Arbeitshilfe

Sklavenarbeit für unseren Fortschritt

Eine Reportage von Tilman Achtnich
Deutschland 2012, 45 Minuten

Inhalt

Sie sind bei uns in jedem modernen Haushalt zu finden, in jedem Mobiltelefon, in der Waschmaschine, der Unterhaltungselektronik oder im Auto: seltene metallische Rohstoffe wie Zinn und Zink, Wolfram, Coltan, Tantal oder Gold, ohne die heute nichts mehr geht. Ganz materiell stehen sie auch für unseren technologischen und wirtschaftlichen Fortschritt. Woher diese Rohstoffe kommen und unter welchen Arbeitsbedingungen diese beispielsweise in Südamerika oder in Afrika abgebaut werden, ist dem Endverbraucher in aller Regel nicht bekannt. Selbst die Produzenten der Waren können darüber bisher kaum Auskunft geben – selbst wenn sie wollten.
In seiner Dokumentation begibt sich der Filmemacher Tilman Achtnich weltweit auf Spurensuche, um exemplarisch die gesamte Produktionskette vom Abbau der Metalle in den Minen bis zum Recycling des Elektronikschrotts zu erfassen. Der Fokus liegt dabei auf den unsäglichen Arbeitsbedingungen von Millionen Bergleuten in den Minen, die nicht selten eine Form moderner Sklaverei erkennen lassen, aber auch auf möglichen Ansätzen, diese Arbeitsbedingungen zu verbessern und mehr Druck und Kontrolle auf diejenigen auszuüben, die damit ihr Geld verdienen. Der deutsche Endverbraucher, exemplarisch im Film anhand einer Vorzeigefamilie aus dem „Ländle“, wird insofern selbst in die Pflicht genommen, als er nicht mehr darüber hinwegsehen darf, woher wir unseren Wohlstand beziehen und wie wir durch Forderungen an die Industrie nach einem transparenten Herkunftsnachweis der Rohstoffe – ähnlich wie beim Kaffee – darauf einwirken können, dass den Arbeitern in Zukunft wenigstens faire Preise und faire Löhne gezahlt werden.
Für seine Recherchen hat Achtnich mehrere Auslandsreisen unternommen und unter gefährlichen Umständen unmittelbar vor Ort mit den Minenarbeitern und ihren Familien gesprochen. Sie führten ihn nach Bolivien in die Wolfram-Mine Bolsa Negra, 4300 Meter über dem Meer, in die Goldstadt Kamituga in den Kivu-Bergen im Osten des Kongo, in die Provinzhauptstadt Bukavu, dem Hauptumschlagsplatz für Zinn und Tantal im Kongo, in die Casserit- und Tantal-Mine Kalimbi im Südkongo und in die bolivianische Zink-Mine Mina Milluni. Es kommen aber auch deutsche Experten zu Wort, insbesondere Dr. Frank Melcher von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover, der Geologe Uwe Näher, der im Kongo Rohstoffe aus der Illegalität holen soll, und Prof. Stefan Gäth von der Elektronikschrottverwertung ZME in Gießen.

