Arbeitshilfe

Flame

Film: 

Spielfilm von Ingrid Sinclair
Simbabwe, Namibia, Frankreich 1996, 90 Min. OmU


Inhalt
Manche Geschichten brauchen zwei bis drei Generationen, bis sie erzählt werden können und andere rühren an zu viele Tabus, um erzählt zu werden. Dieser Film von Ingrid Sinclair bricht eine Reihe von Tabus und wird dementsprechend kontrovers diskutiert.
15 Jahre liegt der Krieg zurück, mit dem sich Zimbabwe vom Apartheid-Regime Ian Smiths befreite, als sich Florence und Nyasha wiedertreffen. Die beiden Freundinnen haben sich seit dem Ende des Krieges nicht mehr gesehen. Nyasha arbeitet in Harare, Florence war nach dem Krieg in das Dorf zurückgekehrt, das die beiden 15-jährig verlassen hatten, um sich am Kampf für die Unabhängigkeit zu beteiligen. Florence hat gerade ihren Mann verlassen, der aus Verzweiflung über seine Arbeitslosigkeit nach dem Krieg zum Trinker geworden ist, und will sich in der Stadt Arbeit suchen. Als sie zur verabredeten Stunde ihre Freundin zuhause nicht antrifft, lässt sie an ihrer Tür ein Foto von zwei jungen Mädchen im Kampfanzug zurück und Nyasha erinnert sich…

Oberflächlich ist alles ruhig im Dorf, aber der Krieg ist wie ein Buschfeuer. Die Dorfbewohner unterstützen heimlich die Guerilla, die jungen Mädchen bringen ihnen regelmäßig Essen in den Busch. Comrade Danger fordert die jungen Leute auf, sich der Befreiungsbewegung  anzuschließen. Als kurz darauf Florence‘ Vater vom Besitzer des dörflichen Ladens denunziert und verhaftet wird, weil er seine Schulden nicht zurückzahlen kann, überredet sie ihre Freundin, sich in Mosambik der Befreiungsarmee anzuschließen.

Als die beiden sich schließlich bis zu einem in Mozambique gelegenen Militärcamp durchgeschlagen haben, werden sie zunächst hart verhört, weil das Einsickern von Spionen befürchtet wird. Dann beginnt eine harte und entbehrungsreiche Zeit der militärischen und politischen Ausbildung. Absolute Disziplin wird erwartet, und notfalls auch mit Gewalt durchgesetzt. Um die Familien zuhause nicht zu gefährden, erhalten die Mädchen wie alle anderen KämpferInnen Decknamen: So wird aus Florence Flame und Nyasha erhält den Namen Liberty.
Danger, den die Mädchen wieder getroffen haben, verabschiedet sich bald, weil er ein anderes Kommando übernimmt, und bittet Flame, auf ihn zu warten.
Als die Männer im Camp eines Abends betrunken sind, lassen sie die jungen Mädchen holen. Flame wird von Che, dem neuen für das Training zuständigen Offizier, brutal vergewaltigt. Etwas in ihr zerbricht, aber es gibt für die Mädchen keinen Weg zurück, noch weniger, als Flame erfährt, dass ihr Vater ermordet worden ist. Sie wird eine erfolgreiche, mutige und harte Kämpferin; Liberty nutzt die Chance, endlich Zugang zu Bildungsmöglichkeiten zu haben.
In der von Männern dominierten Befreiungsarmee müssen die Freundinnen vor allem lernen, sich als Frauen durchzusetzen. Bei einem Bombenangriff verliert Flame das Kind, das sie geboren hat. Auch Che, der Vater des Kindes wird getötet. Als dann Danger wieder auftaucht und Flame beschließt mit ihm zu gehen kommt es zu einer heftigen Auseinandersetzung mit Liberty, die nicht verstehen kann, dass ihre Freundin noch immer nicht genug von den Männern hat.
Dann ist der Krieg endlich zu Ende. Flame weint, als sie langsam ihre Waffen und die Kampfkleidung ablegt. Mit Danger und ihrem zweiten Kind, einer Tochter, kehrt sie ins Dorf zurück. Die Freundinnen verlieren sich aus den Augen, denn Liberty sucht sich eine Arbeit in der Stadt.
Erst 15 Jahre später treffen sich die beiden Freundinnen wieder - ausgerechnet am „Heldengedenktag“, der jedes Jahr in Zimbabwe begangen wird. Als die beiden Freundinnen auf dem Weg zu einem Treffen mit den ehemaligen Kämpferinnen und Kämpfern die geschmückten Straßen sehen, meint Flame: “Das ist alles unseretwegen!“ „Nein, Flame,“ meint Liberty, „wir sind doch nur Frauen...“

