Arbeitshilfe

Sisters in Law

Gerichtsgeschichten aus Kamerun

Dokumentarfilm von Kim Longinotto und Florence Ayisi
Großbritannien, Kamerun 2005, 102 Minuten
Originalfassung Pidgin English, Hausa m. dt. UT

Vorbemerkung

Afrika ist in vieler Hinsicht ein in Europa noch weitgehend unbekannter Kontinent. Kriege und Hungerkatastrophen sind immer wieder Nachrichten-Thema. Aber ob und wie sich demokratische Strukturen in den einzelnen Ländern entwickelt haben, ist in den Medien nur gelegentlich zu erfahren. Kamerun macht da keine Ausnahme. Doch auch für dieses zentralafrikanische Land selbst dürfte es ungewöhnlich sein, mit welcher Entschlossenheit sich in Kumba, einem kleinen Ort im Südwesten, zwei Juristinnen, eine Richterin und eine Staatsanwältin, unter Berufung auf staatliches Recht für Frauen und Kinder einsetzen, die in muslimischer Umgebung Opfer von Gewalt geworden sind.

Kim Longinotto und ihre Co-Regisseurin Florence Ayisi haben fünf Verfahren dieser "Sisters in Law" mit der Kamera begleitet: Eine zwangsverheiratete junge Mutter klagt den eigenen Vater wegen Kindesentführung an. Zwei Frauen, Ladi und Amina, haben ihren Partner bzw. Ehemann verlassen und wollen sich von ihm trennen - eine Herausforderung für die von der Scharia geprägten muslimischen Männer des Ortes, die Frauen ein solches Recht nicht zugestehen. Die Klägerinnen werfen ihren Männern mangelnde Fürsorge und Brutalität bis zur Vergewaltigung vor. Die letzten beiden Fälle liegen einfacher: Eine Heranwachsende wurde von einem ausländischen Nachbarn vergewaltigt, ein kleines Waisenmädchen ist von einer Verwandten als Haussklavin gehalten und misshandelt worden. Viermal kommt es zum Prozess. Er endet jeweils mit der Verurteilung der Täter bzw. der Täterin. Zum Schluss stellt die Richterin Ladi und Amina in einer Mädchenschulklasse als Vorbild für weibliche Zivilcourage vor.

Die DVD enthält die deutsch untertitelte Fassung des englischsprachigen Originalfilms. Ein zweites Mal ist sie in 14 Kapitel unterteilt, die sich einzeln abrufen lassen. Zusätzlich gibt das Bonusmaterial einen Eindruck von der Premiere des Films beim Festival in Cannes 2005 und den Trailer wieder.

Inhalt

Die fünf Geschichten sind so, wie die Verfahren in einzelnen Schritten aufeinander folgen, ineinander verwoben.

1) Eine namentlich nicht genannte junge Frau ist gegen ihren Willen von den Eltern gegen eine beträchtliche Geldsumme, ein Schwein und Geschenke an einen Mann übergeben worden. Die versprochene Heirat fand allerdings, wie die Richterin Vera Nkwate Ngassa herausfindet, weder nach staatlichem Recht, noch der Tradition gemäß statt. Nachdem die schlecht behandelte junge Mutter ins Elternhaus zurückgekehrt war, hat der Mann sein Kind zurückverlangt, und der Großvater hat eine Gelegenheit genutzt, ihm diesen Wunsch heimlich zu erfüllen. Kindesentführung gilt als schweres Delikt, wie die Richterin den Männern klarmacht. Die junge Frau, die "keinen Ärger" will, verlangt nur die Trennung sowie ihr Kind zurück und verzichtet auf ihre Klage.

