Arbeitshilfe

Essen im Eimer - Die große Lebensmittelverschwendung

Dokumentarfilm von Valentin Thurn
Deutschland 2010, 30 Min.

Kurzinhalt

Der Film ermöglicht einen Überblick über die Thematik „Wegwerfen von Lebensmitteln“. Dabei werden die Verluste in der gesamten Produktionskette in den Blick genommen: vom Anbau auf dem Feld, über Transport, Verarbeitung und Vermarktung in Groß- und Supermärkten bis hin zu den EndverbraucherInnen.

Der Film zieht folgende Schlüsse:

1. Rein rechnerisch würden die in Europa und Nordamerika weggeworfenen Lebensmittel drei Mal ausreichen, um alle Hungernden auf der Welt zu ernähren.
2. Das „Wegwerfen“ ist – insbesondere bei Getreide – indirekt mitverantwortlich für Preissteigerungen bei Lebensmitteln und damit auch an der Zunahme der hungernden Menschen weltweit.

Der Film verdeutlicht diese Wegwerf-Problematik am Beispiel von Getreide/Brot, Kartoffeln, Tomaten, Gurken und Bananen.

Interviews mit zahlreichen Personen, die in den unterschiedlichen Bereichen entlang der Produktionskette tätig sind, ermöglichen den Zuschauern differenzierte Einblicke: Kleinbauern, die von ihrem Land verdrängt wurden, der Geschäftsführer einer Bananenplantage in Kamerun; Bauern, Supermarktangestellte und ein Großmarkthändler aus Europa. Außerdem schildern Vertreter der EU-Kommission und von Verbänden die Problematik aus ihrer Perspektive. Gleichzeitig kommen auch alternative Bewegungen oder Einzelpersonen zu Wort, die aus Überzeugung oder aus Not Weggeworfenes verwenden oder sich für die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung einsetzen.

Langfassung

Wie in einem Puzzle fügt der Film eine Vielzahl von Einzelbeobachtungen zu einem Gesamtbild zusammen: Er beginnt mit Bergen weggeworfener Lebensmittel, die zu Biogas verarbeitet werden. Jan Franck, Geschäftsführer von BioWerk Hamburg, nennt die Nachfrage an einer immer noch größer werdenden Auswahl frischer Ware in den Supermärkten als eine der Ursache für die Lebensmittelverschwendung.

Klaudia Fischer, Angestellte in einem deutschen Supermarkt, erklärt, wie sie Produkte, die kurz vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum stehen, aussortiert. Bei Obst und Gemüse wird bereits weggeworfen, was optisch nicht mehr einwandfrei aussieht.

Michael Gerling vom Bundesverband Deutscher Lebensmittelhandel verdeutlicht, dass es in Deutschland einen sehr hohen Wettbewerbsdruck im Einzelhandelsbereich gebe und Händler deshalb vor der Herausforderung stehen, „satte Menschen hungrig zu machen.“

Felicitas Schneider hat für das Institut für Abfallwirtschaft aus Wien eine zehnwöchige Untersuchung bei einer Supermarktkette geleitet. In jeder Filiale wurden pro Tag 45 kg Lebensmittel weggeworfen. Wichtigster Grund hierfür ist die Orientierung am Mindesthaltbarkeitsdatum. Sie weist darauf hin, dass viele der weggeworfenen Produkte auch noch sechs Monate nach Ablauf dieses Datums genießbar wären.

In Frankreich konnten – was in Deutschland nicht möglich war – auch Routineabläufe beim Aussortieren und Wegwerfen von Lebensmitteln in Supermärkten dokumentiert werden.

Sylvain Sadoine, Verkäufer beim Supermarkt Leclerc in Lille, Frankreich: Er kontrolliert täglich die Mindesthaltbarkeitsdaten von Lebensmitteln und sortiert aus, wo diese überschritten sind. Bei Fleisch, so erklärt er, sei die Haltbarkeitsabgabe derart kurz, dass eine Abgabe an andere rechtlich nicht möglich sei.