Kritik
Der Film von Ingrid Sinclair hat in Zimbabwe eine große Kontroverse ausgelöst. Ingrid Sinclair, 1948 in Großbritannien geboren, arbeitete nach dem Studium der Medizin und der englischen Literatur in England und im südlichen Afrika in der Filmproduktion. 1988 übersiedelte sie nach Zimbabwe, wo sie seither lebt und arbeitet. Ein Teil der Kontroverse um diesen Film hat sicherlich damit zu tun, dass ausgerechnet sie, eine weiße Simbabwerin, diesen Film drehte.
Ingrid Sinclair selber sagte in einem Interview: „Nahezu alle Ereignisse des Filmes basieren auf Vorfällen, die mir Ex-Kämpferinnen erzählt haben. Ursprünglich hatte ich einen Dokumentarfilm drehen wollen, aber damit stieß ich auf eine Grenze. Keine der interviewten Frauen war bereit, das vor der Kamera zu wiederholen, was sie mir erzählt hatten. Sie fürchteten, es könne gefährlich werden für ihren Job oder sonstwie. Mir zeigte dies, dass sie wussten, man würde sie der Lüge bezichtigen. Und genau dies geschah dann, als wir den Film realisierten.... Den Kampf um die Unabhängigkeit Zimbabwes habe ich als Metapher für den Kampf für die persönliche Unabhängigkeit der Frauen benutzt. Sie zu erreichen ist schwierig, und einmal erreicht, ist es sehr schwer, die damit verknüpften Hoffnungen einzulösen. Aber wenn du bereit bist, weiter zu kämpfen, kannst du diese Selbständigkeit behaupten. Ich denke, die Frauen, die gekämpft haben, haben vieles erreicht, worüber andere nicht verfügen: ein starkes Verlangen nach Freiheit und Unabhängigkeit im Denken.“
Der Film ist aber auch umstritten, weil er Fragen aufwirft, die - nicht nur in Simbabwe - nach Befreiungskämpfen nicht gestellt werden dürfen, weil sie zu den vorherrschenden Bildern im Widerspruch stehen:
Auf der einen Seite die Unterdrücker, die Kolonialmacht, die das Volk ausbeutet, die Bösen, auf der anderen Seite die Befreier des Volkes, die sich für Freiheit, Gerechtigkeit, für Menschlichkeit einsetzen, und die manchmal - wie im Falle von Zimbabwe - siegreich sind: die Befreiungsbewegung an der Macht. Die Guten haben gesiegt, die Guten gegen die Bösen, Schwarz gegen Weiß, Befreiung gegen Unterdrückung... Unterdrückte erheben sich gegen die Unterdrücker und die Welt ist wieder in Ordnung. Da das Gute über das Böse gesiegt hat, verbieten sich damit gleichzeitig alle Fragen nach den Hintergründen: Wer hat diesen Sieg errungen? Mit welchen Opfern? Wenn doch die Opfer der Unterdrückung so eindeutig bestimmt waren, wenn doch diese Opfer der Unterdrückung so eindeutig den Sieg über die Unterdrücker errangen, ist es geradezu unanständig weiter zu fragen: Wer sind die Opfer und wer sind die Täter?
Der Film wird erzählt aus der Sicht der Frauen und der Skandal besteht darin, dass die persönliche Geschichte dieser beiden Frauen dieses Muster von "gut und böse" plötzlich in Frage stellt. Selbst nach der Befreiung können sich diese Frauen nicht befreien. Nicht die Täter, die Männer, die vergewaltigten, sind die Schuldigen, sondern die Opfer werden zu Schuldigen gemacht: Die Frauen bekommen nicht dieselbe Anerkennung wie die Männer in diesem Kampf, oft haben sie keine Chance zu heiraten, die Mütter erkennen sie nicht mehr an, weil sie "Prostituierte" geworden sind. Viele Ex-Kämpferinnen sagen heute, wenn sie mit dem Wissen und der Erfahrung von heute noch einmal vor der Entscheidung stünden, sich der Befreiungsbewegung anzuschließen, würden sie es nicht wieder tun...