Filmische Umsetzung; Würdigung und Kritik

Die für die ARD-Reihe „Die Story im Ersten“ vom SWR produzierte Dokumentation wurde am Montag, den 10. September 2012 erstmals ausgestrahlt. Dem Sendeformat von knapp 45 Minuten und einer klassischen Fernsehdramaturgie entsprechend, lässt sich der Film nicht mit einem Kinodokumentarfilm vergleichen, der für die große Leinwand bestimmt ist.
SKLAVENARBEIT FÜR UNSEREN FORTSCHRITT ist in seiner Struktur klar aufgebaut und in seiner Argumentationslinie gut nachvollziehbar. Die auf visueller Ebene wiederholt aufgegriffene Beziehung zwischen der heimischen Techniknutzung und den mehr als fragwürdigen Arbeitsbedingungen beim Abbau der dafür benötigten Rohstofferze in „armen“ Ländern durch Menschen, die diese Arbeit nur selten freiwillig und oftmals unter sklavenähnlichen Abhängigkeitsstrukturen durchführen, aber auch die unsichtigen Verhältnisse in Handel und Vertrieb werden konsequent verfolgt. Zur Visualisierung des „Innenlebens“ der elektronischen Geräte und ihrer Bauteile, in denen seltene metallische Rohstoffe zum Einsatz kommen, dienen computeranimierte Grafiken, die an technischer Brillanz keine Wünsche offen lassen. Auch die Übergänge zwischen den Einstellungen und Szenen sind technisch anspruchsvoll gestaltet und mit kurzen Überblendungen, blitzlichtartigen Aufblenden und überraschenden Wischblenden versehen.
Alle Einstellungsgrößen der Kamera werden zweckorientiert eingesetzt, von Supertotale-Impressionen einer imposanten unberührten Gebirgslandschaft, die zur Übersicht und Orientierung dienen, über Halbtotale – und Halbnaheinstellungen von Arbeitsabläufen bis hin zur Großaufnahme von Gesichtern der Interviewpartner und zur Detailaufnahme. Letztere beide sind für das Bildschirmformat besonders gut geeignet, etwa die Lupenbegutachtung einer Gesteinsprobe oder ein Daumen, der eine SMS auf einem Smartphone tippt. In manchen Szenen ist die Kamera wie in einem Abenteuerfilm hautnah dabei, etwa wenn die Bergleute sich durch einen engen Stollen zwängen oder sie das Gestein mit Hammer und Pickel ohne den Einsatz von Maschinen aus dem Berg schlagen. Ein geheimnisvolles blaues Licht im Stollen sorgt für etwas Faszination und Spannung, unterstreicht zugleich die Bewunderung für diese wagemutigen Menschen.
Jede interviewte Person kommt bei besonders prägnanten Aussagen auch im O-Ton zu Wort, wobei dieser mit deutschem Voice-over versehen ist. Der ausführliche, von Patrick Blank gesprochene Kommentar fasst wichtige Informationen kurz zusammen. Er dient nicht nur dem besseren Verständnis der Sachverhalte, Erlebnisse und Erfahrungen. Im Sprachduktus ist er didaktisch, mit kurzen Wortpausen und Nachträgen einzelner Satzteile. Das soll die Aufmerksamkeit beim Zuhörer fördern und möchte ihn zum Nachdenken anregen. Ein Beispiel: „Wir Deutschen wollen das Problem anders lösen – kein Gesetz – aber kontrollierter Bergbau – in Zukunft.“
Die Dokumentation lässt keinen Zweifel, dass sie mit großem Engagement und den besten Absichten zusammengestellt worden ist. Allerdings verwundert die permanente positive Hervorhebung der deutschen Maßnahmen und Leistungen bei der Behebung oder Minimierung der vorhandenen Probleme („wir Deutschen!“) und regt unter Umständen zum Widerspruch an. Und die ausgewählten Bilder zeigen vieles nicht, was manchmal im Kommentar kurz erwähnt wird. Einige Szenen sind nur schwer einzuordnen, etwa wenn die Dorfbewohner sich zwar kaum etwas leisten können, dann aber ausgerechnet beim Fleischverkäufer um den Preis handeln, oder wenn der Arbeiter eines chinesischen Handelsunternehmens vor der Kamera gegen die Rechtslage verstößt und unklar ist, wie diese Aufnahmen entstanden sind. Durchaus kritisch weist der Filmemacher im Kommentar dann wieder darauf hin, dass die Minenarbeiter und Dorfbewohner an einer für sie möglichst vorteilhaften Darstellung ihres Alltags interessiert waren, etwa wenn es um Kinderarbeit ging. Sobald die Kameras anrückten, wurden die „vielen kleinen Mädchen“, die natürlich mit für den Lebensunterhalt der Familie sorgen müssen, einfach weggeschickt.
So oszilliert der Film zwischen einem nicht konsequent durchgehaltenen investigativen Journalismus und einer objektiv informieren wollenden TV-Reportage. Diese ist in jedem Fall aufschlussreich und sie regt zum Nachdenken und zum eigenen Handeln an. Da der Film in seiner Kürze ohnehin nicht alle ökonomischen und politischen Aspekte der sehr komplexen Thematik streifen kann, zählt allein die Frage, wie wir als aktive und kritische Zuschauer mit den gewonnenen Informationen umgehen.

