid befreien wollen, das sie erlitten habe. Sie sei nun befreit, sagt er, und könne getrost wieder mit ihrer Familie weiterleben, denn ihre Würde und Ehre sei wieder vollkommen hergestellt.

Tatsächlich haben der Besuch der heiligen Stätte und die Worte des Geistlichen eine heilsame Wirkung. Als Pero mit der Mutter und ihrem Verlobten auf der Rückfahrt in einer Gaststätte einkehrt, spricht sie erstmals wieder und isst von den bestellten Speisen. Doch als aus einem vor dem Restaurant aufgebauten Lautsprecher ein islamischer Gebetsruf ertönt, der Pero an ihre Verschleppung und ihre vom IS erzwungene Konversion zum Islam erinnert, verfinstert sich ihr Gesicht, und ihre innere Panik wird sichtbar.

Unterdessen sitzen im Flüchtlingslager die älteren Männer in einem provisorisch aus Plastikplanen gebauten Teehaus zusammen und verfolgen die Nachrichten im Fernsehen. Es wird berichtet, dass wieder jesidische Mädchen vom IS befreit wurden. Anstatt sich zu freuen, äußert einer der alten Männer die Ansicht, dass die Mädchen besser tot als lebendig wären. Erst würden sie die Frauen benutzen und ruinieren, um sie dann wieder an ihre Familien zurück zu verkaufen, sagt der Alte. Seine Worte haben Wirkung. Zumindest auf Rekos Vater. Er will die Hochzeit seines Sohnes verhindern. Doch Reko ist fest entschlossen, sich über seinen Vater hinwegzusetzen.

Unweit des Zeltlagers befindet sich eine heilige Stätte, wo Pero und ihre Mutter gelegentlich beten. Einmal begegnen sie dort einer jungen Frau, die zwischen den Gräbern sitzt und trauert. Pero dreht sich mehrmals nach ihr um. Als Pero und ihre Mutter später vom Einkauf ins Flüchtlingslager zurückkehren, tragen Sanitäter eine junge Frau, die leblos auf einer Trage liegt, an ihnen vorbei. Offenbar hat sie sich das Leben genommen. Der Anblick erschüttert Pero so sehr, dass sie einen Zusammenbruch erleidet und ins Krankenhaus eingeliefert wird. Dort erfährt die Mutter von dem behandelnden Arzt, dass die Tochter ein Kind erwartet. Die Nachricht, dass die traumatisierte Tochter von einem ihrer Vergewaltiger schwanger ist, stellt die Familie vor eine extreme Herausforderung und bringt sie an ihre Belastungsgrenze. Auch Peros Verlobter erträgt die Situation nicht mehr. Er will sich von Pero trennen. Raus aus dem Flüchtlingslager will er, weg von Pero. Er meldet sich freiwillig zum militärischen Kampf gegen den IS und will mit den Peshmerga-Kämpfern an die Front zu ziehen. Doch seine Liebe zu Pero lässt ihn nicht los. So endet der Film damit, dass sich die beiden auf einer Felsenklippe am Wasser gegenüberstehen und vorsichtig einander zuwenden.

Würdigung und Kritik

REŞEBA – THE DARK WIND erzählt von einem jesidischen Liebespaar, das heiraten möchte und dessen Lebensglück durch den Terror des IS zerstört wird. Es ist der erste Spielfilm über den an den Jesiden im Irak im Sommer 2014 durch den IS begangenen Völkermord. Wir erleben, wie durch den Terror des IS das Dorf zerstört wird und damit auch die jesidische Gemeinschaft, die eben noch die Verlobung des Paares feierte. Geradlinig erzählt der Film seine Geschichte. Im ersten Teil geht es um die Suche des Protagonisten nach seiner verschleppten Braut. Der zweite Teil handelt von der Rückkehr der jungen Frau zu ihrer jetzt in einem UN-Flüchtlingslager lebenden Familie und ihrem Verlobten, nachdem sie aus der Gewalt des IS befreit wurde. Es geht um die Belastungsproben, die der Verlobte der schwer traumatisierten jungen Frau und ihre Familie bestehen müssen. Der Film eignet sich trotz der Schwere des Themas für ein breites Publikum, denn er unterlässt es, die Zuschauer durch bildhafte Darstellung von Gewalt und Grausamkeit zu überwältigen. Die militanten Islamisten mit ihren bedrohlichen schwarzen Masken sind zwar in mehreren Szenen präsent, doch bleibt die Kamera ihnen fern. So ermöglicht der Film den Zuschauern die empathische und reflektierende Auseinandersetzung mit den Ereignissen, auf welche die Spielfilmhandlung rekurriert.