Supermarkt-Direktor Thomas Pocher erklärt, bei Leclerc würden 500-600 Tonnen pro Jahr an Lebensmitteln weggeworfen. Dabei seien die seitens der Hersteller vorgenommenen Verkürzungen von Mindesthaltbarkeitsdaten – z.B. bei Mineralwasser von 18 auf 6 Monate, oft nicht mehr nachvollziehbar. Gesundheitlich relevant seien die Haltbarkeitsangaben insbesondere bei Fisch, Fleisch und Eiprodukten.

„Mülltaucher“ werden bei ihrer Suche nach Lebensmitteln in Supermarktcontainern gefilmt. Hanna Poddig aus Göttingen schildert ihre Motivation und ihre Erfahrungen mit dem „Containern“ und weist darauf hin, dass eine große Flexibilität nötig sei. Denn sie wisse nie, was sich in den Mülltonnen befinde - und damit später auf ihrem Teller.

Das Mitnehmen der von Supermärkten weggeworfenen Lebensmittel gilt rechtlich als Diebstahl.

Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf ist Landwirt in Spenge. Er schildert, dass bereits 40-50 % der Kartoffeln bei der Ernte auf dem Acker aussortiert werden, weil sie zu groß oder zu klein sind, oder weil sie Dellen haben. Und mit Blick auf seinen abgeernteten Acker fügt er hinzu: „Wer das nicht kennt, der denkt, hier sei noch gar nicht aufgesammelt worden.“ Deshalb freut er sich über Menschen wie Gerhard Liebe, der die liegengebliebenen Kartoffeln aufsammelt.

Wiederholt wird der Handel, der die Standards festlegt, als Grund benannt warum derart viele Lebensmittel weggeworfen werden. Dies erläutert Roger Waite von der Europäischen Kommission, Brüssel, am Beispiel der Gurken: nicht die EU sondern der Handel verlangt gerade Gurken, damit diese adäquat verpackt werden könnten. Karl Schmitz von der Bundesvereinigung Obst und Gemüse, Bonn, bestätigt dies. Auch die Rücknahme von EU-Verordnungen habe zu keinen Veränderungen geführt, denn der Handel sei auf Normen angewiesen.

Auch Timothy Jones, Müllforscher aus Tucsan, Arizona, bestätigt diesen Befund für die USA. Hier werden Agrarerzeugnisse auf klar festgelegt Formen und Farben geprüft, um den Standards für den Verkauf zu genügen.

Hier in den USA wird ein Alternativkonzept vorgestellt: „community supported agriculture“ (CSA). Bereits mehr als 100.000 Menschen beteiligen sich an einer solidarischen orientierten Landwirtschaft. Dabei übernehmen Gruppen von VerbraucherInnen die umgelegten Betriebskosten eines regionalen Landwirtes und beziehen dann dafür die Lebensmittel auf selbst organisierten Wochenmärkten, ohne einzelne Produkte zu bezahlen. Verluste im Handel könnten so vermieden werden. Eine Frau berichtet, sie habe durch die Umstellung ihrer Ernährung auf mehr Gemüse abgenommen; eine andere berichtet, sie habe jetzt überhaupt das erste Mal „grünes Gemüse“ gegessen.

Mit dem Hinweis, dass nur 5% der Lebensmittel, die in den Supermärkten verkauft werden, aus regionalem Anbau stammen, dokumentiert der Film die alltägliche Praxis im Pariser Großmarkt Rungis: Tony Apfelbaum wird dabei gezeigt, wie auf seine Freigabe hin 8,8 Tonnen Orangen - auf Antrag des Händlers - entsorgt werden. Dies sei für den Großmarkt keine ungewöhnliche Menge.

José Vinas, der ebenfalls hier arbeitet, erklärt den Routineablauf: Es lohne sich nicht, aus den Orangen-Kisten die Schlechten auszusortieren. Seien mehr als zwei Orangen pro Kiste faul, werden die gesamte Palette weggeworfen.

Auch bei den Meeresfrüchten und beim Fisch sei die Wegwerf-Quote sehr hoch. Alles, was älter ist als einen Tag, kommt weg.

Laut Arnaud Lanlais, Lagerleiter der Pariser Tafel, konnten durch die Aktivitäten der Tafel bereits 120 Tonnen aussortiertes Gemüse und Obst, das nicht mehr in den Verkauf gekommen wäre, an Bedürftige verteilt werden. Mehrere Millionen Menschen können in Europa durch dieses Tafel-System versorgt werden.