Themen und Hintergrundinformationen

Von den vielen im Film angesprochenen Themen in der langen Produktionskette vom Abbau der Erze bis zum fertigen Elektronikgerät und weiter zum Recycling steht die Sklavenarbeit der Minenarbeiter, die dem Film seinen Titel gab, an erster Stelle. Nach der allgemeinen Definition der Vereinten Nationen bedeutet Sklaverei „die Rechtsstellung oder Lage einer Person, an der einzelne oder alle der mit dem Eigentumsrecht verbundenen Befugnisse ausgeübt werden“. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), die regelmäßig Statistiken über heutige Sklaverei herausgibt, ging zuletzt von 21 Mio. modernen Sklaven weltweit aus. Im Oktober 2013 veröffentlichte die australische NGO Walk Free Foundation (WFF) eigene Forschungsergebnisse und kam auf knapp 30 Millionen moderne Sklaven, die in Minen, auf Baustellen, in der Landwirtschaft oder als Sexsklaven arbeiten, ausgebeutet und manchmal auch gefangen gehalten werden. Zu den modernen Formen der Sklaverei zählen Schuldknechtschaft, Zwangsheirat, Menschenhandel und Ausbeutung von Kindern. Nicht nur bei der ILO und beim WFF mag es unterschiedliche Auffassungen darüber geben, wann es sich im konkreten Fall um eine Form moderner Sklaverei handelt. Für Tilman Achtnich, dem Autor des Films, ist die Sache eindeutig. Er spricht von Sklavenarbeit und die Betroffenen tun es auch.

„Wir sind Sklaven unserer Armut“

So formuliert es ein Bergarbeiter aus der Mine von Bolsa Negra in Bolivien. Schon Ernesto „Che“ Guevara hatte diese Mine, noch bevor er zum „Revolutionär“ wurde, einst auf seiner Bolivienreise besucht und die Ausbeutung der Menschen durch die USA angeprangert, die diese Rohstoffe benötigten. Allzu viel hat sich seitdem offenbar nicht geändert. Die Wolfram-Mine gehört zwar dem bolivianischen Staat, doch der hat kein Geld, um sie zu sanieren und Maschinen anzuschaffen. Daher wird der Kooperative, der Christina Aruquipa und Mario Quispe angehören, erlaubt, auf eigene Rechnung das Erz abzubauen. Frei sind sie deshalb noch lange nicht und auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen, dass sie immer wieder Glück haben und genug von dem begehrten Metall aus dem Berg holen. Da die Nachfrage von Wolfram stark gestiegen ist, treibt es Millionen Menschen weltweit in solche kleinen Minen, heißt es im Kommentar. Sie kämpfen ums nackte Überleben, ohne Umweltschutz und Sicherheit, ohne feste Löhne. Die Zwischenhändler und die Industrie profitieren von diesen Menschen, denn dort bekommen sie die Rohstoffe weitaus billiger als bei den großen modernen Bergwerken, die in Sicherheit investierten und feste Löhne zahlen. Der Weltarbeitsorganisation zufolge arbeiten weltweit schätzungsweise 100 Millionen Menschen in solchen kleinen Bergwerken. Zumindest denen in Bolsa Negra bleibt trotzdem nicht einmal genug fürs Leben, wie der Film anschaulich vermittelt. Alle leisten in der großen Höhe, die dem Gipfel des Matterhorns entspricht, Schwerstarbeit. Viele haben durch die feuchtkalte Witterung Rheuma und Erkältungen, aber nicht das Geld für Arzneien. So kauen sie Cocablätter und die Männer trinken etwas Schnaps, auch zur Desinfektion. Freiwillig arbeiten die wenigsten in der Mine. Nachdem Christina Aruquipa von ihrem Mann verlassen wurde, hatte sie keine andere Wahl, als diese harte Arbeit anzunehmen, um ihre fünf Kinder durchzubringen.
Was deutsche Verbraucher dazu beitragen können, um die Arbeitsbedingungen dieser Minenarbeiter zu verbessern, erklärt der Film an dieser Stelle noch nicht. Stattdessen plädiert er dafür, dass wir wissen sollten, woher das Material in unseren Mobiltelefonen kommt, damit wir dann mitentscheiden können, ob das Material aus einer nachhaltigen Produktion stammt oder nicht. Das würde unser Gewissen sicher beruhigen, aber hilft es auch den Minenarbeitern vor Ort, die dringend auf den Gelderwerb angewiesen sind?

