Arbeitshilfe

Die Würde der Namenlosen

La dignidad de los nadies

Dokumentarfilm von Fernando E. Solanas
Argentinien 2005, 112 Min. OmU
 

„Die Krise ist die einzige Möglichkeit, aus der neue Ideen hervorgehen können, politische, soziale, kulturelle. Es gilt zurückzuerobern, was man zurückerobern kann. Es gilt, selbstkritisch zu sein. Aber man muss die Kraft haben, um mit der Suche nach Alternativen zu beginnen. Vielleicht steckt darin auch ein Kern meiner Filmarbeit.“ Fernando Solanas

Kurzinhalt

Im Jahr 2001 steht Argentinien vor dem Staatbankrott. Ein Viertel der Bevölkerung ist arbeitslos, über die Hälfte leidet Hunger, eine soziale Katastrophe, die am 19. und 20. Dezember in einem Aufstand der Armen gegen die Regierung unter Präsident de la Rùa gipfelt. Auch der neuen Regierung unter Präsident Duhalde, die nach einer Woche schwerer politischer Unruhen eingesetzt wird, gelingt es nicht, die sozialen Probleme zu lösen. Die Armen bleiben arm. Sie machen ihrer Wut und ihrer Enttäuschung in anhaltenden Demonstrationen und Versammlungen Luft. Aber aus der tiefen Krise erstarkt auch der Überlebenswille und erwächst der konstruktive Widerstand der ausgebeuteten Schicht der Unterdrückten. Sie errichten Volksküchen, bauen kleine Krankenstationen, eröffnen geschlossene Fabriken; sie organisieren Protestmärsche gegen die herrschende Klasse, sie wehren sich mit Erfolg für ihre Landrechte. In zahllosen gemeinsamen und individuellen Initiativen beweisen sie, dass eine andere Realität möglich ist. Im Film „Die Würde der Namenlosen“ dokumentiert Solanas anhand von verschiedenen Ereignissen, Geschichten und Schicksalen eindrücklich den Widerstand der „nadies" gegen Hunger und Unterdrückung, ihre täglich neu zu erringenden kleinen Siege über das Elend und die Erniedrigung, ihre Freude und ihre Wut und ihre Traurigkeit.

Zur Technik des Filmes

Damals, am 20. Dezember 2001, ging auch Fernando Solanas auf die Straße um zu demonstrieren, und das Erlebnis des Aufstandes, so sagte er später in einem Interview, „war der Anlass, dass ich zu filmen begann.“

Fast der ganze Film ist mit einer Handkamera gefilmt. Das war ursprünglich nicht so geplant. Solanas: „Ich begann mit einer großen Beta Digital Kamera zu filmen, um ein gutes Bild zu haben, aber die Leute glaubten, wir seien vom Fernsehen, sie änderten ihre Haltung und verloren ihre Spontaneität. Als ich die Aufnahmen mit jenen verglich, die ich während meiner Recherchen mit einer kleinen digitalen Kamera gemacht hatte, sah ich ein, dass die letzteren viel besser waren. Ich entschloss mich, nur noch mit kleinen Kameras zu filmen, die möglicherweise bessere Bildqualität durch die tiefere Wahrheit zu ersetzen. In diesem Film wurde fast alles mit einer Handkamera gefilmt, welche die Akteure stets begleitet.“
Fernando Solanas spricht den Kommentar aus dem off selbst und gelegentlich hört man ihn auch im Gespräch mit den Protagonisten. Dazu der Kritiker der argentinischen Tageszeitung „Clarìn“, Diego Lerer: „Solanas erreicht damit etwas, was nur wenigen gelingt. Vielleicht, weil er, der selbst eine öffentliche Person ist, als Sprecher der Menschen in seinem Film auftritt, kommt ein profundes Gefühl der Intimität, der Wahrheit zustande. Im Film „La dignidad de los nadies“ werden Mühe und Anstrengung anerkannt, was den kritischen Blick nicht ausschließt: die Menschen kämpfen, es geschieht etwas, dem Land geht es besser, aber der Weg ist noch immer lang.“

Ein Film einer Viererreihe

„Die Würde der Namenlosen“ ist der zweite Film des argentinischen Filmemachers in einer Reihe von vier Filmen über die Hintergründe und Folgen der Krise in Argentinien. Im ersten Film, „Chronik einer Plünderung“ (2004), zeigt Solanas, wie im Zeichen des Neoliberalismus eine macht- und geldgierige Politikerkaste im Einklang mit der gesellschaftlichen Elite und ihren Verbündeten, den internationalen Finanzjongleuren, durch Korruption und Vetternwirtschaft Argentinien in den Ruin trieben. Der dritte Teil, „Argentina latente“ wurde 2007 fertig gestellt. Den Abschluss soll „Los hombres que estàn solos y esperan“ bilden.

Argentinien, Hintergrund

Die Wirtschaft Argentiniens litt schon seit Jahren unter unstabilen Verhältnissen, unter dem neofeudalen Stil der Eliten und unter der grassierenden Korruption. Die unter der Militärdiktatur 1976 eingeführte Politik der Staatsverschuldung führte  zu einer Inflation, die sich nach der Rückkehr zur Demokratie 1983 zu einer Hyperinflation steigerte. 1989 wurde der Peronist Carlos Menem zum Präsidenten gewählt, ein Vertreter der neoliberalen Wirtschaftsdoktrin. Er setzte die 1:1 Bindung des Pesos an den US-Dollar fest, was zunächst zu einem wirtschaftlichen Aufschwung, gleichzeitig aber zu einer Verteuerung argentinischer Produkte im Ausland und dann zu einer Kapitalflucht und zu neuer Verschuldung des Staates führte. Viele kleinere und mittlere Betriebe mussten schließen. Die Privatisierung der Staatsbetriebe erwies sich als Fehlschlag. Als in den Jahren 1998/1999  im Nachbarland Brasilien, dem wichtigsten Handelspartner Argentiniens, die dortige Währung abgewertet wurde, schwächte dies die argentinische Wirtschaft so stark, dass es zu einer Rezession kam. Der Mittelstand verlor, die Zahl der Arbeitslosen nahm zu, die Armen und Ärmsten waren weitgehend sich selbst überlassen.
Carlos Menem wurde 1999 durch Fernando de la Rùa abgelöst, der nur ein Jahr im Amt blieb. Um die Krise zu meistern, fror er die Bankkonten weitgehend ein, was unter dem Stichwort „Corralito“ bekannt wurde, worauf es am 19. und 20. Dezember 2001 zu einem Aufstand der Armen, zu einem Generalstreik, zu Demonstrationen und gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei kam. Offiziell kamen 28 Menschen dabei ums Leben. De la Rùa, dessen Politik Solanas in einem Interview eine „rassistische Wirtschaftsdiktatur“ nannte, musste zurücktreten.
Argentinien stand am Rand des Staatsbankrotts. Während der Druck der Straße in der darauf folgenden Woche zunahm und die politische Elite des Landes hilflos agierte, trat am 1.Januar 2002 Eduardo Alberto Duhalde, ein früherer Vertrauter von Carlos Menem, unter denkbar ungünstigen Voraussetzungen das Amt des Präsidenten an.
Das Bruttoinlandprodukt war um 21 Prozent gesunken, die Inflationsrate war auf 41 Prozent, die Arbeitslosenrate auf 23 Prozent und die Armutsrate  auf 57 Prozent gestiegen. Die „neuen Armen“ rekrutierten sich nun aus der Mittelschicht, immer mehr Menschen verloren ihre Existenzgrundlage ganz. Wie die, die vorher schon nichts hatten, noch weiter ins Elend gestoßen wurden, ist mit Zahlen nicht zu belegen.
Duhalde lockerte die Anbindung des Peso an den Dollar und hob sie schließlich ganz auf, der „Corralito“ wurde abgeschafft, der Internationale Währungsfonds IWF half mit neuem Geld, die Wirtschaft begann sich zaghaft zu erholen. Die sozialen Probleme blieben ungelöst. Im Mai 2003 wurde Néstor Kirchner in einer Volkswahl zum neuen Präsidenten Argentiniens gewählt. Am 28. Oktober 2007 löste ihn seine Ehefrau, Cristina Fernàndez de Kirchner im Präsidentenamt ab.
Dem Volk ging es unter der Präsidentschaft der beiden Kirchners nicht besser, im Gegenteil: heute leben 16 Millionen Argentinier unter der Armutsgrenze, das ist fast die Hälfte der Bevölkerung. Und während die Krisen des neuen Jahrtausends unzählige Argentinier in noch tiefere Armut stürzten, vermehrte sich der Wohlstand des Ehepaars Kirchner auf scheinbar unaufhaltsame Weise. Im Jahr 2003, als Néstor Kirchner das Amt als Präsident antrat, belief sich ihr Vermögen laut der offiziellen Steuererklärung umgerechnet auf rund 1,2 Millionen Euro. 2007 war es auf 3,4 Millionen gestiegen und ein Jahr später betrug es 8,7 Millionen Euro; das Geld stammt aus Immobiliengeschäften. Gegen die Kirchners laufen Klagen wegen illegaler Bereicherung und Geldwäsche.