Der Film kam unter äußerst schwierigen Produktionsbedingungen zustande und er entstand in unmittelbarer zeitlicher und geographischer Nähe zu den Ereignissen. Als die Terrormiliz Islamischer Staat im Sommer 2014 die Region um die irakische Stadt Mossul angriff, hielten sich der kurdische Regisseur Hussein Hassan und der Berliner Filmproduzent Mehmet Aktas, der ebenfalls kurdische Wurzeln hat und sich auf die Produktion kurdischer Filme konzentriert, vor Ort auf. Eigentlich wollten sie ein anderes Filmprojekt realisieren. Doch aufgrund des militärischen Vordringens des IS und der sich abzeichnenden humanitären Katastrophe war an eine Fortsetzung ihres ursprünglichen Projekts nicht zu denken. So beschlossen sie, die aktuellen Ereignisse aufzugreifen. Ursprünglich wollten sie einen Dokumentarfilm über jesidische Frauen drehen, die in die Gewalt des IS geraten waren und denen es gelungen war, frei zu kommen. Weil sich in den Flüchtlingslagern, die sie aufsuchten, jedoch keine Frauen fanden, die bereit oder in der Lage gewesen wären, vor laufender Kamera zu sprechen, verwarfen sie die Idee eines Dokumentarfilms. Stattdessen begannen Regisseur und Produzent, gemeinsam ein Drehbuch für einen Spielfilm zu schreiben. Gedreht wurde der Film in der Autonomen Region Kurdistan (K.R.G.) und in Syrien. Zweimal geriet das Filmteam während der Dreharbeiten unter Beschuss. Außer der Hauptdarstellerin Diman Zandi, einer iranischen Schauspielerin, wurden alle Rollen von Jesiden gespielt, darunter etliche Laiendarsteller, und zum Filmteam stießen auch einige Flüchtlinge. Als sie sich auf ihre Rolle der Pero vorbereitete, fiel der Schauspielerin Diman Zandi das Schweigen der Frauen auf, denen sie in den Flüchtlingslagern begegnete. Im Presseheft zum Film berichtet sie, dass die Frauen, die sie traf, den Kontakt zu anderen Menschen mieden und über das, was sie erlebt hatten, nicht mit anderen sprechen wollten. Dass die betroffenen Frauen, denen das Filmteam in den Flüchtlingslagern begegnete, nicht vor laufender Kamera sprechen wollten, wundert nicht. Über das zu sprechen, was sie erlebt hatten, dürfte für die Allermeisten unmöglich gewesen sein, waren sie doch schwer traumatisiert. Es erfordert auch Mut für die Betroffenen, über sexualisierte Gewalt zu sprechen. Denn Vergewaltigung ist ein Tabu. Auch Pero, die weibliche Hauptfigur des Films, spricht nicht. Über weite Strecken des Films bleibt sie stumm. Die seelische Verfassung, die hinter Peros Schweigen steht, von der wir als Zuschauer des Films nur etwas ahnen können, hat Nadia Murad, die Friedensnobelpreisträgerin des Jahres 2018, in Worte gefasst. Sie war die Erste, die öffentlich über das sprach, was ihre Peiniger vom IS ihr zufügten. Sie schreibt: „Irgendwann gibt es nur noch die Vergewaltigungen und sonst nichts mehr. Es wird einfach zum normalen Tagesablauf. Man weiß nie, wer im nächsten Moment die Tür aufmacht und über einen herfällt, man weiß nur, dass es geschehen wird, dass es morgen vielleicht noch schlimmer wird als heute. Man denkt gar nicht mehr an Flucht oder ein Wiedersehen mit der Familie. Das frühere Leben ist nur noch eine ferne Erinnerung, wie ein Traum. Der eigene Körper gehört einem nicht mehr, und man hat die Energie verloren zu reden, sich zu wehren oder über die Welt da draußen nachzudenken. Es gibt nur noch den Missbrauch und das taube Gefühl, das sich einstellt, wenn man sich einmal damit abgefunden hat, dass darin nun das Leben besteht.“ (Nadia Murad, Ich bin Eure Stimme, S. 221-222).

Im Film gibt es zwei handlungstragende Figuren, die Pero treu zur Seite stehen, nachdem sie vom IS befreit zu ihrer Familie zurückkehrt: Reko, ihr Verlobter, und die Mutter. Beide nehmen sich Pero liebevoll an, geraten aber durch die schwere Traumatisierung der jungen Frau und deren Folgen an ihre eigenen Grenzen. Reko hat sein Leben riskiert, um die Verlobte zu retten, und malt sich eine gemeinsame Zukunft mit ihr aus, darauf hoffend, dass er von seinem Verdienst ein Haus außerhalb des Flüchtlingslagers mieten kann, in dem sie zusammenleben können. Denn schwierig sind für die Beteiligten die eingeschränkten Lebensbedingungen und der soziale Druck im Flüchtlingslager. Alles spielt sich vor den Augen der anderen ab, die auf dichtem Raum in den benachbarten Zelten leben. Kein Laut bleibt den anderen verborgen, jede Regung der jungen Frau wird aufmerksam beäugt. Weil Reko an seiner Liebe zu Pero festhält, gerät er in einen Konflikt mit seinem Vater. Dieser lässt sich von Vorstellungen beeindrucken, die der patriarchalischen Alltagskultur entstammen. Der Vater will verhindern, dass sein Sohn die junge Frau heiratet, die vom IS entführt und vergewaltigt und daher seiner Auffassung nach „entehrt“ wurde. Reko kritisiert die Einstellung seines Vaters. Wie könne es sein, fragt er an einer Stelle, dass Baba Scheich, das geistliche Oberhaupt der Jesiden, die vom IS verschleppten Frauen von jeglicher Schuld freigesprochen hat, sein eigener Vater jedoch an seiner starren Haltung festhalte. Reko spricht hier einen zentralen Aspekt ein, der in der Realität eine bedeutende Rolle spielte, als es darum ging, die Frauen, die dem IS entkommen waren, wieder in die Gemeinschaft der Jesiden zu integrieren. Tatsächlich waren viele Jesidinnen, die aus der Gefangenschaft beim IS zurück kehrten, anfangs in großer Sorge, ob ihre Familien sie wieder aufnehmen würden, wenn sie erführen, dass sie ihre Jungfräulichkeit verloren hatten und zum Islam hatten konvertieren müssen. Die jesidische Gemeinschaft tat sich zunächst schwer damit, die Frauen wieder in ihre Gemeinschaft aufzunehmen, sagt der in Deutschland lebende Traumatologe Jan Ilhan Kizilhan, der selbst jesidische Wurzeln hat. Er hat etliche Überlebende vor Ort behandelt und über 1.000 jesidische Frauen mit einem Hilfsprogramm des Landes Baden-Württembergs nach Deutschland gebracht. Das Problem besteht darin, dass eine Jesidin nicht mehr als Jesidin gilt, wenn sie mit einem Mann einer anderen Religion Geschlechtsverkehr hatte, und dass voreheliche Beziehungen generell als Sünde betrachtet werden. Zur Taktik des IS gehört es, dass er diese Ängste ausnutzte, um die Jesidinnen, die sich in seiner Gewalt befanden, von Fluchtgedanken abzubringen. Die Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad, selbst eine Überlebende des Völkermords, schreibt: „Die Islamisten wussten ganz genau, wie verheerend es für eine unverheiratete jesidische Frau war, zum Islam zu konvertieren und ihre Jungfräulichkeit zu verlieren. Unsere schlimmsten Ängste – dass unsere Gemeinschaft und unsere Geistlichen uns deswegen nicht wieder aufnehmen würden – nutzten sie schamlos aus. ‚Versuch ruhig zu fliehen, es bringt dir ja doch nichts’, sagte Hadschi Salman zu mir. ’Selbst wenn du es bis nach Hause schaffst, dein Vater oder dein Onkel werden dich töten. Du bist keine Jungfrau mehr, und du bist jetzt Muslimin!“ (Nadia Murad, Ich bin Eure Stimme, S. 195-196). Einer jungen Frau, die befürchtete, von ihrer Familie verstoßen zu werden, nachdem sie vergewaltigt und nach Syrien verkauft worden war, war das Filmteam um Hussein Hassan bei den Recherchen vor Ort begegnet. Ihre Geschichte hat die Filmemacher zur Handlung des Films inspiriert.