„Ich versinke immer mehr in den Schulden“

So schwer die Arbeitsbedingungen bei den Minenarbeitern in den bolivianischen Anden auch sein mögen, es geht offenbar noch schlimmer, etwa in der Goldstadt Kamituga in den Kivu-Bergen im Osten des Kongo. Das Land ist mit Bodenschätzen reich gesegnet, aber davon profitieren die Einwohner am allerwenigsten, denn die Demokratische Republik Kongo ist vom Krieg zerrüttet und belegt mit Platz 187 den letzten auf der Wohlstandsskala der Vereinten Nationen. Leider verschweigt der Film an dieser Stelle, dass die kanadische Bergbaugesellschaft Banro vom Bergbauminister in Kinshasa schon vor Jahren das Land und die Schürfrechte für vier Goldminen gekauft hat, für nur vier Millionen Dollar! Auf der Website des Unternehmens ist nachzulesen, dass die bisher nachgewiesenen Vorkommen deutlich über 8 Mio. Unzen betragen, was einem Wert im zweistelligen Milliardenbereich entspricht. Allein die von den Filmemachern besuchte, relativ kleine Kamituga-Mine wird einem Spiegel-Bericht zufolge auf einen Wert rund 1,5 Milliarden Dollar geschätzt. Vor diesem Hintergrund erscheint es dann nicht mehr ganz so generös, dass Banro bislang noch den illegalen Abbau durch Tausende von privaten Goldgräbern duldete. Der erfolgt wie vor 2000 Jahren in völlig ungesicherten Stollen, die jederzeit einstürzen können. Von dem, was die Goldgräber dann ohne Maschineneinsatz aus dem Berg holen, bleibt ihnen nicht viel übrig. Clément Valuna, mit 50 Jahren der älteste Goldgräber in der Grube, erklärt das folgendermaßen: „Wir müssen so viele willkürliche Abgaben zahlen, an die Leute vom Staat, die Soldaten, an den Boss, die Grubenverwalter, die Sicherheitspolizei, erfundene Abgaben. Wir sind arme Schweine, ich zahle und zahle ans Militär.“ Seine Aussage deckt sich voll und ganz mit den Recherchen auf Spiegel online: „Die Herren des Areals sind erfinderisch: eine Steuer für den Zugang zum Gelände, eine Abgabe für die Mine, eine Gebühr für den Landbesitzer. Eine sogenannte Energiesteuer kommt hinzu, auch wenn es keinen Strom gibt. Stattdessen gibt es eine Abgabe für den unsichtbaren Chef, eine für die Polizei, eine fürs Militär. Tag für Tag. Selbst Kinder und Frauen, die in den Flüssen den Sand sieben, werden zur Kasse gebeten.“
Das mehrfache Abkassieren hat oft dramatische Folgen für die Goldgräber. 95 Prozent von ihnen sind verschuldet, ohne Aussicht, ihre Schulden von 1000 und mehr Dollar bei den Goldhändlern jemals begleichen zu können. Denn diese haben ihre Arbeit und das Werkzeug vorfinanziert Die Schürfer werden zu einer Art Leibeigene, gefangen und den Händlern rechtlos ausgeliefert. Clément schürft also nach wertvollem Gold und hat Mühe, seine 15-köpfige Familie zu ernähren, zumal auch die Preise für Lebensmittel in der Goldstadt hoch sind. „Die Hacke, die Lampe, das habe ich alles auf Pump gekauft. Ich muss das Geld zurückgeben, aber ich kann nicht. Ich versinke immer mehr in den Schulden, mit jedem Tag. Wenn ich nicht zahle, werfen sie mich ins Gefängnis. Was soll ich machen?“ Hinzu kommt die tägliche Angst, im Stollen verschüttet zu werden oder das Bergbauunternehmen werde die Mine ausbauen und selbst nutzen. Dann wäre auch noch die Arbeit weg.
Am Gold verdienen die Schürfer  am wenigsten in der langen Handelskette, zumal ihr Gold noch stark verunreinigt ist. Die Zwischenhändler machen schon mehr Geld, illegal. Deshalb kassieren die Beamten unter der Hand mit. Tonnenweise wird das Gold dann von Schmugglern über die Grenze nach Ruanda, Burundi und Uganda gebracht, wobei das Militär noch einmal abkassiert. Der Goldschmuggel erfolgt im großen Stil in organisierter Kriminalität. Auch hier hat es den Anschein, als ob der deutsche Endverbraucher an diesen desolaten gesellschaftlichen Zuständen wenig ändern kann, die vor allem der Korruption, der Selbstbereicherung und der Politik geschuldet sind. Sollte man am Ende gar noch froh sein, wenn die Goldschürfer wenigstens nicht ihre Arbeit verlieren?