Véronique Abounà Ndong aus Kamerun, Mitarbeiterin der Pariser Tafel, erzählt, dass es ihr „sehr weh tut“, dass Lebensmittel weggeschmissen werden. Sie sagt, dass sich ihre Nachbarn in Kamerun keine Bananen leisten können und diese in Europa auf dem Müll landen, obwohl ein Transport von 10.000 Kilometern hinter ihnen liegt. Der Lagerleiter der Tafel stellt fest, dass die Wertschätzung für Lebensmittel in Europe verloren gegangen sei. Im Kommentar wird berichtet, dass Véronique kurz danach entlassen wurde. Es sei ihr zu schwer gefallen, sich mit den Auswahlkriterien der Pariser Tafel für die Lebensmittel zu arrangieren.

Bananenplantage PHP, Kamerun, Tsini Zoa. Der Geschäftsführer weist auf die hohen Anforderungen des Handels hin. Nicht nur Größe und Form werden festgeschrieben, sondern sogar wie viele Bananen an einer Staude sein müssen. 8% der Gesamternte werde deshalb aussortiert.

Der Anbau von Bananen wird aber auch von Landkonflikten begleitet. Der 64-jährige André Foka ist Kleinbauer in Nyombé. Er berichtet wie der Papaya-Anbau der lokalen Bauern wegen der Bananenplantage immer weiter zurückgedrängt wurde. Seine Familie kann sich kein Fleisch leisten – nicht einmal im Jahr.

Felicitas Schneider vom Institut für Abfallwirtschaft aus Wien, äußert sich zum Wegwerfen von Lebensmitteln in Privathaushalten. Für Deutschland sind noch keine Zahlen erhältlich. Aber in einem österreichischen Durchschnittshaushalt werden jährlich 100 kg essbare Lebensmittel weggeworfen. 6-12% des Haushaltsmülls sind hier noch genießbare Lebensmittel; hinzu kämen noch 3-6% Speisereste. Es handle sich pro Haushalt und Jahr um einen Wert von etwa 400 Euro.

Auf Deutschland hochgerechnet wären dies ca. 20 Milliarden Euro sein; mithin der Jahresumsatz von Aldi.

Als Fallbeispiel für das Wegwerfen verarbeiteter Lebensmittel dient eine Bäckerei; generell würden hier bis zu rund 20 Prozent der gesamten Produktion weggeworfen. Roland Schüren, Inhaber einer größeren Bäckerei in Hilden, beschreibt dies als betriebswirtschaftlichen Verlust, bei dem nicht nur die eingesetzten Waren, sondern auch die investierte Arbeitskraft und Energie verschwendet werden. Doch von den Kunden – oder zumindest den Supermärkten als Verpächter der Vorkassen-Shops - werde erwartet, dass die Regale auch am Abend bis kurz vor Ladenschluss noch voll sind. Um konkurrenzfähig zu sein, produzierten Bäcker daher einen gewaltigen Überschuss.

500.000 Tonnen Brot werden alleine in Deutschland im Jahr weggeworfen. Hiermit könnte z.B. ganz Niedersachsen versorgt werden. Knapp die Hälfte davon wird immerhin noch als Tierfutter verwendet.

Roland Schüren hat einen anderen Weg gewählt. In seiner Bäckerei werden die Brot-Reste zu Pellets verarbeitet und verheizt. Ihm zufolge könne durch diese energetische Nutzung der Reste deutschlandweit ein Atomkraftwerk eingespart werden.

Prof. Joachim von Braun vom Bonner Zentrum für Entwicklungsforschung verweist auf die globalen Zusammenhänge zwischen Lebensmittelverschwendung und Hunger. Für die „Brotaufstände“ des Jahres 2008 gelten die hohen Börsenpreise sowie die Spekulationen mit Nahrungsmitteln als Ursachen. Die Weizenpreise verdoppelten sich damals und die ohnehin „armen Bevölkerungsgruppen“ konnten sich im Gefolge dessen keine ausreichende Lebensmittelversorgung mehr leisten. „Je mehr wir wegwerfen, umso höher wird der Preis.“ Somit trage unser Wegwerfen – nicht direkt, aber über die Preissignale – eben doch zum Hunger in der Welt bei. So würden, rein rechnerisch betrachtet, die in Europa und Nordamerika weggeworfenen Lebensmittel drei Mal ausreichen, um alle Hungernden auf der Welt zu ernähren.