Landflucht und Überleben in Gran Buenos Aires

Die Hauptstadt Buenos Aires, der „Distrito Federal“, zählt drei Millionen Einwohner, „Gran Buenos Aires“, der Ballungsraum rund um die Hauptstadt, bringt es auf rund dreizehn Millionen.  Politisch ist Gran Buenos Aires in 24 „Partidos“, Bezirke oder Landkreise, eingeteilt. Der Partido „La Matanza“, wo Solanas die meisten Szenen seines Filmes gedreht hat, umfasst nur 327 qkm,  ist aber mit 1,3 Millionen Einwohnern der Partido mit der weitaus größten Einwohnerzahl von Gran Buenos Aires. „La Matanza“ grenzt direkt an den „Distrito Federal“, er setzt sich aus ursprünglich  15 ehemaligen Ortschaften zusammen, die sich in Richtung Ost-West entlang einer Ausfallstraße aus Buenos Aires dahinziehen.
Es gibt zwei Deutungen des Namens „La Matanza“ (matar = töten); die eine, historische, führt den Namen zurück auf eine Schlacht zwischen den spanischen Eroberern und den Einheimischen im Jahr 1536, bei der viel Blut geflossen war; die andere glaubt, der Name verweise auf die vielen Schlachthöfe, die es früher in La Matanza gegeben hat.
Die politischen und wirtschaftlichen Krisen haben auch die Bevölkerung auf dem Land hart getroffen, viele verzweifelte Landbewohner wählten die Flucht in Richtung Gran Buenos Aires, wo aus besetztem Land Slumsiedlungen ohne jegliche Infrastruktur wuchsen und immer noch wachsen. Die Menschen leben vom und im informellen Sektor: Handel mit dem Nötigsten, Handwerkerbuden, Suppenküchen, Kleinstbetriebe; zu ihnen gehören die „cartoneros“, Menschen, die  Karton, Papier und wieder verwendbares Material einsammeln, auf einen Eselskarren laden und gegen wenig Geld abliefern. Junge Männer verdienen, wenn sie Glück haben, ein kleines Auskommen als „Changueros“, als Taglöhner. Meistens haben sie kein Glück. Kinder suchen auf Abfallbergen nach etwas Brauchbarem.
Als es wegen des „Corralito“ in den Elendsvierteln rund um Buenos Aires zu einer Bargeldkrise kam, entstanden dort sogenannte „Trueques“, Tauschringe, bei denen Dienstleistungen gegen Lebensmittel getauscht wurden.
Die meisten Bewohner von La Matanza sind arbeitslos, viele seit Jahren, und sie haben keine Aussicht auf Arbeit und genügend Einkommen. Immer wieder finden sie sich mit ihren Familien und mit Hab und Gut zu Demonstrationszügen mit Blockaden zusammen, die Tage, ja Monate dauern können und die zum Alltag der Menschen werden. Diese Massendemonstrationen und Blockaden heißen „piquetes“, die Teilnehmer „Piqueteros“.
In ihrer Not teilen die Menschen, was sie haben, gemeinsam lässt sich das Elend eher ertragen und wenigstens geschieht etwas. Die Solidarität unter den Protestierenden ersetzt die Leistungen eines funktionierenden Staates. Aber dieser soll nicht vergessen, dass es sie gibt, die Arbeitslosen und Not Leidenden.
Natürlich gibt es auch ein anderes Buenos Aires, die Innenstadt mit ihren hohen Häusern, ihren Straßenschluchten und einem irrwitzigen Verkehr, mit ihren Leuchtreklamen, Restaurants, Bars; eine Innenstadt, die kein eigentlich Zentrum hat. Da zieht sich mit der Avenida 9 de Julio die breiteste Strasse der Welt hin und lässt Hochhäuser klein erscheinen. Und es gibt auch die ruhigen Viertel mit Parks, Villen, Einfamilienhäusern, wo die Reichen und die Schönen wohnen. Die Stadt Buenos Aires zählt 48 Barrios, Quartiere. Im Barrio Palermo konzentriert sich das kulturelle Leben der argentinischen Hauptstadt mit Theatern, Cafés, Buchhandlungen, Verlagen. Alljährlich findet in Buenos Aires die „Feria del Libro Internacional“, die größte und wichtigste Buchmesse der spanischsprachigen Welt statt.

Ausführliche Inhaltsangabe:

„Man muss also sein Kino permanent erfinden, und Kino erfinden heißt: seine eigenen Bilder erfinden. ..... Mein Kino ist dem Barocken nahe, der lateinamerikanischen Kultur, der Melancholie, der Reflexion, den Gefühlen, dem Humor, der Satire. Im Kino gilt es nicht zuletzt auch, das Kino zu verteidigen.“ Fernando Solanas

Titelsequenz (Vorspann)

„Die Würde der Namenlosen“ („La dignidad de los nadies“)

Kinder spielen in einer schmutzigen Strasse, viel Volk treibt sich herum, ernste, aber auch lachende Gesichter, eine Demonstration; Die Kamera streicht an verlotterten, leeren Fabrikhallen entlang, an kleinen, ärmlichen Häusern, an Slogans an bröckelnden Mauern, an Slums vor der Kulisse der Hochhäuser. Der Himmel ist dramatisch bewölkt, elegische Akkordeonklänge unterstreichen ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Der kurze Vorspann des Filmes zeigt, wo wir sind: in einem Slum von Gran Buenos Aires, wo die „Nadies“ wohnen, die Namenlosen der argentinischen Geschichte und Gegenwart. Und die warme Stimme Solanas teilt uns mit, dass er Geschichten dieser Namenlosen erzählen will, die weder Geld noch Namen haben, dafür aber Durchhaltewillen und eine ihnen eigene Würde.

Prolog

„Que se vayan todos“ - „Sie sollen alle gehen“

Es folgt eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse zwischen dem 19. Dezember 2001, dem Beginn des Aufstandes des Volkes gegen die Regierung de la Rùa, bis zur Amtseinsetzung von Eduardo Alberto Duhalde als neuen Präsidenten am 2. Januar 2002. (Ganz kurz ist Solanas mit seiner Handkamera mitten unter der aufgebrachten Menge zu erkennen.) In rascher Bildfolge zeigt der Film die ohnmächtige Wut des Volkes und seine Forderungen. Es kommt zu Auseinandersetzungen mit Polizei und Militär, zu Gewalt mit Verletzten und Toten. Duhalde muss die Schuldenfrage lösen, die Wirtschaft wieder auf die Beine bringen, den Volkszorn besänftigen. Seine Politik ist widersprüchlich. Unter seiner Regierung geht es den Armen nicht besser. Das Volk bleibt auf der Straße, die Proteste nehmen zu. „Sie sollen alle zurücktreten“, fordern die Menschen, sie fordern Arbeit, die Rückzahlung ihres Ersparten, die Absetzung des obersten Gerichtshofes und sie fordern ein Mitspracherecht bei der Schaffung eines neuen, demokratischen Staates. In die Politiker haben sie kein Vertrauen mehr. „Sie wissen, was sie wollen, aber sie wissen nicht, wie sie es erreichen können“, kommentiert die sanfte Stimme Solanas aus dem off.

Das erste Kapitel

„Martìn Motoquero“ – „Martìn, Schriftsteller und Motorradfahrer“

Die Kamera begleitet einen jungen Mann auf einem Motorrad, der durch die Straßen von La Matanza flitzt. Martìn ist ein Kurier, ein „Misionero“, der Dinge austrägt und Aufträge ausführt. Es ist ein gefährlicher Job, besonders nachts. Damit finanziert er seine Leselust und die Herausgabe einer Zeitschrift unter dem Namen „El parto del blanco“, „Die Geburt des Weißen“. Daneben besucht er ein Lehrerseminar. Wir hören Martìns Stimme während der Motorradfahrt, dann sehen wir ihn in seinem Zimmer vor seinem Computer, wo er Solanas Rede und Antwort steht. Warum „El parto del blanco“? fragt Solanas. „Ein Wortspiel, antwortet Martìn, das reine Weiß gebären und es füllen mit Wörtern, Gefühlen, Ideen, anfangen etwas zu tun. „Damals war ich literarisch ziemlich engagiert, schrieb auch, fuhr zehn Stunden am Tag wie ein Verrückter durch die Gegend“, sagt Martìn. Mit Politik hatte er nichts am Hut, aber es hätte schon so ein allgemeines Gefühl gegeben, ein Gefühl, das zehn Jahre lang wie eingeschlafen war.
Das „Gefühl“ explodiert, als er auf einer Fahrt auf seinem Motorrad am 20. Dezember 2001 von den Unruhen in der Stadt hört und später die Bilder sieht. „Ich fuhr sofort mit Freunden hin“, erzählt er, „in meinem Blut kochte es schon lange. Ich fuhr hin, sah junge Leute, Großmütter, Angestellte, Leute wie mich, alle kämpften gegen den Präsidenten, gegen das System“.
Die Erzählung Martìns, der weiterhin vor dem Computer sitzt, wird laufend unterbrochen von den mit der Handkamera gefilmten Szenen des Aufstandes, der Aggression gegen Martìn, der Hilfe durch einen unbekannten Mann:
Martìn wird in den Kopf geschossen, er fällt blutend zu Boden. Ein fremder Mann schützt und rettet ihn. „El Toba,“ der eigentlich Hector Garcià heißt, ist ein Aktivist aus den siebziger Jahren, ein Verfolgter, damals schon. Später erzählt Toba an derselben Stelle, an der er Martìn gefunden hat, von der Rettung des ihm unbekannten Kameraden: wie er selbst von Gummigeschossen getroffen wurde, wie er ein Taxi organisierte, wie er im Taxi den Verletzten, der einen Herzinfarkt erlitten hatte, wiederbelebte. Martìn kommt ins Spital, er überlebt, „es ist ein Wunder,“ sagt er. Die beiden werden Freunde, „El Toba ist wie ein Bruder für mich“.
Die letzte Szene der ersten Geschichte zeigt die beiden beim Essen mit Tobas Familie. Die Wut auf die Regierungen, die das Volk ausplündern, hat Toba nie verlassen. Für ihn war es kein Zufall, dass gerade er Martìn gerettet hat. „Als ich Martìn am Boden sah, da sagte ich, der Feind soll uns nicht kriegen, den da sollen sie nicht kriegen.“

