Arbeitshilfe

Erzähl' von Großmutter

Film: 

Parlons Grandmère

Dokumentarfilm von Djibril Diop Mambéty
Burkina Faso 1989, 30 Min.

Inhalt

Im Sommer 1988 drehte der damals noch junge, mittlerweile weltbekannte Regisseur Idrissa Ouedraogo seinen zweiten Spielfilm, „Yaaba“. Zu dieser Zeit lagen die Temperaturen in Burkina Faso bei 40 Grad im Schatten.
Die Dreharbeiten verzögern sich durch allerlei Zwischenfälle und der Regisseur fürchtet täglich das Einsetzen der Regenzeit. Die Savanne wird dann innerhalb kürzester Zeit grün werden und die bisher schon gedrehten Szenen nicht mehr zu den noch ungedrehten passen.
Der senegalesische Autor und Filmemacher Djibril Diop Mambéty – älter als Idrissa Ouedraogo und von ihm wie von anderen afrikanischen Filmemachern wegen seines Road-Movies „Touki Bouki“ als Vorbild bewundert – dokumentiert einige Drehtage von „Yaaba“. Seine besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Arbeit des Regisseurs mit den beiden Kindern und der über achtzigjährigen Darstellerin der Großmutter; der „Yaaba“ wie es in der dort gesprochenen Sprache Morée heißt. Sie hat in ihrem bisherigen Leben noch keinen Film und bis dahin auch noch nie eine Kamera gesehen. Doch was sie fürchtet sind nicht diese ihr unbekannten technischen Geräte, sondern dass sie ihren eigenen Tod spielen soll.