Würdigung und Kritik

Anhand des Films kann eine erste Sensibilisierung für die Thematik erfolgen. Denn das Ausmaß der Lebensmittelverschwendung wird im Film eindrücklich verdeutlicht. Kaum bekannte Fakten wie die Informationen über die nur wenigen gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der Mindesthaltbarkeit, werden verständlich erklärt und die Interessen des Lebensmittelhandels verdeutlicht. Die vielen persönlichen Interviews aus den verschiedenen Bereichen zeichnen den Film aus. Auch vielen der Interviewten, die sich nicht explizit äußern, ist ihr innerer Zwiespalt anzumerken, dass sie ethische Vorbehalte dagegen haben, was sie z.B. in den Supermärkten zu tun gezwungen sind.

Hier kann auch die unmittelbare Beschäftigung mit dem Film ansetzen: der Film löst im positiven Sinne emotionale Reaktionen aus – sei es moralische Empörung oder auch nur Erstaunen über das Ausmaß der Verschwendung.

Über die unmittelbare Darstellung hinaus bietet der Film damit aber auch einen Einstieg in eine vertiefende Beschäftigung mit stärker entwicklungspolitisch ausgerichteten, bzw. ethisch orientierten Fragestellungen nach einem angemessenen Umgang mit den elementarsten Mitteln zum Leben: den Lebensmitteln.

So wird der Zusammenhang zwischen Hunger und Überfluss im Film durch das Interview mit Prof. Joachim von Braun (Zentrum für Entwicklungsforschung) hergestellt, indem er den Einfluss von hoher Nachfrage auf die Preise und deren Auswirkungen auf die Situation in Entwicklungsländern nennt, die Getreide importieren müssen. Erweitert werden könnte diese Thematik durch die Beschäftigung mit anderen Bereichen, wo eine „indirekte Verschwendung“ von Lebensmitteln die Ernährungssicherheit gefährden kann, etwa bei der Nutzung von Ackerland für Futtermittel oder Agrotreibstoffe. Des weiteren könnte bei der Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex „Hunger“ reflektiert werden, welche sonstigen  Faktoren Hunger mit verursachen (Vernachlässigung kleinbäuerlicher Landwirtschaft, fehlende Ernährungssouveränität, Export-Dumping, Missernten auch in Folge von Klimaveränderungen).

Gerade in der Arbeit mit Jugendlichen sollte – ausgehend von der zu erwartenden unmittelbaren Betroffenheit - ein globaler Zusammenhang explizit erarbeitet werden. Geeignet wäre hierzu die Beschäftigung mit dem Ökologischen Fußabdruck. Anhand eines Vergleiches der vorhandenen ökologischen Ressourcen mit dem Umweltverbrauch wird deutlich, dass jede Verschwendung von Wasser, Land, Energie oder Atmosphäre nicht verantwortbar ist. Diese Zusammenhänge mit dem Alltag und auch den Konsumgewohnheiten von Jugendlichen zu verbinden, bzw. zu hinterfragen, zeichnet den Film aus. Über die Motivation hinaus, sich genauer mit diesem Thema zu beschäftigen, bietet er auch Stoff, bei der Suche nach Alternativen zur schlechten Praxis. So benennt der Film mit dem Beispiel solidarischer Landwirtschaft in den USA eine von bewussten VerbraucherInnen geschaffene Alternative. Als Form des Protests wie auch als konkrete Möglichkeit, die Schäden des Verschwendungssystems zu mindern, wird im Film das „Containern“ gezeigt. Auch die bereits in vielen Städten etablierten „Tafeln“ werden als Teilverwerter aussortierter Lebensmittel vorgestellt. In der Beschäftigung mit dem Thema können aber auch noch weitere Lösungsmöglichkeiten diskutiert werden, die sowohl persönliche Optionen - gezielt einkaufen, regionale und saisonale Produkte wählen, Restekochen, Verschlankung des Fleisch- und Zuckerkonsums) - berücksichtigen, wie auch politische Gegebenheiten; so die Aufhebung von Lebensmittelnormierungen, staatlich festgelegte Verfallsdaten, Förderung ökologischer Landwirtschaft, Landvergabe nach internationalen Standards. Hinzu kommen Möglichkeiten, die sich Akteuren in der Ernährungswirtschaft bieten und die am ehesten in Berufsschulen oder mit speziellen Zielgruppen thematisieren lassen – so etwas die Optimierung der Logistik, Rabattverkauf statt Entsorgung, flexiblere Portionierung durch Verzicht auf Verpackung etc.