Das zweite Kapitel

„El Toba“ – „Der Lehrer“

Wir befinden uns rund 30 Kilometer vom Stadtrand entfernt, im Landkreis Ezeiza von Gran Buenos Aires, in einer Siedlung auf besetztem Land. Da lebt Toba mit seiner Familie, da führt er zusammen mit vielen Helferinnen am Wochenende eine Volksküche. Toba ist Lehrer, er arbeitet in einer Schule in Liniers, einem Stadtteil am westlichen Rand von Buenos Aires. Im Morgengrauen verlässt er sein Haus und seine Familie in Ezeiza, über zwei Stunden dauert sein Arbeitsweg, er muss den Zug und vier Kleinbusse nehmen. Auf dem Weg zum Bahnhof, der aufgehenden Sonne entgegen, über Wiesen und an kleinen, oft unfertigen Häusern vorbei erzählt er, dass er der Sohn eines spanischen Anarchisten aus Galizien und einer Toba-Indianerin sei, deshalb sein Übername, El Toba. Mit vierzehn Jahren habe er seine Eltern nach einem Streit mit dem Alten verlassen, mit verschiedenen, miesen Jobs überlebt. Aber ein Spruch seines Vaters habe ihn fürs Leben geprägt: „Es gibt keine Arbeit, die einem Menschen seine Würde nehmen kann.“
Die Kamera erfasst die Straßen von Liniers, die hohen, alten Räume der Schule. Es ist eine Schule für Erwachsene, Toba ist für Koordination und Berufsbildung tätig. Dort verdient er knapp 800 Pesos im Monat. „Und am Wochenende haben wir 170 Kinder zu verköstigen,“ lacht er.
Wieder in Ezeiza, auf Tobas Hof, wo viele Kinder fröhlich spielen. Die Kamera begleitet Toba ins Innere des Hauses. Das Wohnzimmer ist in eine Vorratskammer verwandelt worden, die Küche muss den Anforderungen einer Großküche genügen. Eine Frau erklärt, wie sie den Tag planen, was im Garten geerntet und wie gekocht wird. „Wie ist es zur Volksküche gekommen?“ fragt Solanas. Sie hätten realisiert, dass die Kinder der Nachbarschaft an den Wochenenden nichts zu essen hatten, unter der Woche gebe man ihnen in der Schule zu essen. Das hätte den Anstoß gegeben, sagt Toba. Eine junge Frau kommt auf den Lehrer zu, bringt ihm einen Schoppen und sie scherzen ein wenig zusammen. Ihr Mann, erzählt Toba später, sei im Gefängnis; er habe einen Mann umgebracht, der seine Tochter vergewaltigen wollte. Sie hätten neun Kinder, die kleineren seien nun hier.
„Was wir nicht wollen, wissen wir,“ sagt Toba, „was wir wollen, das bauen wir langsam auf.“ Er habe selbst Kinder, zwei erwachsene Töchter und einen kleinen Sohn. „Es ist hart, sagt er, „wir haben hier kein Telefon, keinen Arzt, keine Polizei, das Schulsystem ist miserabel. Die Jungen haben es schwer, der Weg der 14-, 15jährigen führt meist direkt in die Drogen. Die Kinder tun mir leid, die Ohnmacht, die Ungerechtigkeit empören mich. Aber wir lassen uns nicht unterkriegen, wir befinden uns mitten in einem Prozess des Widerstandes.“

Das dritte Kapitel

„Piquete y cacerola“ – „Protestmarsch, Straßenblockaden und Pfannendeckel“

29. Januar 2002. Die Kamera begleitet Tausende von verarmten Bewohnern aus La Matanza, Arbeiter und Arbeitslose, die sich auf einem Grossen Marsch ins Zentrum der Stadt befinden. Dreißig bis vierzig Kilometer sind es von La Matanza bis zur „Plaza de Mayo“, dem zentralen Platz, an dem auch die Casa Rosada, das Regierungsgebäude liegt, und wo alle Massenkundgebungen enden. Mit  Straßenblockaden und Blockaden vor Industriegebäuden machen die „piqueteros“ auf ihre Lage aufmerksam. Männer trommeln, Frauen schlagen mit Pfannendeckeln auf Kochtöpfe und alle skandieren Parolen.
In der Stadt schließen sich den piqueteros  kleine Ladenbesitzer an, deren Geschäfte vom Ruin bedroht sind, ferner „asamblistas, Teilnehmer der unzähligen Versammlungen mit ihren Forderungen, Händler, Kaufleute, Hausfrauen. Ein Ladenbesitzer zeigt ein T-Shirt mit dem neuen Slogan „Basta a la patria financiera“ – „Schluss mit dem Finanzstaat“. „Wir sitzen alle im gleichen Boot“, meint einer. Zuschauerinnen sympathisieren mit den Demonstrierenden, die Krise hat längst den Mittelstand erreicht. Eine einzige Frau empört sich über die „sinvergüenzas“, diese unverschämten Kerle. Eine andere, die gewiss nicht zu den Ärmsten gehört, meint: „Ich bin gekommen, um nach all der Korruption wieder einmal etwas Würdevolles zu sehen. Wenn sich nach dem, was da geschieht, in Argentinien nichts ändert, dann sind wir alle nicht richtig im Kopf.“
Denn geändert hat sich nach dem Amtsantritt Duhaldes für die Benachteiligten nichts, im Gegenteil. Die off-Stimme Solanas klärt uns auf: Der neue Präsident hat zwar versucht, den Binnenmarkt, die Industrie und den Mercosur, den lateinamerikanischen gemeinsamen Markt, zu fördern und er hat Programme gegen die Unterernährung verabschiedet, gleichzeitig aber Gesetze erlassen, die die Lage der Armen erneut verschlechtern: Er subventionierte Privatunternehmen, fror die Löhne ein und stimmte einer Abwertung des Peso zu. Vor allem die Abwertung machte alle übrigen Anstrengungen zur Erleichterung der Situation der Armen zunichte. Die Preise für im Land produzierte Lebensmittel und für Erdöl stiegen um 100 Prozent. Schließlich übernahm der Staat auch die Schulden von Banken und Konzernen in der Höhe von 17 Mia. Dollars, eine Staatschuld, die das Volk bezahlen muss.
Dieses Kapitel endet mit Bildern von erschöpften und zusammen mit Hunden auf dem Boden schlafenden Demonstranten vor einem geschlossenen „Eingang“ („Entrada“) zu einem Gebäude der Innenstadt. Der Eingang zu den Gebäuden, wo Entscheidungen gefällt und Geld verdient wird, bleibt den Armen verschlossen.

Das vierte Kapitel

„El comedor pobre“ - „Der Speisesaal der Armen“

Einige Monate nach dem Großen Marsch sucht Solanas La Matanza auf, wo die Piqueteros damals herkamen. Eine ungepflasterte Straße voller Wasserlachen, auf der Hunde streunen, aber auch fröhliche Kinder, die mit Schultaschen unterwegs sind, Männer, die gebückt ihres Weges gehen, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben. In der Ferne niedrige Schuppen. Der Himmel ist bedeckt, überall Pfützen, vor kurzem hat es wohl geregnet. Das Akkordeon verstärkt den Eindruck von Trostlosigkeit. Solanas unterhält sich mit einer Gruppe von Männern, arbeitslosen Piqueteros. Sie lachen, den Humor haben sie nicht verloren. Ein Mann namens Gabriel zeigt Solanas sein Haus, daneben ein Autowrack. Es ist unübersehbar, hier wohnen die Ärmsten der Armen.
Antonia, eine Bewohnerin des Viertels, bestätigt es: „Hier hat noch nie jemand etwas für uns getan,“ sagt sie im Hof ihres mit Maschendraht eingefriedeten Holzhauses. „Die Häuser, eher Baracken, sind mit Blech gedeckt, die Siedlung wird regelmäßig überschwemmt, es gibt keine asphaltierte Straße, manchmal stürzen ganze Häuser ein.“
Die Menschen hätten Hunger, erzählt Antonia, also entstand der Plan einer Volksküche. Mit ein paar Blechwänden und einigen Lebensmitteln hätten sie angefangen. Die Küche besteht aus Blechfässern, die als Feuerstellen und zum Abwaschen dienen, gekocht wird mit Holz. Alles wird improvisiert. Chipi, der Koch, ein Mann mit einem gutmütigen Gesicht, erklärt, was sie kochen: Reis, Teigwaren, Polenta mit Sauce. Die Volksküche verköstigt über zweihundert Menschen, wenn’s nicht reicht, wird mit Wasser gestreckt. „Es ist eben eine arme Volksküche. Aber es reicht immer,“ versichert Chipi. „Wir machen, was wir können.“
Antonia hat fünf Kinder und, obwohl sie noch jung scheint, ist sie bereits Großmutter. Hier gebe es nichts als Armut, meint sie,  fast nur Arbeitslose und kaum ein Jugendlicher hätte eine Ausbildung. Und ein Mann namens Carlos erzählt, wenn einer stürbe, müssten sie zuerst ein Fußball- oder ein Billiardturnier veranstalten und Geld sammeln, damit sie die Beerdigung bezahlen könnten. Sonst bleibe der Tote in seinem Bett einfach liegen. Carlos steht auf einer nassen Wiese, unter einem wolkenverhangenen, tiefen Himmel, hinter ihm eine offene Grube, seine letzten Worte verlieren sich. 