In der Situation des Jahres 2014, als der Schock über die Ereignisse noch frisch war, stellte sich Baba Scheich, das geistliche Oberhaupt der Jesiden, an die Seite der Rückkehrerinnen und verkündete, dass sie Jesidinnen bleiben würden. Sie sollten nicht als Musliminnen betrachtet werden, da man sie zur Konversion gezwungen hat, und auch nicht als entehrte Frauen, sondern als Opfer von Vergewaltigungen. Auch empfing er persönlich die Überlebenden und bot ihnen seinen Beistand an. Der Religiöse Rat der Jesiden bekräftigte dies, indem er alle gläubigen Jesiden dazu aufforderte, die aus der Gewalt des IS zurückgekehrten Frauen mit offenen Armen in den Gemeinden zu empfangen. Man dürfe sie nicht verurteilen für das, was ihnen angetan worden sei (Nadia Murad, Ich bin Eure Stimme, S. 347-348). Diese Haltung der Geistlichen hatte für die Betroffenen eine existentielle Bedeutung. Wurde doch damit von höchster Instanz der Weg geebnet, die vom IS befreiten Jesidinnen wieder als vollwertige Mitglieder der Gemeinschaft aufzunehmen. Im Film nimmt Reko darauf Bezug, wenn er mit der Position seines Vaters hadert, die herkömmlichen patriarchalen Vorstellungen entspricht, und Schwierigkeiten hat, der barmherzigen Einstellung des geistlichen Oberhauptes der Jesiden zu folgen. Auf die menschliche Größe der Geistlichen gegenüber den Überlebenden bezieht sich auch eine Szene im Film, in der Pero mit ihrer Mutter und ihrem Verlobten nach Lalish reist, der heiligen Pilgerstätte der Jesiden, wo sie an einer religiösen Zeremonie  teilnimmt und von einem Geistlichen gesegnet wird. Der Film ergreift Partei für die Haltung des Sohnes, der sich gegen die Einstellung des Vaters wendet, die auf traditionellen patriarchalen Vorstellungen beruht – von denen auch Peros Vater nicht ganz frei ist. Der Film präsentiert uns einen männlichen Protagonisten, der sich nicht von seiner Liebe abbringen lässt. So wirft der Film einen differenzierten Blick auf die jesidische Gemeinschaft und entwickelt eine humanistische Vision, die einen Weg in die Zukunft eröffnet.

(Die Autorin bedankt sich bei Theo Lampe für seine kenntnisreichen Hinweise insbesondere zur Religion der Jesiden. Theo Lampe war bis zu seinem Ruhestand langjährig Referent für Migrationssozialarbeit beim Diakonischen Werk Oldenburg.)

Hintergrundinformationen

Wer sind die Jesiden? Warum werden sie verfolgt?

Die Jesiden (Êzîdî). sind eine religiöse Minderheit kurdischer Volkszugehörigkeit, die sich selbst auch als Eziden oder Yeziden bezeichnen Sie sind eine der ältesten Religionsgemeinschaften und weitaus älter als das Christentum und der Islam. Ihr Ursprung datiert 4.000 Jahre zurück und liegt in Mesopotamien, dem Gebiet um Euphrat und Tigris, das oft als Wiege der Menschheit bezeichnet wird. Beheimatet sind die Jesiden im Irak, in Syrien, der Türkei und dem Iran sowie in Georgien und Armenien. Ihr Hauptsiedlungsgebiet ist die Provinz Ninive im Norden des Irak und das irakische Kurdistan, ihre Sprache das nordkurdische Kurmanci. Zum Zeitpunkt des Genozids durch die Terrormiliz Islamischer Staat im Sommer 2014 lebten dort etwa 500.000 Jesiden. Mit ihrer Vertreibung droht das religiös-kulturelle Erbe der Jesiden in dieser Region unwiderruflich verloren zu gehen. Das Jesidentum ist eine eigenständige monotheistische Religion, die die Verehrung Gottes und seiner sieben Engel zum Kern hat. Das Jesidentum enthält Elemente aus Judentum, Christentum, Islam sowie dem Zoroastrismus. Es ist keine Buchreligion, sondern basiert auf mündlicher Überlieferung. Die jesidische Religion kennt das Böse nicht und ebenso wenig einen in Ungnade gefallenen Engel. Da Gott einzig ist, kann es nach dem Glauben der Jesiden keine zweite Macht neben Gott geben, demnach auch keinen personalisierten Widersacher. Sogar das Aussprechen des Wortes „das Böse“ empfinden die Jesiden als Gotteslästerung, da es die Allmacht Gottes in Frage stellt. Auch haben die Jesiden keine Vorstellung des Paradieses oder der Hölle. Sie glauben vielmehr an die Seelenwanderung und die Wiedergeburt. Nach jesidischer Lehre ist jeder Mensch für sein Handeln und Wirken selbst verantwortlich. Jeder Mensch wird als gut geboren, und Gott hat dem Menschen die Fähigkeit gegeben, eigenständig zu sehen, zu hören und zu denken. Gott hat dem Menschen den Verstand gegeben und ihn damit befähigt, den richtigen Weg zu finden. Daher kann der Mensch auch keine andere böse Wirkungsmacht für sein eigenes etwaiges Fehlverhalten verantwortlich machen. Die jesidische Religion kennt keine Missionierung und ist von daher auch keine auf Ausweitung bestrebte Religion. Das Jesidentum zeichnet sich vielmehr durch eine friedvolle und tolerante Haltung anderen Menschen, Religionen und Kulturen gegenüber aus. Deshalb betonen Jesiden auch immer wieder ihre Grundeinstellung, wie sie in dem jesidischen Morgengebet zum Ausdruck kommt: „Gott beschütze zuerst die 72 Völker und dann uns“, und ebenso in der folgenden jesidischen Lebensweisheit: „Wenn Du einem Menschen hilfst, frage nicht nach seiner Religion und auch nicht nach seiner Herkunft.“ Jesiden leben streng endogam, das heißt, um des Zusammenhalts der Gesellschaft willen dürfen sie nur untereinander heiraten. Jeside ist man aufgrund der Geburt, man kann nicht zum Jesidentum übertreten. Weltweit gibt es etwa über eine Million Jesiden, viele von ihnen leben in Europa und Nordamerika. In Deutschland leben derzeit etwa 200.000 Jesiden. Die Jesiden werden als religiöse Minderheit seit Jahrhunderten verfolgt und vertrieben und mussten unvorstellbar brutale Massaker erleiden. Das Ziel ihrer Feinde war dabei immer die Ausrottung und Zwangsislamisierung. In den letzten 800 Jahren haben die Jesiden 74 Genozide erlebt. Sie werden als angebliche „Teufelsanbeter“ diffamiert. Es handelt sich hier um ein Tabuwort, da die Jesiden das Böse und dessen Personifizierung (Teufel, Satan) nicht aussprechen. Benutzt man diesen Begriff in ihrem Beisein, verletzt man die Jesiden, und sie fühlen sich unverstanden. Zudem beruht diese Zuschreibung auch auf einer Falschinformation. Der wichtigste Engel im Jesidentum ist Malek Taus. Er gilt als Vermittler zwischen Gott und Mensch, greift selbst jedoch nicht in das Weltgeschehen an. Sein Symbol ist der Pfau. Seitens der muslimischen Umwelt wurde oft fälschlicherweise behauptet, dass Melek Taus den Teufel symbolisiere, obwohl im Jesidentum keine Figur des Bösen vorkommt. Der IS will die Jesiden auslöschen, weil er sie für „Ungläubige“ und „Teufelsanbeter“ hält.