Hintergrundinformationen

Essen im Eimer: Nahrungsmittelverschwendung bei uns in Europa. (Vortrag von Felicitas Schneider „Lebensmittelabfälle: Ausmaß, Ursachen, Folgen, Vermeidung“ bei dem Fachgespräch  der GIZ „Nachhaltiger Konsum und Ernährungssicherheit“ am 5.10.2010)

Bis Ende 2011 will das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft verlässliche wissenschaftliche Informationen über die Gesamtmenge an Nahrungsmittel, die in Deutschland auf dem Müll landen vorlegen. Bisher liegen verlässliche Zahlen nur aus Österreich und England vor.

An allen Punkten der Wertschöpfungskette werden Lebensmittel entsorgt: bei der landwirtschaftlichen Produktion, der Direktvermarktung, in der Lebensmittelindustrie, im Groß- und Einzelhandel sowie in der Gastronomie und beim Endverbraucher. Problematisch sind dabei nicht Abfälle wie zum Beispiel Fleischknochen oder Obstschalen, sondern das Wegwerfen von Lebensmitteln, die zum Zeitpunkt ihrer Entsorgung noch uneingeschränkt genießbar sind oder die bei rechtzeitiger Verwendung genießbar gewesen wären, welche jedoch aus verschiedenen Gründen nicht marktgängig sind (nach Einschätzung von Produzenten, Industrie oder Handel), bzw. die aus unterschiedlichen Gründen nicht konsumiert und daher in den Haushalten „entsorgt“ werden.

Die Gründe für die Entsorgung von Lebensmitteln in der Produktion und in der Industrie sind vielfältig: Oftmals wird zu viel produziert. Zusammen mit einer Marktsituation, in der die Preise für bestimmte Agrarprodukte niedrig sind, werden diese gar nicht erst geerntet, Mengen werden zurückgehalten oder sie werden nicht ausgeliefert. Weitere Gründe sind eine fehlende Infrastruktur, Lagerüberschüsse, Fehletikettierungen, die Einhaltung bestimmter Vermarktungsnormen (Vorgaben in Bezug auf Größe und Aussehen, interne Qualitätskriterien),

die nicht erfüllt wurden; Beschädigung der Ware beim Transport, das Aussortieren von Saisonartikeln und der Wechsel des Sortiments.

Umfragen bei deutschen Haushalten ergaben, dass pro Person  jährlich Nahrungsmittel im Wert von 300 Euro weggeworfen werden. Viele der weggeworfenen Lebensmittel stammen aus Privathaushalten und sind oft noch originalverpackt.

Eine Forsa-Umfrage des Bundesverbraucherministeriums liefert erste Erkenntnisse über das Wegwerfverhalten deutscher Konsumenten:

Rund 84 Prozent der Deutschen werfen Lebensmittel weg, weil das Haltbarkeitsdatum abgelaufen oder die Ware verdorben ist.

19 Prozent nennen zu große Packungen als Hauptgrund.
16 Prozent der Bürger werfen Lebensmittel weg, weil sie ihnen nicht schmecken.
Rund ein Viertel gibt an, zu viel gekauft zu haben.
In der Umfrage geben 58 Prozent an, dass in ihrem Haushalt regelmäßig Lebensmittel weggeworfen werden.
69 Prozent der Bürger haben beim Wegwerfen von Lebensmitteln ein schlechtes Gewissen.