Das fünfte Kapitel

„Vivir con nada“ – „Mit nichts überleben“

Margarita und ihr Mann Colinche sind Beispiele für die vielen in den Slumsiedlungen von Gran Buenos Aires, die von dem leben, was andere wegwerfen. Margarita sammelt mit Pferd und Wagen Abfallsäcke ein, 20 bis 25 in der Woche, viel ist es nicht. „Hier ist die Not so groß, dass kaum etwas weggeworfen wird,“ sagt sie. Aber beklagen will sie sich nicht. „Ich habe Kinder und Liebe, anderen geht es schlechter.“ Sie hält vor einem Haus an, der prall gefüllte Abfallsack liegt in einer Art Handballgitter, sicher vor den Hunden. Margarita steigt vom Wagen und macht sich am Gitter des Hauses kurz bemerkbar. Viele Kunden bezahlen sie im Monat, acht Pesos dafür, dass sie den Abfall holt. Manchmal wird sie auch extra gerufen. Vom Gemüsehändler bekommt sie etwas Gemüse für die Familie und das Pferd.
Colinche sammelt vor allem Kartons ein, die gewogen und wieder verwertet werden. Die Kamera zeigt den Wagen von hinten, unterwegs auf einer endlos scheinenden Strasse, in einer vernachlässigten Gegend von La Matanza. Dann eine Totale auf zwei Kinderfüße in weißen Stoffschuhen, die Kamera geht zwei kleine, braune Beine hinauf, ein Mädchen, vielleicht acht Jahre alt, sitzt rücklings im Wagen, Colinches Tochter, sie schweigt. Colinche hat Pech gehabt im Leben. Als Kind wurde er nur  geprügelt; seit er dreizehn war, musste er arbeiten, vor sechs Jahren hat er eine Stelle im Zentralmarkt verloren, jetzt versucht er es als „cartonero“. Die kleine Tochter nimmt er mit, damit ihm die Polizei keine Schwierigkeiten macht. An der Sammelstelle werden die Kartons gewogen und Colinche zeigt die paar Münzen in seiner offenen Hand. „Reicht nicht einmal zum Essen“, sagt er und fährt weiter.
Margarita kehrt heim, der Wagen voller Kinder wankt gefährlich über den sumpfigen Weg. Sie hat neun Kinder, fünf von Colinche, die Älteste ist fünfzehn, das jüngste zwei Jahre alt. Die Familie lebt in einem schiefen Haus, von dem der Putz abfällt und das im Inneren einem Bunker gleicht, so dunkel, feucht und leer ist es. Es gehört ihnen nicht, sie haben es besetzt, wie alle anderen in der Gegend, seit zwölf Jahren leben sie  hier. Colinche zeigt mit der Hand an einer Hauswand, dass das Wasser bei den häufigen Überschwemmungen bis hüfthoch ansteigt, deshalb wollen es die Besitzer gar nicht haben. Und ausgeraubt wurden sie auch noch, Kleider und Pfannen haben die Räuber mitgenommen. Die Kamera schwenkt auf das Gesicht der ältesten Tochter, die in sich gekehrt an der Wand sitzt und dann plötzlich das Gesicht zur Kamera dreht. In dieser Geschichte wird eine Arbeitsweise Solanas sehr deutlich: seine Totalen auf die Gesichter der Menschen drücken mehr Gefühle aus, als jeder Kommentar es vermöchte.
Margarita sortiert Kleider und erzählt dabei ihre Geschichte. Als Kind schon arbeitete sie in einer Familie als Hausangestellte, wurde geschwängert - „ich war dumm, so dumm war ich“ – und nachdem man ihr den kleinen Sohn weggenommen hatte, verließ sie heimlich ihre Arbeitgeber. Sie war rechtlos, hilflos, ist heute noch empört. Gleichzeitig möchte sie diesen Teil des Lebens am liebsten vergessen. Ihre Hände graben eine Puppe aus dem Kleiderberg. Sie legt die Puppe weg. „Was ist das Traurigste in Deinem Leben? fragt Solanas. „Dass ich meine Kinder nicht zur Schule schicken kann, es geht einfach nicht.“ Die Kamera hält wieder aus unmittelbarer Nähe ein Kindergesicht fest, am Boden liegt achtlos eine andere Puppe, deren Gesicht  grün und rot angemalt ist.

Das sechste Kapitel

„Piquete“ – „Im Lager der Demonstranten“

Der „Piquete“, der tagelange Zug der Demonstranten, ist ein  Merkmal des argentinischen Alltags geworden. Als sie noch Arbeit hatten, konnten sie  streiken, jetzt, seit Jahren arbeitslos, bleibt ihnen nur noch der permanente Aufstand gegen die anhaltende Ungerechtigkeit, den Hunger, die Kälte, gegen  eine trostlose Welt, in der es für sie und ihre Kinder keine Perspektiven gibt. Im Piquete, den sie mit Sack und Pack mitmachen, finden sie Solidarität und ein Minimum an Versorgung. Und der Staat, die Regierung, soll wenigstens merken, dass sie existieren, die Blockaden als letztes Mittel. Wie funktioniert ein „Piquete?“ Dies zeigt die sechste Szene in Solanas Film.
Wieder sind wir in La Matanza, mitten in einer Demonstration und etwas später den Vorbereitungen zum Nachtlager der Piqueteros. 20. Mai 2002, knapp ein halbes Jahr ist Präsident Duhalde im Amt. Eine Sirene tönt, es herrscht ein fast fröhliches Durcheinander. „Heimat ja, Kolonie nein“, „Rechte für Kinder“, „Kämpfen ist möglich“ steht auf den Plakaten. Die Menschen sind in Jacken und Schals eingepackt, es ist kalt. Langsam rattert ein Güterzug durchs Bild.
Den Zug, der die Straßenszenen kurz unterbricht, wird Solanas noch zweimal einsetzen. Ein anderes Stilmittel stellt in dieser Geschichte die kräftig gerührten Trommeln dar, die Zorn, Aufbruch und Kampfbereitschaft vermitteln.
Die Menschen erzählen von ihren Erfahrungen im Piquete. Heute sind sie 18 Kilometer marschiert, über 70 Nächte haben sie schon zusammen verbracht. Während sie das Nachtlager einrichten, kommt es zu kurzen Dialogen zwischen Solanas und den Frauen. Sie lachen, meinen, Solanas filme fürs Fernsehen, verstecken sich. Eine ältere eine Frau berichtet, sie habe schon 60 Piquetes mitgemacht, aber nie Geld bekommen. „Leider sind wir Argentinier“, sagt sie traurig. „Das ist nicht mehr Argentinien.“
Der Staat hat in einem Notstandsprogramm zwei Millionen Familienoberhäupter unterstützt, fünf Millionen gingen leer aus. Der Zug fährt durch, es wird Abend, Nacht.
Das Lager scheint gut zu funktionieren, die Piqueteros haben jahrelange Erfahrungen mit Streiks und Landbesetzungen. Feuer flammt auf, Gesprächsfetzen, die Kamera erfasst huschende Gestalten. Es wird gelacht, getanzt, diskutiert, gespielt, gekocht. Fast könnte man meinen, hier werde eine Filmszene über ein Feldlager aus früheren Jahrhunderten gedreht. Aber das ist Realität. Solanas scherzt mit den Frauen, zu einer, die die anderen „abuela“, Großmutter nennen, meint er: „Ich habe eine schöne Aufnahme gemacht von Ihnen“. Sie lacht, kokettiert, richtet sich die Haare. „Na,“ sagt Solanas, „sind wir ein wenig eitel? „Na und ? “ gibt sie fröhlich zurück: „Ich bin nicht alt, nur meine Lumpenkleider sind es.“
Dann werden die Gespräche ernster. Eine Frau insistiert, dass sie Arbeit wolle, nichts geschenkt, einfach nur Arbeit. Ein Mann lobt die Solidarität im Lager. „Wir sind wie eine Familie“, und:  „Wenigstens verbringen wir die Zeit zusammen.“ Wenn der Piquete wieder einmal vorbei sei, dann hätten viele nichts mehr zu essen. Akkordeonklänge, die auf wenigen Höhen beharren, unterlegen die Gespräche. Ein alter Mann fasst die Klage der Älteren zusammen: „Sin casa, sin trabajo, sin plata, sin nada“ – „Kein Dach über dem Kopf, keine Arbeit, kein Geld, nichts“. Und immer Hunger. Wie lange kann man da eine Hoffnung aufrecht erhalten?
Doch dann ruft die Trommel zur Asamblea, zur Versammlung. Die Asamblea ist ein fester Bestandteil der Piquetes, da werden Beschlüsse gefasst und die Einheit beschworen. „Wir kämpfen weiter, bis sie uns Antwort geben“,  die Menschen klatschen. Es ist einstimmig so beschlossen. Im nachtdunklen Hintergrund rattert der Zug vorbei, im Vordergrund steht ein eng umschlungenes Paar.