2) Amina ist schon mit 14 Jahren verheiratet worden. In ihrer langjährigen Ehe ist sie von ihrem Mann immer wieder misshandelt worden. Nach der jüngsten Attacke, kurz nach der Geburt des vierten (fünften?) Kindes, ist sie mit dem Baby für neun Monate zu Freunden geflüchtet und hat als Gegenleistung für sie gearbeitet. Sie verweigert die Rückkehr aus Angst, ihr Mann würde sie totschlagen und fordert die Ehescheidung. Bei der Anhörung vor Gericht bezeichnet der Mann alle Anschuldigungen als Verleumdung, fragt aber auch: "Würde ich sie grundlos schlagen?". Auch sein Zeuge, ein Freund, der für ihn arbeitet und die beiden angeblich seit 18 Jahren kennt, spricht von einer "glücklichen Ehe" und wundert sich, dass Amina ihn nie um Hilfe gebeten habe. Bei einem Familientreffen wird die junge Frau gedrängt, es mit ihrem Mann "noch einmal zu versuchen", und, als sie nicht einwilligt, zumindest ihre Klage zurückzuziehen ("Wenn dein Mann verurteilt wird, müssen wir alle leiden"). Sie scheint zunächst nachzugeben. Es wird beschlossen, die Heiratsurkunde der Richterin zu übergeben, damit sie zerrissen wird. Die Anwältin, die Amina begleitet, rät ihr jedoch, standzuhalten: "Kein Gericht schickt dich zurück in den Tod." Sie ermutigt Amina, bei der Anhörung durch die Richterin Beatrice Nambangi Ntuba alle Fakten der ehelichen Misshandlungen auf den Tisch zu legen: Der Mann hat Amina immer wieder verprügelt, ihr sogar in die Hand gebissen und die Tür eingetreten, als sie sich ihm verweigert hatte. Auch eine Gerichtsbeamtin stärkt ihr den Rücken: "In unserer Gesellschaft sind die Männer immer noch brutal. Sie kennen die Gesetze nicht. Sie denken, die Frauen sind nichts. Sie sind wie ein Fußball zum Kicken... Das wollen wir beenden." In der Hauptverhandlung, in der Vera Ngassa als Staatsanwältin auftritt, gibt der Ehemann die Schläge schließlich zu und betont, er habe seiner Frau aber auch Medizin gegeben. Amina sei geschwätzig und habe ihn provoziert. Die Richterin spricht ihn schuldig und verhängt eine Geldstraße von 20 000 Francs, ersatzweise sechs Monate Gefängnis mit Zwangsarbeit. Für Aminas Scheidung ist das Zivilgericht zuständig, das aus muslimischen Männern besteht. Noch einmal kommen die Taten des Mannes zur Sprache, wieder wird die Frau bedrängt, zu ihrem Mann "auf Probe" zurückzukehren. Als sie erneut ablehnt, versuchen Schöffen, sie einzuschüchtern: "Sie können uns nicht Ihren Willen aufzwingen. Unser Wort gilt! Gehen Sie zwei Wochen zurück." Offenbar ein schlechter Scherz, denn dann hört man Lachen: "Er würde sie aufbrechen." Als Amina unterschreiben muss, fragt jemand spöttisch, ob sie ihren Namen schreiben könne. Unmittelbar danach erklärt der Gerichtsvorsitzende, ein älterer Mann, der sich stets sachlich verhalten hat, dass der Fall zweifelsfrei bewiesen sei und der Scheidung stattgegeben werde: "Fühlen Sie sich frei! Genau das möchte Kamerun. Jeder soll sich frei fühlen."

3) Auch Ladi wurde als junges Mädchen verheiratet, allerdings  nach islamischem Ritus ohne Heiratsurkunde mit einem älteren Mann, der als "Reverend" angesprochen wird. Auch er hat sie schlecht behandelt und geschlagen. Im Streit hat er ihre Kleider und die der gemeinsamen Kinder verbrannt. Sein Anwalt, der bei der Anhörung sehr arrogant auftritt, wirft Ladi böswilliges Verlassen vor. Ladi war mit den Kindern zu ihrer Schwester geflüchtet. Der Angeklagte betont, dass die Frau nach dem Recht der Scharia das Haus nicht ohne Einwilligung des Mannes verlassen darf. Zudem soll sie seither ein "liederliches Leben" geführt und Ehebruch begangen haben. Als die Staatsanwältin Ngassa Beweise verlangt, wird der Mann kleinlaut und beginnt zu weinen. Nun behauptet der Anwalt, sein Mandant habe seine Lektion gelernt und verdiene Bewährung: "Lassen Sie Erbarmen aus Ihrer goldenen Feder fließen." Die Richterin Ntuba bleibt jedoch hart. Der Mann wird zu insgesamt acht Monaten Gefängnis mit Zwangsarbeit oder 70 000 Francs Strafe verurteilt. (Offenbar ist die Ehe damit zugleich aufgehoben.)