Der Genozid an den Jesiden am 3. August 2014

Über 5.000 Jesiden fielen im Sommer 2014 in der Shingal Region im Norden des Irak der brachialen Gewalt des IS zum Opfer und wurden ermordet. Vor allem Männer und ältere Frauen wurden vom IS ermordet und in Massengräbern verscharrt. Weitere bis zu 7.000 Kinder und Frauen wurden entführt und gequält. Jungen im Kindesalter wurden zu Kindersoldaten des IS ausgebildet. Jüngere Frauen und Mädchen ab dem Alter von neun Jahren wurden verschleppt, vergewaltigt und gedemütigt. Sie wurden auf Sklavenmärkten als Sexsklavinnen an IS-Kämpfer oder wohlhabende Männer bis nach Syrien und nach Katar, Saudi-Arabien und Ägypten verkauft, und sie wurden dazu gezwungen, zum Islam überzutreten. 2018, vier Jahre nach dem Genozid, sind schätzungsweise noch immer 1.500 Frauen und Mädchen nicht wieder in Freiheit. Viele Tausende Jesiden und Jesidinnen mussten in das Sindschar-Gebirge fliehen und leben nach wie vor unter humanitär schwierigen Bedingungen in Flüchtlingslagern. Der IS wurde zwar aus der Region verdrängt, doch die Gegensätze der unterschiedlichen kurdischen Lager und der schiitischen Milizen macht die Zukunft der Jesiden in ihrer Heimat schwierig. Groß ist die Furcht, zwischen die Fronten zu geraten und erneut zur Zielscheibe von Diskriminierung und Verfolgung zu werden. Hinzu kommt die andauernde Kriegslage im benachbarten Syrien. Die Häuser der Jesiden sind zerstört, wie auch ihre Familien, und das Misstrauen gegenüber ihrer arabischen Umgebung ist groß. Denn während des Angriffs des IS auf die Jesiden schlossen sich viele sunnitische Araber aus den umliegenden Dörfern der militanten Terrormiliz an. Nachbarn, mit denen die Jesiden bis dahin friedlich zusammengelebt hatten.

2016: Die UN deklariert das Vorgehen des IS gegen die Jesiden als Völkermord

Im Bericht der Vereinten Nationen über den Genozid an den Jesiden heißt es, der IS habe die Jesiden durch Tötung, sexuelle Versklavung, Versklavung, Folter, unmenschliche und herabwürdige Behandlung auslöschen wollen. Damit sind die Voraussetzungen gegeben, um eine strafrechtliche Verfolgung der Verbrechen des IS durch den Internationalen Gerichtshof einzuleiten und die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Die strafrechtliche Verfolgung dürfte ein schwieriges und langwieriges Unterfangen werden. Doch Rechtsanwälte und zivilgesellschaftliche Akteure zusammen mit staatlichen Stellen arbeiten auf internationaler Ebene daran, dass dies eines Tages geschehen kann. Für die Überlebenden ist es von allergrößter Bedeutung, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden.

Sexuelle Gewalt gegen Frauen in kriegerischen Konflikten

Sexuelle Gewalt wird systematisch als Kriegswaffe eingesetzt. Es handelt sich um eine Form von Kriegsverbrechen, die wir auch aus anderen kriegerischen Konflikten kennen, wie etwa in Ruanda, Bosnien und dem Kongo. Sexuelle Gewalt in kriegerischen Konflikten zielt auf die Entmenschlichung der Opfer und die Zerstörung ihrer Zukunft, wie auch zugleich auf die Zerstörung ihrer Gemeinschaft. Durch die an den Frauen verübte sexuelle Gewalt soll die Gemeinschaft ebenfalls entwertet werden. Der IS verschleppte Jesidinnen, Christinnen und schiitische Turkmeninnen. Die Opfer waren vorwiegend unverheiratete, kinderlose Frauen. Es wird vermutet, dass die Frauen, die noch immer verschwunden sind, mittlerweile an Menschenhändlerringe verkauft wurden. Damit die aus der Gewalt des IS entkommenen Frauen ihre Traumata bewältigen können, ist die juristische Aufarbeitung der Verbrechen wichtig, sagt der Traumatologie Jan Ilhan Kizilhan von der Universität Villingen-Schwenningen, der jesidische Wurzeln hat. Er hat traumatisierte Frauen aus Tschetschenien, Ex-Jugoslawien und Ruanda behandelt. Nach dem Genozid an den Jesiden übernahm er die Leitung eines Hilfsprojekts, das im Auftrag des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, mehr als 1.000 besonders schutzbedürftige, vorwiegend jesidische Frauen und Kinder aus dem Irak nach Baden-Württemberg brachte, um die Traumata der Opfer zu lindern. Zudem hat er an der Universität Dohuk im Irak ein Institut für Psychotherapie und Psychotraumatologie aufgebaut, das 2017 seinen Betrieb aufgenommen hat. Kizilhan beschreibt die Taktik des IS folgendermaßen: „Dies ist ein Krieg gegen Frauen. Frauen werden dazu benutzt, neue Anhänger des IS zu rekrutieren. Sie werden systematisch zum Opfer gemacht.“ Er erklärt: „Der IS benutzt gezielt sexuelle Gewalt, um Gemeinschaften zu zerstören, indem der IS deren wertvollste Bestandteile zerstört. Wer eine Frau vergewaltigt, vergewaltigt die Gemeinschaft und die Familie.“ (Sabine Oelze, „Months of Horror: How the ‚IS’ destroyed my life“)