Das siebte Kapitel

„Das staatliche Spital „Alejandro Posadas“ – „El hospital publico“

Der Film steigt ein mit dem Blick auf das große staatliche Spital „Alejandro Posadas“. Es hat einen hervorragenden Ruf. 4000  Patienten werden hier täglich behandelt. Grundsätzlich können sich die Argentinier in den Spitälern gratis behandeln lassen, doch nachdem der Außenhandel einbrach und die Einnahmen aus dem Erdöl zurückgingen, fehlen den Spitälern die Mittel, um ihrem Auftrag gerecht zu werden. Und jede zweite Familie hat keine Krankenkasse, kann nicht zu einem privaten Arzt gehen. Die Spitäler sind überfordert.
Überfüllte Gänge im Inneren des Spitals, Menschen warten in langen Schlangen. Die Sozialarbeiterin Carola Caligaris erklärt, die Patienten seien in einem schlechten allgemeinen Gesundheitszustand, wenn sie ankämen. Zu ihren Leiden kämen Depressionen, bedingt durch die lange Arbeitslosigkeit und den Verlust der Sozialversicherungen. Viele kämen zu Fuß, weil sie sich das Busticket nicht leisten könnten, andere würden deswegen Termine verpassen. Nein, antwortet sie auf die Frage Solanas, die Krankenwagen holen die Leute nicht, höchstens nach Unfällen. Auf einen Termin für eine Operation müssten die Kranken bis zu sechs Monaten warten. Die Sozialarbeiterin berichtet sachlich, ihr Gesicht wirkt angestrengt.
Immer wieder streicht die Kamera an den vielen Menschen vorbei. Eine alte Frau beklagt sich über das lange Warten auf Termine, lobt die Arbeit der Ärzte.
Eine zweite Sozialarbeiterin, Silvia Leòn, berichtet, dass das Spital seit zwanzig Jahren keinen Direktor hätte, jede Regierung wolle ihre eigenen Leute einsetzen und gebe das Geld für Berater aus. Die Kamera erfasst eine Wand, an der der Putz abblättert und hässliche Flecken freigibt. Silvia Leòn beklagt die Korruption, führt als Beispiel an, dass private Reinigungsfirmen eingesetzt würden, die nur am Gewinn interessiert seien. Am Boden liegen Müllsäcke, aus denen Flüssigkeiten rinnen.
Zu Fuß kämen die Kranken von La Matanza, sagt Silvia Leòn, tagelang hätten die Erwachsenen nichts gegessen, nur Matetee getrunken. Krankheit, Hunger, Depressionen führten zur Verwahrlosung und Gewalt in den Familien, ein Teufelskreis. Wer alles verloren hat, lebt und stirbt sogar im Spital, auf einer Bank, im Gang. Die Heime sind voll, nehmen niemand über 50. Aus dem Dunkel das Gesicht eines alten Mannes, seit zwei Jahren liegt er hier, er kann nicht mehr.
Was ist mit Medikamenten, wenn den Kranken das Geld dafür fehlt? Oft kaufe das Personal welche, sagt Carola Caligaris, aber die ambulanten Patienten gingen leer aus und gingen krank wieder nach Hause.
Diese unhaltbare Situation hat dazu geführt, dass das Personal das Spital auf die Straße verlegt hat: Juli 2002, eine von Menschen überfüllte Strasse, Stände, wie auf einem Markt, Menschen mit Plastiksäcken, einige halten Medikamente in die Luft, eine Frau gibt welche ab, hinter den Ständen medizinisches Personal der Spitäler. Eine Frau gibt Auskunft: „Die Leute bringen ihre Medikamente, wir ordnen sie, sortieren, prüfen die Ablaufzeiten, Fachleute geben Auskunft und geben Medikamente ab. Es kommen auch Menschen, die Medikamente schenken.“ Die Kamera erfasst einen wilden Haufen Medikamente. Passanten beklagen die Situation, Medikamente gehörten in Spitäler und Gesundheitsposten, seien kein Produkte der Marktwirtschaft, seien zu teuer, müssten vom Staat abgegeben werden. Eine alte Frau strahlt, das Straßenspital sei super.
Szenenwechsel. Die Sozialarbeiterin des Spitals „Alejandro Posadas“, Carola Caligaris berichtet, dass sie am 13. August 2001, während der Regierungszeit von de la Rùa, das Spital im Sinne eines passiven Widerstandes besetzt hätten. Darauf habe die Polizei Tränengas eingesetzt und Personal und Patienten mit Knüppeln geschlagen. Ein Rückblick zeigt den martialischen Einmarsch der mit Schlagstöcken bewaffneten Polizisten in das Spital. Die Patienten seien auch während der Besetzung behandelt worden, sagt Caligaris, die Solidarität sei groß gewesen.
Trommelwirbel! Am 27. Februar 2002 marschiert ein Demonstrationszug durch die breite Avenida 7 de Julio zum Gesundheitsministerium, vom Himmel wehen Papierfetzen. Jeden Tag sterben in Argentinien 100 Menschen an heilbaren Krankheiten. Szenenwechsel. Menschen vor dem Ministerium für öffentliche Bauten (MOP), die Kamera erfasst die Fassaden von Banken. Wir sind in der Innenstadt von Buenos Aires. Während der ganzen letzten Szene fährt immer wieder ein gelber Lieferwagen mit der Aufschrift „Prosegur“ (für Sicherheit) durch die Straßen. Argentinien ist zahlungsunfähig, erfüllt dennoch seine Verpflichtungen gegenüber dem Internationalen Währungsfond IWF. 4000 Mio. Dollars hat Argentinien im Jahr 2002 an den IWF abgeliefert. Die Ersparnisse der Menschen werden zurückgehalten, die Banken vor dem Volkszorn mit Blechfassaden geschützt. Die um ihr Erspartes Betrogenen hämmern mit kreuzweise gebundenen Stöcken in ohnmächtiger Wut gegen die Blechwände. Leere Versprechungen Präsident Duhaldes  im Kongress. Gesetze werden geändert, um die Banquiers vor Anklagen zu schützen. Der neue Wirtschaftsminister Roberto Lavagna unterstützt die Banken mit Beiträgen in Milliardenhöhe. Die Szene endet mit dem Verbrennen einer amerikanischen Fahne.

Das achte Kapitel

„El llamamiento“ –„ Die Vorladung“

Das neoliberale Wirtschaftsmodell der achtziger Jahre erreichte in den neunziger Jahren auch die Kleinbauern der argentinischen Provinz La Pampa im Süden des Landes. Mit Krediten lockten die Banken die Bauern und Bäuerinnen in die Schuldenfalle. Die Kleinbauern, „Chacareros“, belasteten ihr Land, ihre „Chaca“, mit Hypotheken und nahmen Geld auf, um mit neuen Maschinen ihre Produktionsmethoden zu modernisieren und die Erträge zu erhöhen. Doch Zinsen bis 20 Prozent machten alle Hoffnungen rasch zunichte. Die hochverschuldeten Höfe kamen schließlich unter den Hammer, hinter den Käufern stand meist das international agierende Agrobusiness. Den Bauernfamilien blieb buchstäblich nichts. Bis eine kluge Bäuerin von Winifreda ein Mittel fand, wie sie sich wehren konnten.
Der Film steigt ein mit Bildern der Pampa. Unter einem dramatisch gefärbten Himmel die unendliche Weite der Weiden, wir befinden uns 650 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Lucy de Cornelis, eine Frau mit kurzgeschnittenem Haar, schmalen Augen und Brille weist auf ihr Land, 131 ha sind es. Das Land ist heute verpachtet, Lucy muss immer noch Schulden abbezahlen. Die 400 Kühe, der Geräteschuppen, der Traktor, die Sämaschine und die Egge, alles ist weg. Sie haben uns beraubt, das war ein abgekartetes Spiel, sagt Lucy. Wir gehen auf den Geräteschuppen zu, leise Gitarrenklänge begleiten uns. Im Geräteschuppen herrscht trauriges Chaos.
Auch Lucy hatte damals einen Kredit von 30.000 Pesos aufgenommen, um einen Traktor anzuschaffen, dann noch 15.000 für Saatgut und Diesel. Doch der Ertrag reichte nicht einmal aus, um die Zinsen zu bezahlen. Nach wenigen Monaten schuldete Lucy der Bank 200 000 Pesos. Sie musste alle bewegliche Habe verkaufen. Es blieb das Land, das versteigert werden sollte. Lucys Mann ging es nicht gut, er litt an Depressionen. Zwei Wochen, bevor das Aufgebot zur Versteigerung ins Haus gekommen war, erlitt er einen Schlaganfall. Er war 61 Jahre alt.
Bei Lucy zu Hause. Sie erzählt, wie sie alles, was ihr teuer war, vor dem Beamten versteckte, der ihr die Vorladung zur Versteigerung brachte und wie sie dann schnurstracks zum Lokalradio ging, wo sie ihre Geschichte erzählte und Frauen, die sich in  derselben Lage befänden, zu einer Zusammenkunft aufrief. Das geschah im Jahr 1995.
Das Echo auf den Aufruf war überwältigend. 200 bis 300 Bäuerinnen, Chacareras, meldeten sich damals bei Lucy. Einige von ihnen kommen zehn Jahre später in ihren Autos zu Lucys Haus, sie sitzen um einen Tisch unter einem Baum und erinnern sich. Es sind fast nur ältere Frauen, ihre Gesichter sind geprägt von der harten Landarbeit und den vielen Kämpfen ums Überleben. Die Bilder vom Frauentisch wechseln mit Aufnahmen von den Höfen.
Ana Galgarini, eine Frau mit einem schmalem, gefurchten Gesicht erzählt, ihre Großeltern seien aus Italien mit einem Koffer in der Hand und ohne einen Peso hierher gekommen, hätten das Land gekauft, bebaut, gepflegt und sie, die Enkelinnen, seien in Gefahr, es zu verlieren. Die von der Bank hätten ihnen weismachen wollen, sie seien Versager. Und die Männer schämten sich, berichtet sie, hätten die Schulden vor ihnen verheimlicht, hätten keinen Mut gehabt, sich zu wehren. Eine andere, Sara Vallejo, erinnert daran, dass es damals viele Selbstmorde gegeben habe. Die Bauern und Bäuerinnen hätten viermal so hohe Zinsen bezahlen müssen, wie die Banken auf Geldern zahlten, das sie ihrerseits aufgenommen hatten. Das war reiner Wucher, sagt Sara zornig. Erst als sie das begriffen hätten, hätten sie den Mut gehabt, den Kampf aufzunehmen.
Lucy steht im Türrahmen und erzählt, wie ihnen das einzige Mittel einfiel, um sich gegen die Versteigerung ihres Landes zur Wehr zu setzen: durch das Absingen der Landeshymne und durch lautes Beten. Und so geschah es.
Lucys Hof kommt zuerst dran, am 24. September 1996 soll ihr Land versteigert werden, in der Zeitung wird das Ereignis angekündigt. Im Amt umringen die Frauen Lucy, sie singen, der Beamte reagiert hilflos, dann wütend. Lucy wird zwar abgeführt, aber die Versteigerung ist vertagt. Die Presse berichtet darüber und die Geschichte verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Im ganzen Land entstehen Gruppen von Landfrauen, die mit derselben Methode die Versteigerungen verhindern. Lucy wird zur Gründerin des „Movimiento de Mujeres Agropecuarias en Lucha“ (Bewegung der kämpferischen Landwirtinnen).
Es folgen, zum Teil in Archivaufnahmen, verschiedene Beispiele von Versteigerungen, wie Frauen und Männer sich singend wehren, mit Argumenten gegen Beamte kämpfen, unter ihnen eine Frau, und sie daran hindern, die Versteigerungen durchzuführen. Die Verhandlungen müssen vertagt werden, die Chacareros behalten ihr Land. Die Frauen am Tisch in Lucys Hof sind stolz und froh. „Das Beste ist, dass wir zusammen gefunden haben, dass wir gemeinsam für Gerechtigkeit kämpfen.“, sagt eine von ihnen.
Lucy weiß, dass sie in ihrer Verhandlung über sich selbst hinausgewachsen ist: „14 Millionen Hektar Land hatte der Banco Naciòn bereits ins Ausland verhökert, die waren daran, das ganze Land zu verkaufen. Plötzlich sprach ich von Souveränität des Landes, ich weiß nicht, wie ich darauf kam. Es ist mir eingegeben worden.“
Die Schlussszene beginnt mit einer Totale auf eine Windmühle vor einem strahlend blauen Himmel. Die Windmühle betreibt einen Ziehbrunnen, Lucy schöpft klares Wasser. Vor dem Gatter zu ihrem Land stehend meint sie, wenn man einmal die Geschichte dieser Epoche schreibe, dann dürften die mindestens 30 000 Opfer nicht vergessen werden, die als Folge psychischer Folter gestorben seien. Unter ihnen ist ihr Mann, er ist auf dem Grundstück begraben. „Ich will ihm Blumen aufs Grab legen.“ Lucy schneidet Sonnenblumen und während sie mit den Blumen in der Hand weggeht, blendet der Film aus.