Nahrungsmittelverschwendung weltweit:
(FAO Swedish Institute for Food and Biotechnology:”Global Food Losses and Food Waste”, 2011)

1,3 Milliarden Tonnen, etwa ein Drittel aller Lebensmittel werden weltweit nicht gegessen. Sie gehen entweder nach der Ernte verloren oder werden weggeworfen. Das ist eine Verschwendung von natürlichen Ressourcen, von Land, Wasser und Energie, die für ihre Herstellung aufgewendet werden müssen, urteilt die Welternährungsorganisation FAO in ihrem Bericht „Global Food Losses & Food Waste“ im Mai 2011. Die Studie unterscheidet zwischen den Verlusten, die bei der Ernte, bei der Lagerung und der Verarbeitung vor allem in Entwicklungsländern auftreten und von Verschwendung durch Wegwerfen von Nahrungsmitteln, die vor allem in den Industrieländern vorherrschen. Die Menge ist in etwa gleich hoch:  (670 bzw. 630 Millionen Tonnen). Allerdings  zeigt die Studie auch, dass die reichen Länder in den Bereichen Handel, Verarbeitung, Gastronomie und Privathaushalte so viel wegwerfen ( 222 Millionen Tonnen), wie den Ländern Afrikas südlich der Sahara insgesamt an Nahrungsmitteln zur Verfügung stehen (230 Millionen Tonnen).

Pro Kopf werden nach ihrer Berechnung in Europa und den USA jährlich 95 bis 115 kg Lebensmittel pro Kopf verschwendet, in Afrika und Südostasien dagegen nur 6 bis 11 kg.

Das Ziel: Weniger- anders- besser

„Zukunftsfähig wirtschaften bedeutet: Wir müssen unseren Kindern und Enkelkindern ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge hinterlassen. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben.“ So formuliert der Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung die Zukunftsaufgabe unserer Gesellschaft. Das gilt auch für den Ernährungsbereich. Es ist notwendig, bei uns die Ess- und Konsumgewohnheiten zu ändern. Denn unsere enorme Verschwendung und unserer hoher Fleischkonsum tragen zur Landknappheit und damit auch zu Hunger in Entwicklungsländern bei.

Verschwendung und Welthunger

„Es ist genug für alle da“, ist das Motto der Aktion "Brot für die Welt".

Wie also hängt dann Hunger und Verschwendung zusammen? Dazu einige Fakten:

Weltweit werden genügend Nahrungsmittel produziert. Aber nicht alle Menschen haben Zugang zu ausreichend Nahrungsmitteln: Hunger leiden jene Menschen, die nicht genug Geld haben, um sich Lebensmittel zu kaufen. Dies ist umso mehr der Fall, wenn die Preise stark steigen.

Gegenwärtig leiden von den 6,5 Milliarden Menschen, die heute auf der Erde leben, fast eine Milliarde Hunger.

Bis 2050 wird die Weltbevölkerung auf 9,2 Milliarden Menschen anwachsen. Dieser Bevölkerungszuwachs wird ausschließlich in den Entwicklungsländern stattfinden. Um diese vielen Menschen satt zu bekommen, muss die weltweite Lebensmittelproduktion nahezu verdoppelt werden.

Europa ist Nettoimporteur von virtuellem Land- und Wasser. Die Produkte, die wir importieren, belegen in den Anbauländern Ackerböden und werden dort mit Wasser versorgt. Somit nimmt die EU fast 35 Mio. ha Land  in anderen Ländern in Anspruch. Das entspricht in etwa der gesamten Fläche Deutschlands.

Großflächige Investitionen im Agrarbereich sind ein altes Problem in ganz neuer Dimension. 80 Mio Hektar Land sollen seit 2009 vertraglich vergeben oder verhandelt worden sein. Anstatt Nahrungsmittel für die lokale Bevölkerung bauen große Konzerne   auf großen Plantagen aber Nahrungsmittel, Agrartreibstoffe oder Futtermittel für den Export an. Die Zivilgesellschaft bezeichnet dies oft als Land Grabbing.

Die Finanzmärkte bestimmen immer mehr die Preise von Agrarrohstoffen und damit auch von Nahrungsmitteln. Spekulationen mit Agrarrohstoffen sind für die starken Preissprünge der letzten Jahre mitverantwortlich. Sie führt aber auch zu der hohen Preisvolatilität in den letzten Jahren. Dies betrifft v.a. KonsumentInnen in den Städten, aber auch bäuerliche Familien, die ebenfalls einen Großteil ihrer Nahrungsmittel einkaufen. Die Weltbank schätzt, dass allein seit Juni 2010 44 Millionen in die Armut getrieben wurden.