Die Suche nach Alternativen

Die USA haben als Erste versucht, im Kongo etwas an dieser Situation zu ändern, nicht etwa, um den kleinen Schürfern zu Hilfe zu kommen. Große Teile des Gewinns aus dem illegalen Goldschmuggel dienten nachweislich den Kriegsherren zur Finanzierung der Soldaten und der Kriege. Die USA wollten daher mit einem Lizenzverfahren (Dodd Franc Act) den Handel von Edelmetallen zur Finanzierung dieser Kriege einschränken. Der Film spricht hier von „Schattenbergbau“ im Unterschied zum „sauberen“ Bergbau. Das Ergebnis dieser Maßnahmen war katastrophal. Der legale Handel mit Edelmetallen wie Gold, Tantal oder Casserit kam fast vollständig zum Erliegen, nachdem fast kein westliches Technologieunternehmen noch bereit war, Rohstoffe aus dem Kongo zu verarbeiten, die als sogenannte Konfliktminerale bezeichnet werden. Stattdessen wurde noch mehr geschmuggelt. Die umliegenden Nachbarländer, die über gar keine eigenen Goldvorkommen verfügen, exportierten das Gold aus dem Kongo dann in asiatische Staaten. Und der Film zeigt, dass es noch einfacher geht. In der kongolesischen Provinzhauptstadt Bukavu exportiert ein chinesisches Handelsunternehmen ganz ungeniert säckeweise Casserit-Erze nach Asien. So kommt der Film zu dem Schluss, dass der illegale Handel durch dieses Gesetz nicht unterbunden, sondern sogar noch gefördert wurde und die Bergleute vor Ort de facto noch ärmer wurden, als sie ohnehin schon waren.
Deutschland will es nicht nur anders, sondern auch besser machen. Allein die Unternehmer in die Pflicht nehmen zu wollen, bringt zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht allzu viel. So wird der Herstellerverband mit dem folgenden Schreiben zitiert: „So ist es für ein Unternehmen, das das finale Produkt herstellt, praktisch unmöglich, den Ursprung seiner Rohstoffe zu verifizieren. Grund ist die Komplexität eines Produktes, sowie die Komplexität der Lieferkette“.
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover greift daher zu anderen Maßnahmen. Zum einen arbeitet sie am Aufbau einer Datenbank mit Gesteinsproben von Minen aus der ganzen Welt. Mit Hilfe eines Spezialverfahrens lässt sich zweifelsfrei ermitteln, woher ein Erz stammt, denn jedes Vorkommen weist einen unverwechselbaren geologischen Fingerabdruck auf. Jede Lieferung lässt sich somit bis auf ihren Ursprung zurückverfolgen. Immerhin könnten dann Rohstofflieferungen illegaler Herkunft entlarvt werden.
Im Fall der Edelmetallminen im Kongo versucht ein Entwicklungsprojekt der Bundesrepublik Deutschland, die katastrophale Situation im Bergbau unmittelbar vor Ort zu verändern und ihn zu kontrollieren. Die Casserit- und Tantal-Mine Kalimbi dient als Pilotprojekt. Bei Casserit handelt es sich um ein Zinnerz, Tantal kommt vor allem in Kondensatoren zum Einsatz. Der Geologe Uwe Näher versucht, den Bergbau im Kongo zu legalisieren und zu verhindern, dass sich die Militärs weiterhin daran bereichern. Die mit einem Gütesiegel versehenen Minen sollen aber auch sicherer werden und den Abtransport von Verletzten aus dem Stollen gewährleisten, wenn sie schneller medizinischer Hilfe bedürfen. Angesichts von allein 350 Minen in dieser Gegend, die zum Teil noch miteinander rivalisieren und von Chaos und Gewalt bedroht sind, ist das sicher keine leichte Aufgabe. Aber ein Anfang ist gemacht. Näher äußert sich auf der Fahrt in einem SUV zur Mine vor der Kamera: „Wenn die Verbraucher wissen, unter welchen Bedingungen diese Mineralien geschürft werden, würden sich viele vielleicht zwei Mal überlegen, ob sie überhaupt dieses Produkt kaufen würden.“ Aber kann das wirklich die einzige Alternative sein – für die Verbraucher und die Bergleute? Bleibt dem Verbraucher nichts anderes übrig, als ein Produkt entweder nicht zu kaufen oder sich voll und ganz auf die Entwicklungsprojekte der Bundesrepublik Deutschland zu verlassen?