Nadia Murad – Friedensnobelpreisträgerin

Nadia Murad ist das öffentliche Gesicht der Jesiden. „Die Welt hat nur eine Grenze. Und das ist die Menschlichkeit“, sagte sie in ihrer bewegenden Ansprache vor den Vereinten Nationen im Herbst 2016. Dort sprach sie öffentlich über ihr persönliches Schicksal und das kollektive Schicksal der Jesiden im Irak. Im selben Jahr wurde sie zur UN-Sonderbeauftragten für die Würde der Überlebenden des Menschenhandels ernannt. 2018 wurde sie mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Nadia Murad ist eine Überlebende des Genozids. Drei Monate lang befand sie sich in der Gewalt des IS, wurde in der irakischen Stadt Mossul gefangen gehalten, konnte schließlich jedoch entkommen. Bei ihrer Flucht aus Mossul zurück ins nicht vom IS kontrollierte Gebiet Kurdistans half ihr eine Familie sunnitischer Muslime. Zunächst lebte sie mit einigen überlebenden Familienangehörigen in einem Flüchtlingslager nahe der irakischen Stadt Duhok. Ende des Jahres 2015 kam sie mit einem Rettungsprogramm des Landes Baden-Württemberg zusammen mit 1.000 schutzbedürftigen und traumatisierten Jesidinnen nach Deutschland. Sechs ihrer Brüder und ihre Mutter wurden ermordet. Insgesamt verlor sie vierzig Familienangehörige infolge des Genozids. Den Überfall des IS auf ihr Heimatdorf, ihre Gefangenschaft und Flucht vom IS schildert Nadia Murad eindrucksvoll in ihrem Buch Ich bin eure Stimme. Das Mädchen, das dem IS entkam und gegen Gewalt und Versklavung kämpft. (Knaur Verlag, 2017). Als Sonderbotschafterin der UN kämpft sie dafür, dass die IS-Täter zur Verantwortung gezogen werden. Nadia Murad und ihr öffentliches Engagement sind Thema des Dokumentarfilms ON HER SHOULDERS (2018). Von den Jesiden erfährt Nadia Murads öffentliches Engagement eine hohe Wertschätzung. Es wird als wichtiger Beitrag zum Überleben der jesidischen Religionsgemeinschaft gesehen und als authentisches Zeichen der Resilienz gegen Terror, Unterdrückung und sexuelle Gewalt. Für die Jesiden ist Nadja Murad vor allem auch eine weltweit wahrnehmbare Stimme gegen das Vergessen und Verdrängen des erlittenen Genozids sowie die Hoffnung auf strafrechtliche Aufarbeitung und Gerechtigkeit für die Opfer und ihre Angehörigen.

Rezeption des Films

Die Premiere des Films fand 2016 auf dem Dohuk International Festival statt. REŞEBA – THE DARK WIND war der Eröffnungsfilm des Festivals. Jesiden im Publikum protestierten gegen den Film. Sie waren der Meinung, dass der Film die Jesidische Gemeinschaft einseitig und nachteilhaft darstelle, als konservativ, patriarchalisch und rückwärtsgewandt. Aufgrund des Trailers war der Eindruck entstanden, die vom IS befreite und zu ihrer Familie zurückkehrte Protagonistin würde am Ende getötet. Tatsächlich geschieht dies jedoch nicht. Der Film zeichnet ein differenziertes Bild der jesidischen Gemeinschaft im Umgang mit der aus der Gefangenschaft beim IS befreiten jungen Frau, und das offene Ende des Films gibt Hoffnung. Auf dem 65. Internationalen Filmfestival Mannheim-Heidelberg, wo sich die Kontroverse um den Film zunächst fortsetzte, wurde REŞEBA - THE DARK WIND mit dem Hauptpreis ausgezeichnet. Die Jury begründete ihre Entscheidung damit, dass es dem Film „durch eine beeindruckende Regie, ein starkes Drehbuch und großartige Schauspielleistung“ gelinge, „aus seinem dramatischen und drängenden Thema ein vollendetes cinematographisches Werk zu machen.“(http://s43.s.gep-hosting.de/artikel/reseba-dark-wind-erhaelt-den-hauptpreis-des-internationalen-filmfestival-mannheim-heidelberg)

Didaktische Anregungen – Vorschläge für das Filmgespräch

  • Der Film beginnt mit der Verlobung eines jesidischen Paares. Welche Bedeutung hat die Verlobungsfeier für den dramaturgischen Spannungsbogen des Films?
  • Der Film behandelt den Völkermord an den Jesiden durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), der am 3. August 2014 begann. Was erfahren wir über die Ereignisse im Film? Wie werden sie dargestellt?
  • Die weibliche Hauptfigur des Films ist eine junge Frau namens Pero. Sie wird vom IS verschleppt. Nach ihrer Befreiung kehrt sie zu ihrem Verlobten und ihrer Familie zurück; sie ist jedoch schwer traumatisiert. Wie kommt ihre Traumatisierung zum Ausdruck?
  • Wie verhalten sich die einzelnen Personen in Peros Umfeld? Wie versuchen sie der jungen Frau wieder Halt zu geben?
  • Weite Teile des Films spielen in einem Flüchtlingslager. Wie stellt der Film die dortigen Lebensverhältnisse dar und welche Rolle spielen sie für die Geschichte, die der Film erzählt?
  • Der Vater des Bräutigams, der anfangs der Verlobung zugestimmt hatte, will die Hochzeit seines Sohnes mit Pero verhindern. Dadurch entsteht ein Konflikt mit seinem Sohn. Wie geht Reko mit dem Konflikt um?
  • In einer Szene reist Pero zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Verlobten nach Lalish, dem wichtigsten Heiligtum der Jesiden. Dort besuchen sie die heiligen Quellen und treffen einen jesidischen Geistlichen. Welche Bedeutung hat die Begegnung mit dem Geistlichen und der Besuch des heiligen Pilgerorts im Film?
  • Der Produzent des Films hat gesagt, das Ziel des Filmes bestünde darin, „die Widerstandsfähigkeit von Liebe und Leidenschaft bei der Bekämpfung von Intoleranz, Ignoranz und Düsterkeit zu veranschaulichen.“ Erfüllt der Film diesen Anspruch? Wie zeigt sich das?
  • Was ist Traumatisierung? Was bedeutet diese dramatische und existentielle Lebenserfahrung für die Betroffenen?
  • Was bedeutet im Zusammenhang mit Traumatisierung die positive Kraft der Resilienz, wie sie in der Wirklichkeit durch die Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad verkörpert wird?
  • Was muss getan werden, damit der Völkermord an den Jesiden aufgearbeitet werden kann und die Täter strafrechtlich verfolgt werden?