4) Im Prozess der heranwachsenden Sonita, bei dem Vera Ngassa sich um Aufklärung bemüht, steht Aussage gegen Aussage. Das noch kindliche, körperlich unterentwickelte Mädchen schildert, dass es von dem aus Nigeria zugewanderten Nachbarn gebeten wurde, für ihn einzukaufen. Nach der Rückkehr des Mädchens vergewaltigte er es so brutal, dass es im Krankenhaus genäht werden musste. Der Angeklagte hingegen leugnet die Gewalt. Er behauptet, er habe in der Bibel gelesen, als das Mädchen Sex verlangt habe. Als er merkt, dass er damit niemand überzeugen kann, bittet er mit dem Hinweis, er sei als Waise aufgewachsen, um Mitleid und um Vergebung. Er wird zu neun Jahren Haft mit Zwangsarbeit und anschließender Ausweisung verurteilt.

5) Die kleine Manka, die mit sechs Jahren viel jünger wirkt, hat sich wie ein "Geisterkind" in die Presbyterianische Kirche geflüchtet, nachdem sie von ihrer "Tante" verprügelt worden ist. Vor Gericht wird im Beisein der angeklagten Lum Rose, einer Geschäftsfrau, gezeigt, dass Rücken und Beine des Kindes von Narben gezeichnet sind, auch ein Augenlid ist verletzt. Vor den Schlägen mit einem Kleiderbügel hatte die Frau das Mädchen noch mit Pfeffer eingerieben. Das jüngste Vergehen des Kindes: Es war zum Broteinkauf geschickt worden und hatte stattdessen ferngesehen. Auch die mitangeklagte Tochter der Frau muss zugeben, dass sie Manka geschlagen hat. Bei Besuchen des Filmteams in der Familie werden verwickelte Verhältnisse aufgedröselt. Ein Bruder der verstorbenen Mutter hatte Manka aufgenommen. In seiner Abwesenheit war jedoch die Stiefschwester von Mankas Mutter, jene "Tante", aufgetaucht. Mit der Behauptung, ihr sei das Mädchen versprochen worden, hatte sie das Kind mitgenommen und als Haussklavin benutzt. In die Familie zurückgekehrt, lebt Manka sichtlich auf. Wegen der verweigerten Rückgabe des Kindes, der Folter und des Missbrauchs als Haushaltshilfe wird Lum Rose zu insgesamt drei Jahren Haft verurteilt. Ins Staatsgefängnis von Kumba wird die Frau vom Filmteam begleitet. Sie ist geschoren und packt weinend ihre Tasche aus. Die Wärterin beruhigt sie ("Wir hassen Sie nicht. Wir sind Menschen, keine Tiere") und stellt ihr in Aussicht, dass sie bei guter Führung vorzeitig entlassen werden könne.

In der Schluss-Sequenz präsentiert Vera Ngassa einer Schulklasse die beiden Protagonistinnen als nachahmenswertes Vorbild. Nicht zuletzt dank ihrer Zivilcourage seien die Gesetze vor kurzem geändert worden. Endlich sei ein Tabu gebrochen. Das Urteil beweise: Jetzt könnten sich Frauen gegen eheliche Gewalt wehren.

Hintergrund - das Land

Das zentralafrikanische Land Kamerun liegt am Atlantischen Ozean. Es grenzt im Norden an den Tschadsee und hat insgesamt nicht weniger als sechs Landesnachbarn. Die Hauptstadt ist Jaoundé. Das geografisch und klimatisch abwechslungsreiche Land mit einer Fläche in der Größe von Schweden gilt wegen seiner Vielfalt als "Afrika im Kleinen". Die 18,8 Millionen Einwohner zählende Bevölkerung ist in 286 verschiedene Volks- und Sprachgruppen aufgesplittert. Die wichtigste Amtssprache ist Französisch (80 Prozent), gefolgt von Englisch (20 Prozent). Lingua Franca ist Pidgin-Englisch.