Kleinschürfer und Großkonzerne

Um allzu einfache Schlussfolgerungen beim Verbraucher zu verhindern, führt der Film weitere wichtige Aspekte der Thematik vor Augen, die es zu berücksichtigen gilt. Er kehrt dafür noch einmal nach Bolivien zurück, diesmal in die Zink-Mine Mina Milluni. Auch dort ist es die blanke Not, die die Bergleute dazu zwingt, in der aufgelassenen Mine zu arbeiten und ihr Leben zu riskieren. Vor etlichen Jahren (1965) hat das Militär einen Aufstand blutig niedergeschlagen, als die Arbeiter für bessere Arbeitsbedingungen kämpften. Dass dies kein Einzelfall war, sondern in Bolivien Tradition hatte, zeigt der Dokumentarfilm „El coraje del pueblo“ (Der Mut des Volkes; Grupo Ukamau, Jorge Sanjinés, Bolivien 1971), den das Internationale Forum des jungen Films 1972 auf der Berlinale präsentierte. In diesem Film, der noch vor dem Putsch der Rechtsobristen in Bolivien entstand, war auch davon die Rede, dass die deutschstämmige Kolonie Boliviens damals die wirtschaftlich stärkste Gruppe im Land war und 60 Prozent der bolivianischen Wirtschaft beherrschte.
Das Zink, das die Bergleute heute in der Mine abbauen, landet über viele Zwischenhändler auch bei uns in den Batterien, in vielen Salben oder auf den Karosserien der Autoindustrie. Trotz der mehr als mangelhaften Arbeitsbedingungen ist die Arbeit für die Bergleute die letzte Chance. Im Kommentar heißt es: „Diese Art Bergbau zu verbieten, kann nicht die Lösung sein. Die Männer hier und Millionen im Kleinbergbau überall auf der Welt brauchen die Arbeit, sie sind darauf angewiesen. Bitte sagt das den Menschen in Deutschland, schärfen sie uns ein.“ Das klingt fatal, ist aber leicht nachvollziehbar nach allem, was der Film über die Lebensbedingungen dieser Menschen gezeigt hat.
Vielleicht wäre der moderne Bergbau dann doch die bessere Lösung? Um diese Frage zu klären, geht es zurück in den Ost-Kongo. Koos Nel, der Vizepräsident der kanadischen Bergbaufirma Banro, hat sich bereit erklärt, dem Filmteam im Hubschrauber die erste supermoderne Goldmine in der Region zu zeigen. Für ihn ist sie die Zukunft des Bergbaus und eine echte Goldgrube für den Konzern. Die vielen Kleinschürfer werden dann nicht mehr gebraucht. Für sie baut der Konzern stattdessen Straßen und Schulen, scheinbar aus sozialer Verantwortung heraus. Koos Nel zufolge ist das sogar „die einzige Chance für den Kongo“, um sich weiter zu entwickeln und nicht alles in den Taschen korrupter Politiker verschwinden zu lassen. Der Film lässt das bewusst unkommentiert und man kann ihm gewiss nicht vorwerfen, dass er hier nicht auch Parallelen zur Landwirtschaft in Afrika gezogen hat. Aber wir können und dürfen das als Zuschauer. Denn in der Landwirtschaft passiert zurzeit exakt das Gleiche: Internationale Großkonzerne kaufen zu einem Spottpreis riesige Landflächen zur Agrarbewirtschaftung auf, entziehen den Bewohnern ihre Lebens- und Arbeitsgrundlagen und speisen sie mit ein paar sozialen Einrichtungen ab. Das ist Kolonialismus im neuen Stil.