Didaktische Hinweise
Der Film vermittelt sicherlich Einsichten in den Kampf gegen das damalige rhodesische Apartheid-Regime von Ian Smith, die insbesondere im deutschen Kontext bisher viel zu wenig bekannt waren. Aber er ist kein Dokumentarfilm, sondern dokumentiert Geschichten, die erzählt wurden in einer Spielfilmhandlung. Es ist ein parteiischer Film, der Geschichte aus der Sicht der beteiligten Frauen darstellt. Der Befreiungskampf ist sozusagen nur der Rahmen, in dem sich die Geschichte der beiden Frauen - Flame und Liberty - und das Verhältnis zwischen Männern und Frauen in diesem Kampf abspielt. Sinnvoll erscheint von daher, bei der Arbeit mit dem Film einzugehen auf die politischen, wirtschaftlichen und soziokulturellen Bedingungen im damaligen Rhodesien, die zu dem Befreiungskampf führten.
Der Film bietet sich aber auch an, um die Frage der Geschlechterrollen zu diskutieren: Die Geschichte ist kein Einzelfall: Die algerischen Frauen, die eine bedeutende Rolle im antikolonialen Kampf spielten, beklagten nach Erringung der Unabhängigkeit ebenso wie die nicaraguanischen Frauen, dass ihr Beitrag nicht richtig gewürdigt und die traditionellen Rollenverhältnisse sehr schnell wieder etabliert wurden, als es um die Verteilung von Macht und Einfluss in der Neugestaltung ihrer Gesellschaften ging.
Frauen als „Kriegsbeute“, Vergewaltigung von Mädchen und Frauen in Konflikten und Kriegen sind ein Thema, das sich durch die Geschichte zieht. Gleichzeitig ist es ein Thema, das sehr stark tabuisiert wird. Wenn über die zivilen Opfer gesprochen wird, spricht man sehr viel häufiger über die Verletzungen durch Landminen und den Missbrauch von Kindersoldaten als über den Missbrauch von Frauen und Mädchen. Immer wieder werden die Opfer beschuldigt, selber schuld zu sein an ihrer Vergewaltigung, oder sie, die Opfer, werden indirekt bestraft, indem sie von ihren Gesellschaften ausgestoßen werden. Wir brauchen im aktuellen Kontext nur an die Massenvergewaltigungen im früheren Jugoslawien zu denken und an die Folgen, unter denen  diese Frauen noch heute leiden.
Sinnvoll erscheint es, bei der Bearbeitung des Films „Frauenrechte als Menschenrechte“ zu thematisieren. Erst in den letzten Jahren hat sich dieses Thema weltweit durchgesetzt, insbesondere durch die letzten UN-Konferenzen - die Menschenrechtskonferenz von Wien, die Frauenkonferenz in Peking und den Weltsozialgipfel von Kopenhagen. Der Weltsozialgipfel stellte fest, dass es keine menschliche Entwicklung ohne Gleichheit der Geschlechter geben kann. Über menschliche Entwicklung zu sprechen heißt aber auch, über Gewalt gegen Frauen zu sprechen, über deren Unterdrückung und Ausbeutung durch Männer und/oder patriarchale Strukturen in einer Kultur oder einer Gesellschaft.

Materialien

  • Vera, Yvonne; Schatten im Exil, Erzählungen, Lamuv TB 210, Göttingen 1997
  • Vera, Yvonne; Eine Frau ohne Namen, Roman, Marino Verlag, 1997
  • Hove, Chenjerai; Knochen (Bones), Marino-Verlag, 1991
  • Hove, Chenjerai; Schattenlicht (Shadows), Marino-Verlag, 1996

(Diese vier Titel von simbabwischen AutorInnen beschäftigen sich auf die eine oder andere Weise alle mit dem Befreiungskampf in Zimbabwe und den Veränderungen im Lande.)

Autorin: Inge Remmert-Fontes
Oktober 1997