Das neunte Kapitel

„Recordando Darìo“ –„ Im Gedenken an Darìo“

Die Geschichte vom Leben und Tod des Darìo Santillàn beginnt mit einem Piquete im Partido Avellaneda, dem Landkreis von Gran Buenos Aires, der im Süden an die Hauptstadt grenzt. Demonstranten blockieren die Zufahrtstrassen zur Innenstadt, die Regierung entscheidet sich für hartes Durchgreifen. Es ist der 26. Juni 2002. Als Piqueteros verkleidete Polizisten zertrümmern Schaufenster und Autoscheiben, der Vorwand für die Polizei zum Losschlagen. Die Demonstration eskaliert, bei der Pueyerredòn-Brücke wird der junge Maximiliano Kosteki von einem Schuss getroffen. Darìo Santillàn eilt ihm zu Hilfe und wird von hinten angeschossen. Auf der Brücke eines Kleinlasters werden die beiden Schwerverletzten abtransportiert, beide sterben im Spital.
Ein alter Fischer, ein Freund des Toten, sagt, was da passiert sei, mache ihm mehr Angst als die gefährliche Fischerei im Meer und im Rio de la Plata. Er sei mit Darìo bis zum Bahnhof von Avellaneda gegangen, dann wisse er nichts mehr.
Totenwache für Darìo. Viele Menschen stehen um Darìos Sarg, sie machen ihrem Zorn mit Anschuldigungen gegen die Regierung Luft. „Die sollen aufhören mit Lügen, die sollen herkommen und endlich mit eigenen Augen sehen, wie das Volk hungert“. Die Kamera verweilt auf einzelnen Gesichtern, darunter auch auf dem Gesicht einer jungen Frau, von der wir später erfahren, dass sie Darìos Freundin war, Claudia.  Ein großflächiges Gesicht, umrahmt von dichtem, rotbraunem Haar. Darìos Sarg steht vor einem Kreuz mit einem beleuchteten Jesus, dahinter die drei Buchstaben MTD „Movimiento de los  trabajadores desempleados“ („Bewegung der arbeitslosen Arbeiter“), eine Selbsthilfegruppe, für die Darìo tätig war. Die Menschen sind jetzt ganz still, immer wieder verharrt die Kamera auf traurigen, ergriffenen Gesichtern, zuletzt auf dem Antlitz des Toten. Eine Hand, die Hand Claudias, streichelt sein Gesicht.
Eine Frau erzählt, dass Darìo ein Kleinunternehmen mit Arbeitslosen gegründet hatte, eine kleine Ziegelei, und dass der Versammlungsraum des MTD, wo Darìo aufgebahrt ist, auch als Volksküche funktioniert.
Der Fischer von vorher zeigt die Ziegelei. Darìo wollte sich mit Backsteinen ein solides Haus zu bauen. Dann führt die Kamera in die Küche des Comedor, dort wird geputzt und Brot gemacht, Darìos Freundin schaut zu. Die prekären Lichtverhältnisse geben die Realität wieder.
Ein Meeting der Selbsthilfeorganisation MTD, im Hintergrund ein Bild Che Guevaras, dann läuft ein Video, in dem Darìo die Forderungen des Vereins postuliert.
Mit Claudia auf der Straße zur Volksbibliothek. Sie wendet sich kurz um, zündet eine Zigarette an, streicht ihr Haar zurück. Leise Klaviertöne. Seit einem Jahr, beantwortet sie Solanas Frage, habe Darìo im Viertel Lanùs gelebt. In der Bibliothek, im Kreis von befreundeten Frauen erzählt sie, dass sie hier Darìo kennen gelernt habe, als er einen Computerkurs gab. Hier habe ihr Darìo seine Liebe gestanden und sie zum ersten Mal geküsst. Sie lächelt versonnen, „das sind die beiden Dinge, an die ich mich am besten erinnere.“ Die Kamera verharrt auf ihren verschränkten Händen, an einem Finger glänzt ein Ring. Dann legt sich die linke Hand über die rechte, der Ring ist verborgen.
Claudia führt Solanas zu dem Ort, wo Darìo in einem Zelt aus Nylonplanen lebte. „Hier schlief und aß er mit mir und traf seine Freunde,“ erzählt Claudia. Am 20. Februar hätten sie das Terrain besetzt, vor zwei Monaten hätten es die Behörden  freigegeben. Das Terrain, das Darìo mit vielen anderen zu einem Quartier machen wollte, ist mit Abfall und Schmutz übersäht. Magere Hunde laufen darüber, die Behausungen bestehen aus Holz oder Blech. So entstehen neue Slums. Die Szene ist mit schneller Klaviermusik unterlegt. Mit tränenerstickter Stimme erzählt Claudia, was am Tag geschah, als Darìo getötet wurde. Sie seien zusammen zum Bahnhof von Avellaneda gegangen, dann hätten sie sich im Gedränge aus den Augen verloren, später habe sie gesehen, wie Maxililiano zu Boden stürzte, sie sei zu ihm geeilt, hätte ihm helfen wollen. Da sei Darìo dazu gekommen und hätte sie gedrängt, sie solle weggehen, die Polizei sei hinter ihnen her. Sie sei gegangen, habe gesehen, wie Darìo die Hand erhoben habe. „Nicht schießen“, habe er gerufen. Sie weint, duckt sich in den Schal um ihren Hals.

Eingeblendet wird die kurze Szene von der Ermordung Darìos.

Umringt von Reportern rechtfertigt der Polizeichef Franchiotti das Vorgehen der Polizei. Er wird von den Menschen angegriffen, es kommt zu einer Schlägerei vor dem Polizeiposten. Am selben Abend ruft eine Massendemonstration auf der Plaza de Mayo dazu auf, die Mörder zu bestrafen. Die Pressefotos entlarven die Lügen der Polizei.
Lakonisch teilt Solanas mit, dass die Verantwortlichen entlassen und die Mörder vor Gericht gestellt wurden und dass es in der Folge zu vorgezogenen Neuwahlen kam. Das Kapitel endet vor dem Spital, wo Maximiliano und Darìo hingebracht wurden.