Mitverantwortung tragen

Am Ende der Reise kehrt der Film nach Deutschland zurück und kommentiert zuversichtlich: „Wir Verbraucher wissen nichts davon, dass der Großbergbau den Kleinschürfern wenig hilft. Die brauchen Arbeit, legal und fair bezahlt. Das macht die Metalle auf dem Weltmarkt zwar ein bisschen teurer, verteuert aber die Geräte für uns Kunden nur um ein paar Cent. Und wenn Linda (Anm.: die Tochter der Stuttgarter Vorzeigefamilie) groß ist, winkt uns sogar eine Riesenchance … Zwei Mio. Tonnen Elektrogeräte kaufen wir Deutschen pro Jahr – und verschrotten sie irgendwann wieder. Die Rohstoffe sind also schon da.“
Mit dieser Argumentation möchte der Filmemacher uns sicher Hoffnung geben, aber er fällt damit auch hinter den eigenen Anspruch zurück. Schließlich müssen die Infrastrukturen vor Ort erst vorhanden sein, damit die Arbeiter legal und fair bezahlt werden. Ob wir als Kunden dann wirklich bereit sind, für ein Produkt mehr zu zahlen, wenn die soziale Schere auch bei uns immer weiter auseinanderklafft, muss sich ebenfalls noch erweisen. Und den Bergarbeitern wird es kaum ein echter Trost sein, wenn wir in etwa 20 Jahren bei bis zu 100 Prozent Recyclingquote gar keine Rohstoffe von außen mehr beziehen müssten. Der gut gemeinte Ratschlag, schon jetzt den Elektroschrott fachgerecht zu entsorgen und bei den ausgedienten Mobiltelefonen noch etwas abzuwarten, ist ein Anfang, den jeder leisten kann. Ob das bereits ausreicht, bleibt als Frage bestehen, die dank dieses Films immerhin etwas fundierter diskutiert werden kann.