Mit der Reduzierung der Verschwendung von Nahrungsmitteln in der ganzen Wertschöpfungskette könnten der Intensivierungsdruck auf die Flächen, der Ressourcenverbrauch und die Treibhausgasemissionen sinken.

Ein Ausrichten der Politik auf Ernährungssouveränität bedeutet, dass in Entwicklungsländern der Nahrungsmittelanbau der eigenen Bevölkerung Vorrang vor Exportförderung erhält und die Bauern vor unfairer Konkurrenz der Billigimporte auf ihren Märkten geschützt werden.

Didaktische Anregungen und Ideen für die Arbeit zum Thema

Der Film eignet sich für die unterschiedlichsten Zielgruppen: für die schulische Bildung in den Fächern Religion, Ethik; für den Fachunterricht in ernährungswissenschaftlich ausgerichteten Schulen (Ernährungslehre, Gesundheit) oder für die berufliche Bildung (Berufsfelder: Lebensmittel-Einzelhandel, bzw. speziell Bäcker, Metzger, Gärtnerei). In der außerschulischen Bildungsarbeit schon für Konfirmandengruppen, aber auch für Seminare, Aktionsgruppen etc.

Die Arbeit zum Thema Lebensmittelverschwendung lässt sich gut mit praktischen Aktionen, Exkursionen und Projekten verbinden. Denn Ernährung gehört zur alltäglichen Lebensrealität und Essen ist eine existentielle Erfahrung - dazu bietet auch der Film unmittelbar verschiedene Anregungen.

Wichtig ist dabei, immer zuerst die unmittelbaren Erfahrungen der jeweiligen Lerngruppe mit der Thematik aufzugreifen. Macht der Film sprachlos, wütend oder was sonst? Was fällt den ZuschauerInnen selbst zu dieser Thematik ein, was im Film nicht thematisiert wird? Wo hatten ZuschauerInnen schon mal ein schlechtes Gewissen beim Wegwerfen von Lebensmitteln? Wie reagieren ZuschauerInnen, wie reagierte die Öffentlichkeit auf Fälle wo Angestellte entlassen oder abgemahnt wurden, weil sie eine Maultasche oder ein Brötchen „mitgenommen“ und konsumiert haben, das andernfalls weggeworfen worden wäre?

Restekochen veranstalten: Alle bringen mit, was im eigenen Kühlschrank übrig ist und möglicherweise keine Verwendung mehr fände. Dann ist Kreativität gefragt. Aus den Resten kann ein kleines Buffet für die Gruppe entstehen. Alternativ kann die Gruppe auch in Kooperation mit einem Supermarkt dort weggeworfene Lebensmittel organisieren.

Regional-Saisonal-Veggie: Gemeinsam Essen zubereiten macht Spaß und ist eine vielseitige Lernerfahrung. Dafür können saisonale Produkte aus der Region verwendet und leckere vegetarische Rezepte ausprobiert werden. Ein solches gemeinsames Koch- und Esserlebnis ist eine gute Grundlage, um zu thematisieren, inwiefern die Verwendung regionaler, saisonaler und vegetarischer Lebensmittel helfen kann, die Verschwendung zu vermeiden.

Lebensmittelkooperative und Bauernhof: Insbesondere für Stadtbewohner kann der Besuch eines landwirtschaftliches Betriebes, etwa bei der Ernte, eine spannende Erfahrung sein und Gelegenheit bieten, mit Landwirten über das Thema zu sprechen. Beim Besuch einer Lebensmittelkooperative kann recherchiert werden, inwieweit es solchen Kooperativen gelingt, Verluste zu vermeiden.

In der Arbeitshilfe auf der DVD-ROM-Ebene finden sich weitere Anregungen und auch Arbeitsblätter für die Arbeit mit dem Film in der Schule.