Im Ersten Weltkrieg wurde das ehemals deutsch verwaltete Gebiet unter Franzosen und Engländern aufgeteilt. 1961 wurde die Bundesrepublik Kamerun als unabhängiger Staat ausgerufen. Seit 1972 ist das Land Präsidialrepublik, seit 1982 wird es von Staatspräsident Paul Biya regiert, der auch für 2011 seine Wiederwahl anstrebt. Nach blutigen Unruhen wurde 1990 ein Mehrparteiensystem eingerichtet, 1992 gab es die ersten freien Wahlen, allerdings nicht ohne den Vorwurf von Wahlfälschungen. 1995 wurde das Land Mitglied des Commonwealth. Das Rechtssystem ist nach französischem Vorbild aufgebaut, berücksichtigt bei kleineren Vergehen aber auch mündlich überliefertes traditionelles Recht.

Zu den Errungenschaften des Landes zählt die gesetzlich verankerte Religionsfreiheit. Rund 40 Prozent der Bevölkerung gehören christlichen Religionen an, die Mehrzahl ist katholisch. Rund 30 Prozent sind Anhänger von Naturreligionen, etwa 20 Prozent Muslime, vorwiegend im Norden. Nach Angaben des Evangelischen Missionswerks in Deutschland (EMW) nimmt der Islam "weitgehend an der ökumenischen Zusammenarbeit teil". Dagegen wenden sich die vermehrt einwandernden Pfingstkirchen ebenso wie ein "reiner Islam", der von jungen Kamerunern unterstützt wird, die im Ausland studiert haben.

Eins der größten Probleme des Landes ist die weit verbreitete Korruption, vor allem der Staatsbediensteten. Hinzu kommt die große Arbeitslosigkeit, die vor allem jungen Menschen, auch solchen mit Ausbildung, die Zukunft verbaut. Fast zwei Drittel der Bevölkerung ist unter 25 Jahre alt. Die Hoffnungslosigkeit der Jugendlichen führt zu Gewalt und verstärkt den Wunsch nach Auswanderung.

Regie und Gestaltung

Kim Longinotto, 1952 in London geboren, begann 1979 Dokumentarfilme als Regisseurin und Kamerafrau zu drehen und gründete 1986 eine Produktionsfirma, um eigene Projekte verwirklichen zu können. Ihr bevorzugtes Thema sind Frauenprobleme, unter anderem in Japan, Iran und zuletzt in Kenia. Dort verfolgte sie eine Beschneidung und einen Prozess, bei dem 16 Mädchen ihre Eltern wegen dieses Verbrechens vor Gericht brachten ("The day I will never forget", 2001). Kurz darauf lernte Kim Longinotto die Dokumentarfilmerin Florence Ayisi kennen. Sie begleitete sie bei einer Recherche-Reise in deren Heimatstadt Kumba und besuchte die Richterin Beatrice Ntuba, eine ehemalige Kommilitonin von Florence. Ein gemeinsames Filmprojekt scheiterte jedoch, weil das belichtete Material im internationalen Flughafen von Douala verloren ging. Daraufhin kehrten die beiden Regisseurinnen mit ihrer Tontechnikerin Mary Milton nach Kumba zurück.

Schon zuvor waren die Frauen Vera Nkwate Ngassa begegnet, der Vorsitzenden Richterin des Obersten Zivilgerichts in Kamerun, die in Kumba als Staatsanwältin arbeitet. Die verheiratete Juristin, Mutter und Adoptivmutter von insgesamt fünf Kindern, ist Mitglied internationaler Organisationen und gesetzliche Beraterin in Gleichstellungsfragen. Wie sie ist auch Beatrice Nambangi Ntuba sowohl als Richterin als auch als Staatsanwältin ausgebildet und ähnlich international engagiert. Der Film zeigt aber auch andere Frauen, eine Rechtsanwältin und eine Art Gerichtsfürsorgerin, die Frauen, die eine Klage einreichen, betreuen und ihnen Mut zusprechen. Die Männer im Gerichtsgebäude sind vorwiegend in dienender Funktion, etwa beim Ausfegen, zu sehen.