Stimmen über den Film

Mehmet Aktaş (Autor / Produzent)

(*1966 in Igdir, Türkei) ist Autor, Produzent und Geschäftsführer der Verleih- und Produktionsfirma mîtosfilm, die er 1995 in Berlin gründete und sich auf internationale Koproduktionen fokussiert.

REŞEBA ist die kurdische Bezeichnung für das plötzliche Aufkommen eines sogenannten „dunklen Windes“ der Hunger, Elend und Tod verursacht. Die Jesiden bezeichnen daher auch Kämpfer von ISIS (Islamischer Staat im Irak und Syrien) als REŞEBA. Gulna, eine der Frauen, die Hussein Hassan und ich im Zuge unserer Recherchearbeiten im irakischen Kurdistan trafen, beeinflusste unsere Geschichte wesentlich. Als ISIS ihr Dorf in der Shingal Region angriff, bereitete die 21-jährige Gulna gerade ihre Hochzeit vor. Wie viele andere Mädchen wurde sie vergewaltigt und an Sklavenmärkte in Syrien verkauft. Im Zuge der Befreiung der syrischen Stadt Til Kocher durch kurdische Kämpfer wurde auch Gulna befreit. Jedoch war sie nun mit einem neuen Albtraum konfrontiert. Es verfolgte sie nicht nur das durch die durchlebten Grausamkeiten ausgelöste Trauma - zusätzlich betrachteten Mitglieder der jesidischen Gemeinschaft sie auch als „entehrte, gefallene“ Frau. Die Familie ihres Verlobten akzeptierten sie nun nicht mehr als Braut ihres Sohnes. So begannen wir, inspiriert durch Gulnas Geschichte, an dem Drehbuch für „REŞEBA – The Dark Wind” zu schreiben und gleichzeitig mit den Dreharbeiten zu beginnen. Aufgrund der finanziellen Begrenzungen konnten wir keine Kriegsszenen nachstellen. Also gingen wir für den Dreh an die Frontline. Da sich unsere Crew zwischen echten bewaffneten kurdischen Kämpfern an der Front bewegte, wurden wir zweimal zum Ziel von Angriffen durch ISIS. Abgesehen von dem Risiko das wir eingingen, tragen diese Szenen zu der Authentizität des Filmes bei. Das spirituelle Konzil der Jesiden erteilte uns die Genehmigung, religiöse Zeremonien in Lalish aufzunehmen und dort zu drehen. Normalerweise ist das Betreten solch heiliger Orte in den Tempeln nur Jesiden gestattet. In REŞEBA, dem ersten fiktiven Film über Jesiden, werden zum allerersten Mal öffentlich Aufnahmen der jesidischen Heiligtümer gezeigt.
REŞEBA – THE DARK WIND will die Widerstandsfähigkeit von Liebe und Leidenschaft bei der Bekämpfung von Intoleranz, Ignoranz und Düsterkeit zu veranschaulichen.

Filmauswahl:
Produzent
NO ONE KNOWS ABOUT PERSIAN CATS (2009) von Bahman Ghobadi
u.a. “Un Certain Regard”, Cannes

SONG OF MY MOTHER (2014) von Erol Mintaş
u.a. „Bester Film“ Sarajevo International Filmfestival

BEFORE SNOWFALL (2014) von Hisham Zaman
u.a. Dragon Award für den Besten Nordischen Film, Göteborg Internationales Filmfestival

GULISTAN, LAND OF ROSES (2016) von Zayne Akyol
Weltpremiere: VISION DU RÉEL

HAUS OHNE DACH (2016) von Soleen Yusef
u.a. FRIEDENSFILMPREIS, Unabhängiges Filmfestival Os

DAS MILAN PROTOKOLL (2016) von Peter Ott
Weltpremiere: Mannheim-Heidelberg Internationales Filmfestival

DIE LEGENDE VOM HÄSSLICHEN KÖNIG (2017)
von Hüseyin Tabak
u.a. “Bester Dokumentarfilm”, Hofer Filmtage

Produzent und Drehbuch
MEMORIES ON STONE (2014) von Shawkat Amin Korki
(offizieller Oscar Entry für Irak)
u.a. „Best Film of the Arab World“, Abu Dhabi Filmfestival
„Unesco Prize“, Asia Pacific Screen Awards

RESEBA - THE DARK WIND (2016) von Hussein Hassan
u.a. “Unesco Prize”, Asia Pacific Screen Awards

Drehbuch
LETTER TO THE KING (2014) von Hisham Zaman
u.a. „Beste Drehbuch“, Amanda Award (Norwegen)

Hussein Hassan (Autor / Regisseur)
(*1974 in Duhok, KRG - Irak) ist Regisseur, Autor und Schauspieler aus der Autonomen Region Kurdistan (Nordirak).

Nachdem ISIS Kurdistan angegriffen hat, meldeten sich viele Menschen aus meinen Kreisen, Kollegen und Familienmitglieder, freiwillig bei der kurdischen Armee. Diejenigen, die nicht dem Krieg beitraten, halfen den Kriegsopfern beizustehen. Jeder fühlte sich für diese verantwortlich.
REŞEBA – THE DARK WIND entstand als Projekt der Verantwortung meinerseits. Natürlich war es in vielerlei Hinsicht riskant, einen Film über eine Tragödie zu drehen, die sich in meinem Umfeld zuträgt. Mit dem Vorhaben dokumentarisch zu arbeiten versuchten wir das Risiko zu mindern und der Realität gegenüber loyal zu bleiben. Ich war insbesondere an den Syndromen derjenigen Menschen interessiert, die dem ISIS entfliehen konnten. Letztendlich sind die meisten unserer Amateur-Schauspieler tatsächliche Kriegsopfer. Meistens gaben wir keine Dialoge vor. Im Laufe der Dreharbeiten verstanden sie unsere Intention und konnten sich mit ihren eigenen Worten ausdrücken.
Die Ankunft von ISIS in unserer Region war wie ein unerwarteter Sturm. Daher hat der erste Teil des Films einen schnellen Rhythmus. Je mehr sich die Geschichte fortsetzt, desto stiller wird sie. Nachdem Pero gerettet ist, kommen wir in einem Flüchtlingslager an. Die Verzweiflung der tausenden Menschen dort verwandelt sich in die wesentliche Atmosphäre des Filmes. Wir bevorzugten es, keine Nahaufnahmen von Terroristen des ISIS zu zeigen. Da wir nicht wissen, wer sie genau sind und vor allem welche Macht hinter ihnen steht, zeigen wir deren Gesichter mit Masken verhüllt.