Das zehnte Kapitel

„Gustavo, Zulema y las mafias“ – „Gustavo, Zulema und die Mafias“

Der Priester Gustavo Montiveros, ein junger Mann, der mit den Armen im Quartier Los Alamos von Matanza lebt und arbeitet, sitzt am Tisch in seinem Haus und erklärt, wie Korruption und Mafia funktionieren. Er wirkt kühl, beherrscht, fast doziert er. Die Ausbildung der Polizisten sei immer noch dieselbe, wie unter der Diktatur. In den Barrios, den Quartieren, sei es die Hauptaufgabe der Unteroffiziere, Geld einzutreiben für ihre Vorgesetzten, die immer reicher würden, während sie selbst arm blieben.
Szenenwechsel und Blick auf einen Abfallberg in Los Alamos, wo Menschen mit Hacken beschäftigt sind und Hunde streunen. Metallteile liegen auf dem Abfall und im Tümpel gleich daneben. Zwei Männer berichten, hierher kämen die Leute mit gestohlenen Autos aus der Hauptstadt, würden die Motoren und das Brauchbare herausnehmen und den Rest auf den Abfall werfen. Manchmal seien auch Leichen drin, die kämen dann nach einer Weile hoch.
Wieder beim Priester Gustavo. Zwischen der Mafia der Polizei und der Mafia der Politikerkaste gebe es enge Verbindungen. In manchen Landkreisen nähmen Polizeichefs die Stellung von Vorstehern oder Bürgermeistern ein. Der hiesige Vorsteher sei derselbe wie zur Zeit der Diktatur und in Ezeiza übe ein berüchtigter Killer aus dem korrupten Umkreis des früheren Präsidenten Menem das Amt aus. Er nennt die Namen. Ein Einwohner von Los Alamos und Mitarbeiter Gustavos bestätigt, dass der Drogenhandel in Händen der Polizei sei. Der Priester – wir sehen ihn kurz, wie er nachts durchs Quartier geht – meint, unter den Jugendlichen gebe es viel Drogenhandel und viel Kriminalität, Frucht der Armut und der mangelnden Sicherheit Die Polizei nutze dies aus, sie würde die Jungen für ihre Zwecke einspannen und wenn sie zur Belastung würden, würden sie umgebracht. Es komme oft vor, dass ein Junge mit einer Kugel im Kopf aufgefunden werde.
Szenenwechsel. Am Eingang eines ärmlichen Hauses sitzen zwei Frauen. Die eine, Zulema Cabral de Chàvez berichtet, dass ihr Sohn Ariel am 11. November 2000 auf dem Weg zu einem Geburtstagsfest entführt worden sei. Man habe sie gewarnt davor, Anzeige zu erstatten, „die bringen dich um,“ aber sie habe es dennoch getan. Die zuständige Richterin habe zu ihr im Vertrauen gesagt, es tue ihr leid, aber „hier können wir nicht ermitteln.“ Vierzehn Tage später sei die Akte ohne Ergebnis geschlossen worden.
Der Priester Gustavo feiert die Messe in seinem Haus. Früher hätten sie von der Gemeinde einen Saal gehabt, den man ihnen aber wegen ihres sozialen Engagements nicht mehr zur Verfügung stelle. Hier sei es aber ganz praktisch, denn sie würden im Haus auch eine Volksküche führen, Bücher ausleihen und Kindern bei den Schulaufgaben helfen, „das Haus gehört jetzt allen.“ Auf die Frage Solanas, ob er nie behelligt worden sei, erzählt er nach kurzem Zögern, dass sie eine parapolizeiliche Gruppe namens Excalibur angezeigt hätten, worauf Mitglieder der Gruppe zuerst auf Flugblättern Lügen über ihn und die Piqueteros verbreiteten und an einem Tag, als er mit seinen Helfern am Bau der Kirche beschäftigt war, plötzlich auftauchten und ihm mit einem Knüppel auf den Kopf schlugen. Nur durch ein Wunder sei er am Leben geblieben. Priester Gustavo, in der unfertigen Kirche, verharrt in grimmigem Schweigen.
Als Beispiel für die Korruption innerhalb der Polizei berichtet Solanas über die Entführung des Jungen Diego Peralta am 5. Juli 2002 im Landkreis El Jaguel. Knapp sechs Wochen später, während denen die Familie mit Lösegeldforderungen bedrängt wurde, wurde die Leiche des Jungen gefunden. Empörte Bewohner des Viertels vermuteten die Komplizenschaft der Polizei. Hier im Film marschieren sie zur Polizeistation von El Jaguel und setzen sie in Brand. Die Polizei fährt grobes Geschütz auf, es gibt Verletzte. Gegen den Polizeichef Miguel Angel Giménez wurde später ein Verfahren eingeleitet. Die Verbrechen, die von der Polizei laufend begangen werden, mobilisieren die Menschen in ganz Argentinien. In Volksmärschen und Demonstrationen fordern sie Gerechtigkeit. 600 Polizeioffiziere mussten entlassen werden.
Das Jahr 2002 geht seinem Ende entgegen. Vom Himmel flattern Flugblätter, wohl ein Hinweis auf die Neuwahl des Präsidenten im April 2003. Wieder fährt der gelbe Wagen „Prosegur“ durch die mit Flugblättern bedeckten Strassen der Innenstadt. Dem Land geht es besser, es hat keine Hyperinflation gegeben, die Wirtschaft hat sich stabilisiert, aber das Volk wird weiter ausgeplündert und die Forderung der Armen „que se vayan todos“ („alle sollen gehen“) ist ohne Konsequenzen geblieben. Alle sind sie im Amt geblieben, die Richter des obersten Gerichtshofes ebenso wie die Mitglieder des Parlamentes. Die soziale Bewegung hat keine überzeugende Gegenkandidatur zu den Namen des Establishments aufgebaut.
Straßeninterviews zeigen, dass die Menschen in Bezug auf die Wahlen skeptisch sind. Eine Frau meint, sie würden eh wieder in dieselbe Falle geraten und ein zorniger junger Mann will nie mehr wählen. „Ciao companero“, hört man Solanas fröhlich sagen.
Die alte Garde propagiert die Kandidaten, es ist, wie es immer ist. Im zweiten Wahlgang wird Néstor Kirchner aus Patagonien gewählt. Er setzt die Wirtschaftspolitik seiner Vorgänger im Wesentlichen fort, mit einigen Retouchen am neoliberalen Modell. Unter anderem werden Richter des obersten Gerichtshofes ausgewechselt und Kirchner hebt das Gesetz der „Impunidad“, der Straflosigkeit für ehemalige Amtsinhaber auf. Aber der IWF erhält weiterhin sein Geld, die Privatisierung von öffentlichen Diensten hält an, Radio und Fernsehen werden nicht unabhängig, Kunstschätze, die der Allgemeinheit gehören, wandern weiterhin ins Ausland ab. Es gibt zwar einen Sozialplan, aber die Armen bleiben arm.

Elftes Kapitel

„Fabricas recuperadas“ – „Zurück eroberte Fabriken“

Das letzte Kapitel in diesem Film ist die Erfolgsgeschichte von der Rückeroberung einer stillgelegten Fabrik durch die entlassene Belegschaft. Die Keramikfabrik Zanon liegt in der Provinz Neuquén, in Patagonien. Das Kapitel beginnt mit der Fahrt über breite Straßen zur Fabrik, alles sieht modern und geordnet aus. Blick von außen auf die großen Hallen und Schnitt auf den Betriebsleiter, Julio Araneda, der das Bild eines patenten Patrons vermittelt. Im Gehen durch eine Fabrikhalle rekapituliert er die Ereignisse: die Belegschaft wurde entlassen, die Direktion verabschiedete sich, der Betrieb wurde geschlossen. Im März 2002 beschlossen die arbeitslosen Zanon-Arbeiter, die Fabrik zu besetzen und selbstverwaltet wieder in Betrieb zu nehmen. Die Betriebsaufnahme brachte technisch keine Probleme, es war alles noch da, was sie brauchten. Hingegen gab es rechtliche Probleme, die Besitzer klagten gegen die Besetzer, doch heute gehört die Fabrik rechtmäßig den Arbeitern, 380 sind es im Ganzen.
Die gleich bleibende Kameraeinstellung auf das Gesicht des Direktors wird unterbrochen von einer Einstellung, die Solanas oft verwendet: den Blick von hinten auf eilige Füße und Beine.
Solanas erkundigt sich nach der Geschäftsführung. Jedem der 30 Sektoren steht ein Koordinator vor, alle Entscheidungen werden in Plenarversammlungen des jeweiligen Sektors diskutiert und entschieden, alle verdienen gleichviel. Abgerechnet wird über befreundete Nicht-Regierungsorganisationen.
Ein kurzer Ausschnitt zeigt eine Betriebsversammlung. Etwas mürrisch stehen und hocken die Leute da.
Zu Solanas und Araneda gesellt sich ein älterer, grauhaariger Arbeiter, einer der Koordinatoren. Rinaldo Jiménez arbeitet seit 13 Jahren bei Zanon, von der Ausbildung her ist er Gasinstallateur. Es ginge gut und wenn sie bei technischen Problemen überfordert seien, kämen Ingenieure von der Universität und hülfen weiter, sagt Jiménez. Ob der Betrieb denn Gewinn mache, fragt Solanas. Und wie! Araneda berichtet stolz, dass sie alle Löhne, Gas, Steuern zahlen und alles Material einkaufen könnten und dazu einen guten Gewinn herausholten, obwohl sie nur den Heimmarkt belieferten. Aber es ginge ihnen nicht um einen möglichst hohen  Gewinn oder um den Besitz einer Fabrik, es ginge ihnen um die Arbeit, den Erhalt der Arbeitsplätze. „Diese Fabrik werden wir mit unserem Leben verteidigen“, sagt der Betriebsleiter und es kommt zornige Entschiedenheit in seiner Stimme auf.
Szenenwechsel auf das Fabrikdach, da liegen weiße Porzellankugeln, auch ein Produkt der Fabrik. Berühmt seien sie, wie Solanas anmerkt. Araneda rollt sie in seiner Hand. Die seien härter als Stein und könnten die Polizeischutzschilder ohne weitere durchschlagen. Damals, als die Polizei nach der Besetzung der Fabrik mit Tränengas und Knüppeln auf die Arbeiter losgegangen sei, hätten sie Abwehrfronten mit Steinschleudern ausgerüstet. Das sei sehr effektiv gewesen. Mit der Unterstützung durch das Volk hätten sie fünf Betriebsschließungen abgewendet. Für Zanon hatten sich Arbeiter aus der ganzen Provinz mobilisiert, die Beamten der Provinz  einen Tag die Arbeit niedergelegt. Es folgen Aufnahmen einer Demonstration vor der Fabrik mit 6500 Demonstranten, wie Araneda betont. Und Zanon war nicht der einzige Versuch, eine stillgelegte Fabrik durch die entlassenen Arbeiter zu übernehmen. 160 von 2000 stillgelegten Betrieben wurden teils oder ganz zurückerobert. Das sei eine Folge gewesen des Aufstandes vom 19./20. Dezember 2001.
Das Kapitel schließt mit dem Fest, das ein Jahr nach Betriebsübernahme gefeiert wurde. „Zanon - un ano bajo control obrero“ („Zanon – ein Jahr unter der Kontrolle der Arbeiter“) verkünden die Transparente. Man singt und spielt und freut sich.