Der Film verzichtet auf jeglichen Kommentar und klinkt sich in den normalen Ablauf von Anhörungen und Gerichtsverfahren ein, unterbrochen von kurzen Ausflügen in die Lebenswelt der Frauen bzw. der prozessbeteiligten Kinder, einem Ort mit dörflichen Hütten und schlammigen Wegen. Die Personen zu identifizieren und auseinanderzuhalten, ist für ein europäisches Publikum mühsam. Auch das für deutsche Verhältnisse ungewohnte französische Gerichtsprozedere ist schwer zu durchschauen. Deutlich wird jedoch sowohl an den Erwachsenen wie auch an den Kindern, dass die Anwesenheit des kleinen Filmteams ermutigend wirkt, obwohl es "unsichtbar" bleibt und den Verfahrensgang erstaunlicherweise nicht zu stören scheint.

Zum Einsatz des Films

Mit der Begleitung von fünf Verfahren wollten die Regisseurinnen offensichtlich zeigen, dass Mädchen und Frauen jeden Alters durch Gewalt gefährdet sind. Soll der Vorführung des sehr langen Films ein ausführliches Nachgespräch folgen, ist es ratsam, sich auf bestimmte Kapitel zu beschränken. So könnte auf den Prozess gegen den Vergewaltiger aus Nigeria verzichtet werden. Es wird nicht klar, warum er nach Kamerun gekommen ist und was er hier macht. Auch die Frage, ob es Fremdenfeindlichkeit gibt, wäre hier zu stellen.

Mankas Geschichte ist von Interesse, wenn man Näheres über familiäre Strukturen und Solidarität in Kamerun erfahren will. Dass der Gemeinsinn Lücken hat, wird deutlich, wenn die Familie offenbar nicht nachforscht, was aus Manka geworden ist. Erst als das misshandelte Kind sich, sichtlich traumatisiert, zu einer kirchlichen Gemeinde flüchtet, findet es Hilfe. Offen bleibt, ob es tatsächlich zur Schule gegangen ist und warum die Misshandlungsspuren so lange unentdeckt geblieben sind. Nur in dieser Episode des Films treten auch fürsorgliche Männer in Erscheinung, so der Vertreter der Kirche und Mankas Onkel.

Frauengruppen werden sich vorrangig mit dem Schicksal der drei Frauen befassen wollen. Vor allem die Lebensgeschichte von Amina und Ladi wird im Film ausführlich behandelt.

Film-Kapitel "Sisters in Law"

Unter dem Menupunkt „Kapitel“ ist der Film in 14 Kapitel unterteilt, die jedoch nur durchnummeriert sind. Dies sind jeweils Einstiegspunkte, von denen ab der Film dann einfach weiterläuft.

Zur leichteren Orientierung, falls einzelne Passagen ausgewählt oder wiederholt werden sollen, sind hier die Einstiegspunkte der jeweiligen Kapitel vermerkt:

Kapitel 1: 00’00’’ (Min/Sek)
Kapitel 2: 05’35’’
Kapitel 3: 10’42’’
Kapitel 4: 18’03’’
Kapitel 5: 27’05’’
Kapitel 6: 34’58’’
Kapitel 7: 45’55’’
Kapitel 8: 50’53’’
Kapitel 9: 56’42’’
Kapitel 10: 1 04’52’’ (Stunde/Min/Sek)
Kapitel 11: 1 11’02’’
Kapitel 12: 1 20’22’’
Kapitel 13: 1 28’16’’
Kapitel 10: 1 38’48’’

Zur Diskussion - Anregungen zum Gespräch

Schon in der ersten Episode wird deutlich, dass Eltern ihre Töchter wie eine Ware verhökern, um sich selbst dabei zu bereichern. Die verhängnisvollen Folgen der muslimischen Tradition, Mädchen unmittelbar nach Beginn der Pubertät zu verheiraten, ist auch Thema eines Gesprächs unter Nachbarinnen unmittelbar nach dem ersten glücklichen Prozessausgang. Im Beisein von Amina schildert Ladi ihre anfängliche Begeisterung, ihre Ahnungslosigkeit und das böse Erwachen. Amina klagt, dass Eltern bisher die Bildung der Mädchen egal war. Jetzt will sie für die Rechte ihrer Kinder, auch der Töchter, kämpfen. Schon zuvor hatte Ladi ihrer Anwältin erklärt, dass ihre Kinder jetzt nachmittags - offenbar zusätzlich - in der islamischen Schule Arabisch lernen, damit sie beten können. Die Schulbücher muss ihr Mann bezahlen. - "Du hast uns die Augen geöffnet", sagt eine der Frauen beim Treffen nach dem zweiten Prozess zu Amina. Das Urteil wird als "klare Botschaft an die Männer" gesehen, dass sie Frauen nicht mehr als Eigentum betrachten und nach Belieben behandeln dürfen. "Wir wissen jetzt Bescheid. Wir sind wachsamer."