Didaktische Hinweise

Der Film lässt sich in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit ab ca. 12 Jahren gut einsetzen, selbstverständlich auch in der Erwachsenenbildung mit ökologischen, ökonomischen und ethischen Anknüpfungspunkten und den Menschenrechten. Er vermittelt sein Thema anschaulich und konkret, informiert über komplexe Zusammenhänge der Produktion und des Welthandels in einer globalisierten Welt und bezieht den Zuschauer und seine Alltagsrealität hierzulande mit ein. Die aufgeworfenen Fragen machen mobil gegen einen völlig unkritischen Umgang mit unserer Technologie und den modernen Kommunikationsgeräten und sie machen nachdenklich. Zugleich wird die Mitverantwortung des Verbrauchers in Deutschland bewusst gemacht – im günstigen Fall gestärkt – und anhand der vorgestellten Projekte Perspektiven für die Zukunft aufgezeigt.
Im ungünstigen Fall kann der Film nicht zuletzt wegen seiner Fülle an Informationen und kurz angerissenen Aspekte beim Zuschauer aber auch den Eindruck erwecken, als käme es vor allem darauf an, dass es uns in Deutschland weiterhin gut geht und wir selbst ein gutes Gewissen haben können, wenn wir zu unserem Handy greifen, den Fernseher anschalten, die Waschmaschine laufen lassen oder Auto fahren. Die vielen vorgestellten Maßnahmen, die alle aus Deutschland kommen, können auch den zwiespältigen Eindruck erwecken, als ob die Menschen vor Ort in Südamerika und Afrika alle ohne unsere Hilfe komplett aufgeschmissen und zu keinen Eigeninitiativen fähig wären. Zumindest mogelt sich der Film an einigen wichtigen gesellschaftspolitischen Fragestellungen vorbei, was besonders deutlich beim Bergbauunternehmen Banro zutage tritt. Andererseits ist dem Film zugute zu halten, dass seine Ausstrahlung schon einige Jahre zurück liegt und womöglich erst dazu geführt hat, dass sich weitere Medien (auch) für diese Thematik interessierten.
Wie der Film beim Zuschauer also letztlich ankommt, ist vorab schwer einzuschätzen und hängt stark vom Vorwissen und den Begleitumständen des Einsatzes ab. Hier mag es von Vorteil sein, wenn ausgewählte Teilaspekte des Films bereits vorab vermittelt werden, sei es im Rahmen des Faches Sozialkunde, Geografie, Politik oder Ethik/Religion. Aufgabe der Moderation ist es, einerseits dafür zu sorgen, dass die technischen Aspekte und die Maßnahmen der Bundesregierung zur Legalisierung des Bergbaus nicht zu schnell allein in den Fokus der Diskussion rücken. Schließlich hat der Filmemacher ausdrücklich betont, dass er vor allem den Menschen in den Minen ein Gesicht geben wollte. Andererseits dürfen mögliche Schwachstellen des Films, die bei „Besserwissis“ zu einer Pauschalverurteilung führen könnten, nicht den Blick auf die Gesamtleistung des Films und die darin angesprochenen Themen verstellen. Gute Einstiege in die Diskussion bieten die Schicksale der Minenarbeiter (siehe hierzu auch die Aufstellung auf S. 2), der persönliche Bezug zum Thema oder das, was der Film emotional und intellektuell in Bewegung gesetzt hat.

Literaturhinweise und Links

Medienhinweise

  • Gold über alles (Tout l'or du monde)
    Regie: Robert Nugent; Frankreich, Australien 2007, 52. Min., Dokumentarfilm
    Bezug: EZEF
  • Eine anständige Firma - Nokia made in China (A decent factory - Nokia made in China)
    Regie: Thomas Balmès, China, Frankreich 2004, 56. Min., Dokumentarfilm
    Bezug: EZEF
  • Gnadenlos billig - Vom Handyboom und seinen Folgen
    Regie: Mirjam Leuze, Deutschland 2009, 28. Min., Dokumentarfilm, DVD
    Bezug: www. germanwatch.org
  • Unterwegs in die Zukunft - Filme zum Themenschwerpunkt Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt
    Thematische DVD mit zwölf Filmen und Unterrichtsmaterialien zum Thema Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit
    Bezug: EZEF
  • Blood in the Mobile
    Regie: Frank Piasecki Poulsen, Deutschland, 2010, 52mn, Dokumentarfilm, DVD
    Verleih: verschiedene Ev. Medienzentralen

Autor: Holger Twele
04/2015