Filmauswahl:

Regie und Drehbuch
HERMAN (2009)
Weltpremiere: Internationalen Film Festival in Busan

NARCISSUS BLOSSOM (2006)
u.a. 56.Berlinale, Kategorie PANORAMA - Amnesty International Filmpreis

RESEBA - THE DARK WIND (2016)
u.a. Best Muhr Fiction Feature, Dubai IFF

Schauspiel
CROSSING THE DUST (2006) von Shawkat Amin Korki

MEMORIES ON STONE (2014) von Shawkat Amin Korki
u.a.„Unesco Prize“, Asia Pacific Screen Awards

MARDAN (2014) von Batin Ghobadi
Weltpremiere: Toronto International Film Festival Premiere

Diman Zandi (“Pero”)

Zur Vorbereitung auf meine Rolle besuchte ich über längere Zeit ein sogenanntes „Heilungszentrum“. Dieses suchten viele Frauen auf, die durch den IS versklavt und vergewaltigt wurden. So wie alle Angestellten der Organisation wollte ich die Frauen unterstützen. Dabei fiel mir besonders ihr Schweigen auf. Die meisten Frauen mieden die Gesellschaft und wollten ihre Erfahrungen mit niemandem teilen. Beinahe alle kamen ursprünglich aus ländlichen und traditionellen Gebieten. Besonders die Frauen, die in Flüchtlingscamps lebten, fühlten sich schuldig und hatten sogar Angst davor, raus zu gehen. Wir begannen mit einer Familie aus einem Camp zu arbeiten, deren Tochter dem IS entkommen konnte. Ich habe mich gut mit der Familie verstanden und nach und nach enge Verbindungen im Camp aufgebaut. Manche Bewohner glaubten deshalb, dass ich auch eines der Opfer sei. Wenn ich im Camp umherlief, hörte ich Menschen über mich reden.

Rekesh Shahbaz (“Reko”)

Als mir der Regisseur Hussein Hassan die Rolle angeboten hat, habe ich gerade für eine Menschenrechtsorganisation einen Dokumentarfilm über die Geflüchteten gedreht. All die Schulen, Moscheen und Krankenhäuser in Duhok, der Stadt in der ich lebe, waren voll von jesidischen Geflüchteten. Viele konnten keine Unterkunft finden und lebten auf der Straße oder in unfertigen Gebäuden. Auch diejenigen, die erst in den Bergen Zuflucht gesucht hatten, kamen nach und nach in die Stadt. Die Anzahl der Geflüchteten betrug beinahe eine Millionen. Das sind doppelt so viele Menschen, wie die Einwohner Duhoks. Durch diesen persönlichen Erlebnisse fiel es mir leichter, Rekos Charakter zu verstehen. Einen Film über ein Massaker zu drehen, das erst zwei Wochen zuvor stattgefunden hat, war sehr mutig. Es war für uns alle eine neue Erfahrung.

Literatur- und Medienhinweise

Bücher

  • Alexandra Cavelius und Jan Ilhan Kizilhan, Die Psychologie des IS. Die Logik der Massenmörder, Berlin, München, Zürich und Wien: Europa Verlag, 2016.
  • Chaukeddin Issa, Das Jesidentum. Religion und Leben. Oldenburg: Jesidisches, Forum e.V., 2016.
  • Farida Khalaf mit Andrea C. Hoffmann, Das Mädchen, das den IS besiegte. Faridas Geschichte. Köln: Bastei Lübbe, 2016.
  • Ilhan Jan Kizilhan, Die Yeziden. Eine anthropologische und sozialpsychologische Studie über die kurdische Gemeinschaft. Frankfurt am Main: Medico International, 1997.
  • Nadia Murad, Ich bin eure Stimme. Das Mädchen, das dem IS entkam und gegen Gewalt und Versklavung kämpft. München: Knaur Verlag, 2017.
  • Otmar Oehring, Christen und Jesiden im Irak. Sankt Augustin: Konrad Adenauer Stiftung, 2017.
  • SHIRIN mit Alexandra Cavelius und Jan Ilhan Kizilhan, Ich bleibe eine Tochter des Lichts. Meine Flucht aus den Fängen der IS-Terroristen. Berlin, München, Zürich und Wien: Europa Verlag, 2016.

Filme

  • SKLAVINNEN DES IS – SUCHE NACH GERECHTIGKEIT. Regie: Philippe Sands, David Evans, Deutschland 2018, Dokumentarfilm, 85 Min.
  • HAWAR – MEINE REISE IN DEN GENOZID. Regie: Düzen Tekkal, Deutschland, Irak, Türkei 2015, 101 Min., Dokumentarfilm
  • ON HER SHOULDERS. Regie: Alexandria Bombach, USA 2018, 95 Min, Dokumentarfilm