Die im Film geschilderten Lebensverhältnisse mögen fremd anmuten. Dass Söhne eine bessere Ausbildung bekommen sollten, war aber noch vor wenigen Jahrzehnten auch in Deutschland eine weit verbreitete Meinung. Vor allem bei beschränkten finanziellen Verhältnissen hieß es noch in den 50er und 60er Jahren für die Töchter: "Du heiratest ja doch." Erst unter dem Einfluss des Rufs nach Emanzipation in den 70er Jahren änderte sich das Ehe- und Familienrecht. Inzwischen nötigt vor allem das Scheidungsrecht auch Frauen zur Berufstätigkeit. Mütter müssen dabei (ebenso wie alleinerziehende Väter) jedoch nach wie vor mit Benachteiligungen und einem Karriereknick rechnen. Der Grundsatz, "Männer und Frauen haben gleiche Rechte", der im Gerichtssaal von Kumba vertreten wird, hat sich auch hierzulande keineswegs überall durchgesetzt. Die Erfahrung von Vera Ngassa, dass geschlagene Frauen häufig einen Rückzieher machen, wenn es um die Anklage geht, ist in deutschen Frauenhäusern nicht unbekannt.

Amina bekennt vor dem Zivilgericht, ohne die Unterstützung durch die "Women Lawyers Association" hätte sie nicht weitergewusst. Leider ist über diese Organisation und ihre Reichweite in Kamerun im Film nichts zu erfahren. Wahrscheinlich könnten die "Sisters in Law", Vera Ngassa und Beatrice Ntuba, nicht in allen Teilen des Landes so engagiert auftreten. Das großspurige Auftreten des Verteidigers, sein unmotiviertes Lachen, ist vermutlich mit Unsicherheit gegenüber solchen Juristinnen (wie wohl auch gegenüber dem Filmteam) zu erklären. Amina fühlte sich vor allem, als es um ihre Scheidung ging, wie Kim Longinotto im Interview mitteilte, bereits durch die bloße Anwesenheit der Filmemacherinnen, die sie "sicher auf ihrer Seite wusste", ermutigt. Ohne Solidarität, ohne die gegenseitige Unterstützung, auch durch Menschen und Organisationen, die Autorität und Macht verkörpern, hat der/die Einzelne wenig Chancen, Traditionen und festgefahrene Verhaltensweisen aufzubrechen. Das ist die Botschaft des Films. Die Zivilcourage der Frauen, trotz so vieler Widerstände die vorhandenen Gesetze zu nutzen, ist der erste Schritt zur Veränderung - überall in der Welt.

Literatur

  • Themenheft "Kamerun" mit 20 Extraseiten zum Weltgebetstag, Eine Welt, Magazin aus Mission und Ökumene (EMZ), Heft Nr. 4 /Juli-August 2009
  • Katja Wiederspahn, Beitrag „Großbritannien: Kim Longinotto“ in: Poeten, Chronisten, Rebellen – Internationale DokumentarfilmemacherInnen im Porträt, S. 138 – 145; Hrsg.: Verena Teisll / Volker Kull, Schüren Verlag 2006,

Medienhinweise

  • Moolaade – Bann der Hoffnung
    Ousmane Sembène, Senegal, Kamerun, Marokko, Tunesien, Frankreich 2004, 120 Min., Spielfilm, Bezug: EZEF
  • Faat Kine
    Ousmane Sembène, Senegal 2000, 120 Min., Spielfilm
    Bezug: EZEF
  • Ferien in der Heimat (Vacances au pays)
    Jean-Marie Téno, Kamerun/F/D 2000, 75 Min., Dokumentarfilm
    Bezug: EZEF
  • Scheidung auf iranisch (Divorce Iranian Style)
    Kim Longinottound Ziba Mir-Hosseini, Großbritannien, Iran 1998, 54 Min., Dokumentarfilm
    Bezug: EZEF

Autorin: Dorothea Schmitt-Hollstein
Januar 2010