Zwölftes  Kapitel

„Todavia hoy – abril 2005“  - „Es geht weiter – April 2005“

Eine Farm, die von sieben Familien bewirtschaftet wird, ist in Konkurs geraten, der Betriebsleiter Carlos Prandi und seine Frau sind zur Versteigerung des Landes aufgeboten. Die beiden sind verzweifelt. Das Kapitel beginnt mit einem Blick auf das Feld der Familien und wechselt dann in den Saal, wo am 27. April 2005 die Versteigerung des Grundstücks stattfinden soll. „Die Konzentration des Großgrundbesitzes zuungunsten der Kleinbauern geht weiter,“ stellt eine Frau fest. Die Frauen, die vor Jahren schon Lucys Land verteidigt haben, stehen bereit, unter ihnen auch Lucy. Sie umgeben das verzweifelte Paar, die Frau kämpft mit den Tränen, der Mann hält sich kaum auf den Beinen. Als der zuständige Staatsanwalt die Versteigerung eröffnen will, singen die Bäuerinnen und die Bauern die Nationalhymne. Versteinerte Mienen der Beamten. Vor dem Gebäude wartet die Polizei. Im Saal kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen Beamten und Bauern und Bäuerinnen. Diese fordern eine Anhörung vor Gericht. Der Staatsanwalt droht, einen der Wortführer abzuführen, es kommt zu einem Tumult. Die Demonstranten verlangen den Abbruch der Versteigerung, sie haben viele Versteigerungen hinter sich, sie kennen das Prozedere und wie man es stoppt. Polizisten betreten den Saal, stellen sich mit ihren Schutzschildern vor den Demonstranten auf. Diese lassen sich nicht einschüchtern, geben den Mann nicht frei. Sie bilden einen Ring um ihn und singen. Die Auseinandersetzungen verlagern sich auf die Strasse. „Nichts ist verloren, wenn man zum Kampf bereit ist“, sagt Solanas.

Ausklang

Übergangsloser Schnitt auf die argentinische Fahne, die unter blauem Himmel im Wind flattert. 2005. Ein großer Demonstrationszug zieht unter Absingen der Landeshymne durch Buenos Aires, Männer und Frauen tragen Transparente. Auf einem Traktor steht neben der Fahrerin Lucy. Im Anschluss an das zwölfte Kapitel lässt Solanas in rascher Abfolge Revue passieren, was drei Jahre später aus den Menschen geworden ist, deren Schicksale er in den einzelnen Kapiteln dokumentiert hat.
Lucy und ihre Mitkämpferinnen haben ein Verfahren zur Aussetzung der Versteigerung des Landes von Carlos Prandi und der sechs Familien durchgesetzt;
Toba betreibt seine Volksküche weiter und lässt sich von Drohungen der Räumung des Landes nicht einschüchtern;
Martìn hat geheiratet, sie haben ein Kind. Seine Angreifer sind noch immer nicht verurteilt;
Colinche und Margarita schicken ihre Kinder zur Schule, arbeiten immer noch als Cartoneros;
Gustavo hat sein Priesteramt niedergelegt, um mit den andern zu kämpfen;
Betriebsleitung und Belegschaft der Fabrik Zanon behaupten sich gegen Räumungsdrohungen und Provokationen;
Claudia und ihre Freunde haben erreicht, dass die Mörder von Darìo und Maximiliano vor Gericht gestellt wurden;
Im Spital kämpfen Silvia und Carola mit denselben Problemen, aber junge Leute veranstalten Kollekten, um ihnen zu helfen.

Der Film schließt mit einer Totale auf dem Gesicht einer jungen, lächelnden Frau aus einer der Gruppen, die sich für das Spital engagieren.

Zum Autor Fernando E. Solanas

Fernando E. Solanas wurde am 16.2.1936 in Buenos Aires geboren. Sein Dokumentarfilm „La hora de los hornos“ (Die Stunde der Hochöfen), 1968, zählt zu den wichtigsten lateinamerikanischen Dokumentarfilmen. Ergänzend zu diesem Film formuliert Solanas ein Manifest: „Kino der Dekolonisierung“.

Vor der Militärdiktatur flieht Solanas ins französische Exil. In „Tango – el exilio de Gardel“ (1985), thematisiert er die Erfahrungen von Gewalt, Diktatur und Exil, ebenso wie in „Sur“ (Süden), dem ersten Film, den er 1988 wieder in Argentinien dreht.

1992 folgt „El viaje“ (Die Reise), der die Identitätssuche eines jungen Argentiniers thematisiert, der auf der Suche nach seinem Vater durch ganz Lateinamerika reist. Von 1993 – 1997 ist Solanas Abgeordneter des argentinischen Parlaments. Die satirische Darstellung von Präsident Menem in „El viaje“ war wohl mit ein Auslöser für das Attentat, bei dem Solanas mehrfach in die Beine geschossen und er so schwer verletzt wurde.

Stichworte

Wirtschaftliche und soziale Folgen des Neoliberalismus am Beispiel Argentiniens, strukturelle und militärische Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, verschiedene Formen des gewaltlosen Widerstandes, Überleben im informellen Markt, Solidarität, Hoffnung wider Resignation, die Aufrechterhaltung menschlicher Würde  unter schwierigsten Umständen.

Solanas selbst sagte über Ziele und Inhalte seines Films:
„In den neunziger Jahren herrschte die Vorstellung vor, dass die Realität nicht verändert werden konnte, dass der neoliberale Weg der einzig gangbare war. Diese defaitistische, verlogene Vorstellung, die alle anderen Erfahrungen außer acht lässt, senkte sich tief in die Herzen von Millionen von Menschen. Aber dann geschah es, dass Tausende von Initiativen, von einzelnen und von ganzen Gruppen bewiesen, dass eine andere Realität möglich war. In meinem Film wollte ich zeigen, wie durch solche solidarischen, alternativen Projekte die Welt verändert werden kann.“

Didaktische Hinweise

Wie schon der erste Film der Tetralogie Solanas über Ursachen und Folgen der argentinischen Krise, „Chronik einer Plünderung“,  ist auch der zweite Film, „Die Würde der Namenlosen“, in verschiedenen Kapiteln  aufgebaut. Jedes Kapitel illustriert eine andere Form von Durchhaltewillen und  Widerstand. Die meisten Ereignisse fanden im Lauf des Jahres 2002 in Bezirken, den „sog. „Partidos“, von Gran Buenos Aires statt, vor allem im Partido „La Matanza“. Ausnahmen bilden die Geschichte der Bäuerinnen, die in Patagonien den Widerstand gegen die Versteigerung ihres Landes organisierten und diejenige der Besetzung der Fabrik Zanon, ebenfalls in Patagonien. Die einzelnen Geschichten sind sehr dicht erzählt, Schnitte folgen oft übergangslos und es ist empfehlenswert, sie mehrmals anschauen, damit man erfasst, was sich alles abspielt.

Für den Unterricht können auch einzelne Kapitel ausgewählt werden. Der komplexe Hintergrund setzt eine intensive Auseinandersetzung mit den Ursachen der Krise und mit dem Funktionieren des Neoliberalismus voraus. Der Film eignet sich für ältere Schüler und Studenten v.a. in fächerübergreifenden Projekten, in Seminarien etc. zu den Themen Neoliberalismus, Verschuldung, Armut, Solidarität und gewaltloser Widerstand.

Fragen und Anregungen

  • Wie könnte man Armut am Beispiel der Bewohner von Gran Buenos Aires definieren?
  • Warum sind sie arm und bleiben arm?
  • „Nichts ist verloren, wenn man zum Kampf bereit ist,“ sagt Solanas. Diskutieren Sie diese Aussage?
  • Eine Form der Kampfbereitschaft sind die  Piquetes, die oft tagelangen Märsche und Blockaden der Zufahrtsstraßen zum Stadtzentrum.  Warum werden sie so zahlreich organisiert? Was bringen sie den Demonstranten?
  • Kann gewaltloser Widerstand unter allen Umständen gewaltfrei bleiben?
  • Der Film zeigt viele Formen von Solidarität ? Wie äußert sie sich?  Was braucht es, damit die gezeigten Projekte nachhaltig sind?
  • Im Mai 2003 wurde Nestòr Kirchner zum Präsidenten Argentiniens gewählt, im Oktober 2007 wurde seine Ehefrau, Cristina Fernàndez, seine Nachfolgerin. Recherchieren Sie was die Präsidentschaft der beiden Kirchners Argentinien gebracht hat?
  • Konzipieren und diskutieren Sie die wichtigsten Prinzipien für eine zukunftsweisende Sozialpolitik für Argentinien. Was sind die Prioritäten?

Literaturhinweise

Sachbücher

  • Argentinien: Tangotanz auf dem Vulkan. Interne und externe Ursachen der Schuldenkrise, Hg. Südwind; 2004
  • Atlas der Globalisierung, mit CD-ROM; Hrsg.: Le Monde diplomatique, Philipp Rekacewicz, und Ignacio Ramonet, 2007)
  • Eduardo Galeano, Die offenen Aderns Lateinamerikas, Peter Hammer-Verlag  1973
  • Richard Gerster, Globalisierung und Gerechtigkeit, h.e.p. Verlag 2001
  • Naomi Klein, Die Schock-Strategie, 2007
  • Ungleichheit, Rotbuch-Verlag, Hamburg 2001
  • Heinz G. Preusse/ Karsten M. Schlageter, Perspectives of MERCOSUR;

Literarische Werke

  • Martìn Kohan, „Zweimal Juni“, Suhrkamp 2009
  • Raùl Argemi, „Chamäleon Cachio“, Unionsverlag 2008
  • Tomàs Eloy Martìnez, „Der Flug der Königin“, Suhrkamp 2003

Links zu Fernando Solanas

  • www.pinosolanas.com

Medienhinweise

  • Profit, nichts als Profit (Le Profit et rien d’autre). Raoul Peck, Frankreich, Deutschland, Haiti 2001, 57 Min., Doku-Essay (EZEF)
  • Chronik einer Plünderung (Memoria del saqueo). Fernando E. Solanas, Argentinien 2004, 118 Min., Dokumentarfilm (EZEF)

Autorin: Regula Renschler
August 2008