Übersicht über die Arbeitsmaterialien auf der DVD-ROM-Ebene

  • M 1 Wo passiert Lebensmittelverschwendung?
  • M 2 Lebensmittel im Haushaltsmüll
  • M 3 Lebensmittel im Supermarktmüll
  • M 5 Wertschätzung von Lebensmitteln
  • M 6 Begrenzte Ressourcen
  • M 7 Ursachen für Hunger
  • M 8 Ist Fleisch Verschwendung?
  • M 9 Trog, Tank oder Teller?
  • M 10 Exportieren als Alternative zum Wegwerfen?
  • M 11 Bio-fair statt Müll 

Medien- und Materialhinweise / Links

Bücher und Broschüren

  • „Die Essensvernichter - Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist“; (das Buch zum Film) Stefan Kreutzberger, Valentin Thurn, Köln 2011, Verlag Kiepenheuer & Witsch, ISBN: 978-3-462-04349-5
  • “Die Einkaufsrevolution - Konsumenten entdecken ihre Macht, Tanja Busse; Karl Blessing Verlag, München 2006
  • „Für die Tonne- Wie wir unsere Lebensmittel verschwenden“, Tristram Stuart, Artemis & Winkler Verlag, 2011
  • „Hunger im Überfluss: Neue Strategien gegen Unterernährung und Armut - Zur Lage der Welt“, Worldwatch Institute (Hg.) 2011
  • „Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union 2013“ Entwicklungspolitische Beiträge zur Stärkung der internationalen Verantwortung europäischer Landwirtschaftspolitik, 2011; www.eed.de/de/de.col/de.sub.19/de.sub.pub/de.pub.de.459/index.html
  • Nahrung: Eine globale Zukunftsfrage. Die Broschüre informiert über den Zusammenhang von Ernährung und Konsum bei uns und Ernährungsunsicherheit in Entwicklungsländern.
    www.brot-fuer-die-welt.de/ernaehrung/4500_4672_DEU_HTML.php
  • „Wenn das Land knapp wird…“ Die Broschüre informiert an konkreten Beispielen, wie unser Hunger nach Energie und Fleisch zu Ernährungsunsicherheit im Süden beiträgt. 
    http://www.brot-fuer-die-welt.de/ernaehrung/4500_9333_DEU_HTML.php
  • „Mach mal Zukunft!“ Eine Aktionsmappe für die Jugendarbeit zur Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“ (mehrere Themenhefte, u.a. zu Ernährung)
    www.eed.de/fix/files/doc/EED_BfdW_Jugend_Zukunft_gesamt_09_web.pdf
  • Schmeckt´s? Alles übers Essen
    www.brot-fuer-die-welt.de/shop (Art.Nr.: 110 105 060)

Filme

  • Taste the Waste
    Valentin Thurn, Deutschland 2011, Dokumentarfilm, 90 Min.
    www.tastethewaste.com
  • Alptraum im Fischerboot. Afrikas Flüchtlinge und Europas Fischereipolitik
    Klaus Martens, Michael Grytz, Deutschland 2007, Dokumentarfilm, 60 Min., Teil der DVD "Unterwegs in die Zukunft - Filme zum Themenschwerpunkt 'Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt'"
    Katalog EZEF
  • Hunger
    Marcus Vetter, Karin Steinberger, Deutschland, 2010, Dokumentarfilm, 90 Min., Doppel-DVD (Film und Bildungsmaterial)
    Katalog EZEF
  • Kein Brot für Öl - Der Biosprit-Boom in Kolumbien
    Renate Werner, Deutschland 2009, 30 Min., Dokumentarfilm, 30 min., Teil der DVD "Unterwegs in die Zukunft - Filme zum Themenschwerpunkt 'Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt'"
    Katalog EZEF

Links

  • Hintergrundinformation zum Film “Essen im Eimer“ und auch „Taste the Waste“:
    www.tastethewaste.com
  • Kampagne des Bundesministerium für Ernährung Landwirtschaft und Verbraucherschutz „Jedes Mahl wertvoll“:
    www.bmelv.de/jedes-mahl-wertvoll
  • Informationen von aid infodienst; Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e.V
    www.was-wir-essen.de/einkauf/keine_lebensmittel_in_den_muell.php
  • Kampagne für Ernährungssicherheit "Niemand isst für sich allein" von Brot für die Welt
    www.brot-fuer-die-welt.de/ernaehrung

Lebensmittelkooperativen

  • www.coops.bombina.net/wiki/Hauptseite

Containern

  • www.trashwiki.org

AutorInnen: Carolin Callenius, Johannes Küstner, Karen Neumeyer
Redaktion: Bernd Wolpert