Artikel

  • Stefan Dege, „Verfolgt und als ‚Ungläubige’ verachtet: Jesiden“ Deutsche Welle 10.4.2018
    https://www.dw.com/de/verfolgt-und-als-ungl%C3%A4ubige-verachtet-jesiden/a-43321825
  • Die Stimme der Jesiden. Nadia Murad macht auf das Leiden im Irak aufmerksam“ evangelisch.de 5.10.2018
    https://www.evangelisch.de/inhalte/146716/05-10-2018/nadia-murad-jesiden-leiden-irak-isis?kamp=b-012
  • Martin Durm, „Jesiden-Verfolgung. In den Fängen der Dschihadisten“ Deutschlandfunk 3.11.2014
    https://www.deutschlandfunk.de/jesiden-verfolgung-in-den-faengen-der-dschihadisten.724.de.html?dram:article_id=302149&xtor=AD-252-%5B%5D-%5B%5D-%5B%5D-%5Bdlf-desktop%5D-%5B%5D-%5B%5D
  • Daniel Dylan-Boehmer, „Friedensnobelpreis für Nadia Murad ist auch eine deutsche Heldengeschichte“ Die Welt 5.10.2018
    https://www.welt.de/politik/ausland/article181777290/Friedensnobelpreis-fuer-Nadia-Murad-Duezen-Tekkal-ueber-die-jesidische-Tabubrecherin.html
  • Susanne El Khaffif und Björn Blaschke, „Verschleppt, ermordet, vergessen? Besuch bei den Jesiden im Nordirak“ Deutschlandfunk 15.9.2017
    https://www.deutschlandfunk.de/besuch-bei-den-jesiden-im-nordirak-verschleppt-ermordet.724.de.html?dram:article_id=395964
  • Susanne El Khaffif, „Mit der Waffe in der Hand: Warum eine Jesidin Peschmerga wurde“ Deutschlandfunk 23.9.2017
    https://www.deutschlandfunk.de/warum-eine-jesidin-peschmerga-wurde-mit-der-waffe-in-der.799.de.html?dram:article_id=396590
  • Armin Farzanefar, „Kulturleben im Nordirak. In Kurdistan wächst ein zartes Pflänzchen“ Neue Zürcher Zeitung 13.10.2016
    https://www.nzz.ch/feuilleton/schauplatz/dohuk-im-nordirak-ringt-um-sein-kulturleben-in-kurdistan-waechst-ein-zartes-pflaenzchen-ld.121711
  • Peter Haffner, „Vertriebene aus einer fremden Welt“ Neue Zürcher Zeitung 6.7.2017
    https://www.nzz.ch/feuilleton/jesiden-in-deutschland-vertriebene-aus-einer-fremden-welt-ld.1304235
  • Josef Kelnberger, „Mukwege und Murad ausgezeichnet: Friedensnobelpreis im Kampf gegen sexuelle Gewalt“ Süddeutsche Zeitung 5.10.2018
    https://www.sueddeutsche.de/politik/friedensnobelpreis-denis-mukwege-nadia-murad-1.4157392
  • Liesa Klotzbücher, „‚Diese Frauen brauchen kein Mitleid, sondern Respekt.’ Der Psychotherapeut Jan Ilhan Kizilhan behandelt Frauen und Kinder, die in den Fängen des „islamischen Staats’ waren. Ein Gespräch über Täter, Opfer und Abgründe der menschlichen Psyche.“ spektrum.de 8.6.2017
    https://www.spektrum.de/news/diese-frauen-brauchen-kein-mitleid-sondern-respekt/1460255
  • Judith Kubitschek, „Die Stimme der Jesiden. Nadia Murad macht auf das Leiden im Irak aufmerksam“ evangelisch.de 5.10.2018
    https://www.evangelisch.de/inhalte/146716/05-10-2018/nadia-murad-jesiden-leiden-irak-isis?kamp=b-012
  • Judith Neurink, „Vermisste Jesiden: Ein Leben im Verborgenen“ Deutsche Welle 19.11.2017
    https://www.dw.com/de/vermisste-jesiden-ein-leben-im-verborgenen/a-41442820
  • Wolfgang Nierlin, „Tumulte bei ‚The Dark Wind’-Premiere beim Festival Mannheim-Heidelberg“ Rhein-Neckar-Zeitung 17.11.2016
    https://www.rnz.de/kultur-tipps/kultur-regional_artikel,-Kultur-Regional-Tumulte-bei-The-Dark-Wind-Premiere-beim-Filmfestival-Mannheim-Heidelberg-plus-Fil-_arid,235576.html
  • Anke Petermann, „Jesiden in Deutschland organisieren sich. Gründung eines Bundesverbands“, Deutschlandfunk 26.1.2017
    https://www.deutschlandfunk.de/gruendung-eines-bundesverbandes-jesiden-in-deutschland.886.de.html?dram:article_id=377337
  • Raniah Salloum, „Der Mann, der den Jesidinnen hilft“. Gespräch mit Jan Ilhan Kizilhan, Spiegel Online 13.8.2015
    http://www.spiegel.de/politik/ausland/islamischer-staat-opfer-baden-wuerttemberg-hilft-jesiden-a-1047752.html
  • Rüdiger Soldt, „Zerbrechlich. Friedensnobelpreisträgerin“ Frankfurter Allgemeine Zeitung 5.10.2018
    http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/friedensnobelpreistraegerin-murad-zerbrechlich-15822903.html
  • Ingmar Volkmann, „‚Der Islam steckt in einer Übergangsphase’ Interview: Traumatologe Jan Kizilhan betreut Jesiden“ Stuttgarter Zeitung 20.8.2017
    https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.traumatologe-jan-kizilhan-betreut-jesiden-der-islam-steckt-in-einer-uebergangsphase.87b1300d-7487-44ba-9bb7-3bb217de6481.html
  • Veronika Wawatschek, „‚Besser, sie hätten uns alle umgebracht’. Jesiden im Nordirak“ Deutschlandfunk 1.8.2017
    https://www.deutschlandfunk.de/jesiden-im-nordirak-besser-sie-haetten-uns-alle-umgebracht.886.de.html?dram:article_id=392022
  • Anke Westphal, „Kritik zu ‚Reseba – The Dark Wind’“ epd film 23.3.2018
    https://www.epd-film.de/filmkritiken/reseba-dark-wind

Links

Jesidische Organisationen, bzw. Infos zu Nadia Murad

  • http://www.yazda.org/
  • https://www.freeyezidi.org/
  • https://www.nadiasinitiative.org/about-2/
  • https://www.youtube.com/watch?v=BfNsCG-S3-U
  • https://www.hawar.help
  • https://www.gea-ev.net/%C3%BCber-die-gea/
  • http://www.zentralrat-eziden.com/
  • http://www.ezidak.de/

Themenschwerpunkt zum Jesidentum

  • http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/thema/jesiden
  • http://www.bpb.de/gesellschaft/bildung/filmbildung/258675/life-on-the-border
  • https://www.yeziden-im-irak.de/wer-sind-die-yeziden/

 

April 2019
Autorin: Margrit Frölich (Vorsitzende der Evangelischen Filmjury und Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Frankfurt)
Redaktion: Bernd Wolpert