Zur Gestaltung

 „Erzähl’ von Großmutter“ ist keine klassische Making-Of-Dokumentation, dafür ist Djibril Diop Mambéty ein zu eigenwilliger und eigensinniger Regisseur.
Im Abspann dankt Mambéty allen Kindern und Großmüttern; in seinem sparsam eingesetzten Kommentar thematisiert er die Schwierigkeiten des Filmemachens in Afrika überhaupt.
So zollt Mambéty einerseits dem Regisseur Idrissa Ouedraogo seinen Respekt, lenkt den Blick aber zugleich auf den Alltag der Menschen – wobei, dies fällt durchaus auf, die Kinder und die Darstellerin der alten Yaaba im Mittelpunkt stehen. Ohne alle Kritik an „Yaaba“ zeigt dieser Film so auch jenen heutigen Alltag, den einige (europäische) Kritiker am Spielfilm „Yaaba“ vermisst hatten, wenn sie monierten; dem Film fehlten jegliche Spuren des nachkolonialen, modernen Afrikas. Bei Mambéty hingegen gibt es die vielen Fahrrad fahrenden Kinder, die allgegenwärtigen Mopeds und auch ein auf uns eher schäbig wirkendes Freiluftkino der Hauptstadt Ouagadougou zu sehen. Gerade in diesem ganz normalen Nebeneinander von traditionellem Leben, das noch immer überwiegend von der Landwirtschaft geprägt ist, und dem Ausnahmezustand bei den Dreharbeiten zu einem Kinospielfilm – wo z.B. auch der damals einzige Lichtwagen, den es südlich der Sahara überhaupt gab, zum Einsatz kam und der dann beim Einbruch der Regenzeit erst mal im Schlamm stecken bleibt – gerade in solchen Beobachtungen wird die Anstrengung und die Leistung sichtbar, die jeder in Afrika gedrehter Kinospielfilm seinen Machern abverlangt. Dies sichtbar zu machen, gelingt Djibril Diop Mambéty auf ebenso unspektakuläre wie eindrückliche Art. Der Film lebt zuallererst von den Stimmungen, die er einfängt. Den Momentaufnahmen vom Alltag der Kinder oder ihrer Freude wenn dann der lang ersehnte Regen kommt, setzt er in mehrfach wiederholten Filmausschnitten die dramatisch verdichtete Film-Kindheit der Spielhandlung von  „Yaaba“ entgegen, die auf eine nächtlich verdunkelte Wand projiziert werden.
Sehr bewusst und eigenwillig auch die Montage des Films. So etwa wenn er immer wieder eine Großaufnahme der Augenpartie der alten Yaaba gegen die bedrohliche Kulisse des Gewitterhimmels schneidet oder wenn er die Szene, in der Yaaba stirbt in drei verschiedenen Einstellungen wiederholt. Er wählt eben bewusst kein Interview, in dem er die alte über achtzigjährige Fatimata Sanga befragen könnte, was es für sie bedeutet, ihren Tod zu spielen. Stattdessen zeigt er die Szene, als Bila sich der vor ihrem Haus kauernden Frau, die ihren Kopf auf die Arme gelegt hat, annähert und sie, als sie nicht zu ihm aufschaut, vorsichtig am Arm berührt, woraufhin sie langsam zur Seite kippt. Aber gleich darauf ist sie wieder stolz und aufrecht in der Savanne zu sehen. Dann folgt ein Schnitt auf einige Geier, einem Symbol des Todes. Es folgt erneut eine zweite, aus anderer Perspektive aufgenommene Einstellung der Todesszene. Danach wieder Fatimata Sanga mit einigen großen Wassergefäßen, aus denen sie mit einer Kalebasse – beides Symbole des Lebens – schöpft und mit Nopoko im Bild zu sehen ist. Dann wie sie langsam zum Team läuft, das sich zum Abschlussfoto vor einer Lehmmauer aufgestellt hat, auf der in riesigen weißen Buchstaben YAABA aufgemalt ist. Dann eine dritte, wiederum andere Einstellung der Szene, in der sie stirbt. Jetzt lässt sich Bila neben der Toten zu Boden fallen. Danach wieder die Szene mit dem ganzen Team. Idrissa Ouedraogo, der sie um vieles überragt, geht ehrfürchtig oder doch zumindest respektvoll neben ihr in die Hocke. In dieser derart montierten Sequenz ist nicht nur der Darstellerin der Yaaba ein kleines filmisches Monument errichtet – das wir noch immer sehen können, obwohl sie sicherlich nicht mehr lebt – sondern es ist auch eine Hommage an das Team und das afrikanische Kino insgesamt. Zu diesem zählt Djibril Diop Mambéty ganz selbstverständlich auch die aus Europa stammenden Techniker. Er ist kein Purist, für den – und dazu gab es zur damaligen Zeit durchaus andere Positionen – ein Film nur dann authentisch afrikanisch ist, wenn kein Weißer daran beteiligt ist.
Und so sind denn auch die wenigen Kommentare Mambétys sehr gezielt an wichtigen Stellen der Dokumentation platziert. Wenn die Aufnahme vom Set bei der Bestrafung Bilas durch seinen Vater gezeigt wird, dann sind zunächst nur die angstvollen Blicke der Kinder dagegen geschnitten und das Blöken der Tiere im Off zu hören. Dazu dann später der Kommentar: "Eine Großmutter wird das Kind rächen, das man so demütigt!" Oder an anderer Stelle auch hier wieder auf das enge Verhältnis von Kindern und Großmüttern verweisend: „Großmutter, für Dich gibt es nur Einsamkeit. Aber ein Kind wird seine Angst überwinden und zu dir kommen. Fast schon verbirgt sich der Tag deines Lebens im Dunkel der Schlucht. Mitleid, ich nenne deinen Namen: Ouedraogo, Afrika, Burkina …“.

Über den Regisseur

Djibril Diop Mambéty wurde 1945 in Colobane, bei Dakar, Senegal geboren. Nach einer Ausbildung als Schauspieler wirkte er in einigen senegalesischen und italienischen Filmen mit. 1965 drehte er seinen ersten Film. Zusammenarbeit u.a. mit Pier Paulo Pasolini. Mit „Touki Bouki“, seinem ersten langen Spielfilm, realisiert er 1973 einen Klassiker des afrikanischen Kinos. „Die kleine Verkäuferin der Sonne“ ist der zweite Teil einer geplanten Trilogie "über die kleinen Leute". Diese bleibt unvollendet. Djibril Diop Mambéty starb im Juli 1998 in Paris.

Medienhinweise

DIE STRASSE GEHÖRT UNS
(A Nous La Rue)
Moustapha Dao
Burkina Faso 1987, 15 Min., Dokumentarspielfilm
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TOUKI BOUKI - Die Reise der Hyäne (Le voyage de la hyène)
Djibril Diop Mambéty
Senegal 1973, 95 Min., Spielfilm, OmU
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Meisterwerke von Djibril Diop Mambéty
DIE KLEINE VERKÄUFERIN DER SONNE
(La petite vendeuse de soleil)
Senegal/Schweiz/Frankreich 1999, 45 Min., Kurzspielfilm, OmU
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DAS LOS (Le Franc)
Senegal/Schweiz/Frankreich 1994, 45 Min., Kurzspielfilm, OmU
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Autor der Arbeitshilfe: Bernd Wolpert
Juli 2008