Lumumba

In seinem neuen Spielfilm rekonstruiert der aus Haiti stammende Raoul Peck die dramatischen Umstände und politischen Intrigen, die 1961 in der Ermordung des ersten Premierministers des gerade unabhängig gewordenen Kongos gipfelten. Das Schicksal Patrice Lumumbas, der legendären, ja fast mythischen, Figur im Prozess der Dekolonialisierung Afrikas, wird zu einem Schlüssel für das Verständnis der politischen Wirren im heutigen Kongo und der wirtschaftlichen Interessen, die den Krieg im Gebiet der Großen Seen am laufen halten. Vom einfachen Postangestellten steigt er innerhalb kürzester Zeit zum Premier auf – noch dazu zum ersten Premierminister seines Landes: Patrice Lumumba führt den Kongo, ein Land von der Größe Westeuropas, in die Unabhängigkeit. Von der belgischen Kolonialmacht wird das Land nur deshalb aufgegeben, weil er Ende der 50er Jahre politisch nicht mehr als Kolonie zu halten ist.

Raoul Peck erzählt in seinem streng an den historischen Fakten orientierten Spielfilm die Geschichte dieses Patrice Lumumba, der, kaum an die Macht gekommen, durch ein politisches Intrigenspiel des Westens entmachtet und ermordet wird. Und weil sein Schicksal – jenseits dieser ebenso einzigartigen wie tragischen politischen Karriere – die Geschichte seines Landes bis in unsere Tage vorzeichnet und in mancherlei Hinsicht auch zu einem Gleichnis für die Entkolonisierung des ganzen Kontinents wird, ist Patrice Lumumba zu jener legendären ja fast mythischen Figur geworden, die den Aufbruch Afrikas in die politische Unabhängigkeit stellvertretend widerspiegelt.

Nach einer Eröffnungssequenz, die an die Schrecken der belgischen Kolonialzeit erinnert, beginnt der Film mit einer mysteriösen Szene, bei der zwei belgische Soldaten, die Leichen von Lumumba und seiner mit ihm hingerichteten Gefährten ausgraben, um sie zu zerstückeln, zu verbrennen und die Überreste in Säure aufzulösen. Es sollen alle Spuren getilgt werden, die an ihn erinnern könnten. Aber “selbst tot, werde ich ihnen noch Angst machen”, raunt die Stimme des Toten aus dem Off und gibt so das Leitmotiv vor, dem der Film dann folgen wird. Den Körper des toten Lumumba können sie beseitigen, nicht aber seine Ideen und das politische Ziel einer wahrhaften Unabhängigkeit, für das er bis zuletzt gekämpft hat.

Im weiteren Verlauf hält sich der Film dann an die Chronologie der Ereignisse: eine belgische Brauerei setzt auf das rhetorische Geschick des etwa dreißigjährigen Lumumba für eine Werbekampagne für ihr Polar Beer und dieser nutzt diese Gelegenheit durch das Land zu reisen vor allem für sein eigentliches Anliegen, Propaganda für eine ganze andere Sache zu betreiben – für die Befreiungsbewegung des Mouvement Nationale Congolaise (MNC). Als deren Präsident wird er mehrfach inhaftiert, vertritt die Bewegung dann aber bei den offiziellen Gesprächen in Belgien, bei der die Bedingungen für die Entlassung des Landes in die politische Unabhängigkeit ausgehandelt werden sollen. Seine Partei gewinnt die ersten Wahlen; er wird Premier, düpiert den belgischen König mit einer kämpferischen Rede bei der offiziellen Feier zur Unabhängigkeit des Landes und sieht sich schon bald schier unüberwindbaren Problemen gegenüber. Meuternde Soldaten weigern sich, länger dem Kommando ihrer noch immer belgischen Offiziere zu gehorchen und die rohstoffreiche im Südosten gelegene Provinz Katanga droht mit der Sezession.

Lumumba möchte unter allen Umständen die Einheit des Landes erhalten, aber die USA, Belgien und die anderen westlichen Mächte haben anderes im Sinn. Lumumba steht diesen Zielen im Wege und deshalb soll er beseitigt werden. Dabei weiß sich der Westen des ehrgeizigen jungen Mobutu zu bedienen, einem einstigen Weggefährten Lumumbas, der nun gegen ihn putschen wird und seine Hinrichtung durch ein Erschießungskommando einfädeln wird. Damit beginnen die dunklen Jahrzehnte der Diktatur von Mobutu Sese Seko, der die Demokratie als den Tod Afrikas beschwören wird.

Gefördert vom Kirchlichen Entwicklungsdienst der Evangelischen Kirche in Deutschland

Kurzinfos

2000
Regie
Raoul Peck
Altersempfehlung
ab 14 Jahren
Buch
Raoul Peck
Pascal Bonitzer
Länge
112 Minuten
Format
DVD
35mm
Genre
Sprache
Sprachfassung
OmU
Kamera
Bernard Lutic
Ton
Jean-Pierre Laforce
Musik
Jean-Claude Petit
Schnitt
Jacques Comets
Darsteller
Eriq Ebouaney
Alex Descas
Théophile Moussa Sowié
Maka Kotto
Dieudonné Kabongo
André Debaar
Produktion
JBA Productions
Entre chien et loup
Essential
Velvet S.A.
ARTE

“An den Anfang seines Films stellt Raoul Peck Szenen von der Hinrichtung Patrice Lumumbas. In der Folge zeichnet er die Intrigen, Winkelzüge und Fehleinschätzungen nach, die Anmaßung und den Zynismus, die Kongo-Zaire in die Wiege gelegt worden sind und die bis heute nachwirken. Zwar scheinen die nach vierzig Jahren Unabhängigkeit von afrikanischen Politikern immer noch gerne vorgebrachten Ausflüchte von den bösen Kolonialmächten mittlerweile bemühend, doch im Fall Kongos steckt ein wahrer Kern darin. Als ob die Verbindung hätte sichtbar gemacht werden müssen, wurde der Diktator Kabila fast auf den Tag genau vierzig Jahre nach Lumumba umgebracht.” Neue Zürcher Zeitung
 
“Ein hervorragendes und bedeutsames Portrait des legendären afrikanischen Politikers Patrice Lumumba (...) eine leidenschaftliche und zeitweise packende Wieder-Erzählung der Geburt des heute als Zaire bekannten Landes.” Variety

“Lumumba erzählt eine Geschichte, wie sie nicht oft zu sehen ist, und er erzählt Geschichte, wie sie selten dargestellt wird.” filmpodium

“Lumumba erzählt keine vergangene Geschichte, die hinter uns liegt. Seit dieser tragischen Auslöschung ist der Nachhall dieser Geschichte Lumumbas nicht verklungen – er ist gegenwärtig in all den Dramen, die sich seither in Afrika ereignet haben; er ist gegenwärtig in allen Interventionen seitens der entwickelten Länder, sowohl in der Serie aktueller Konflikte in Afrika (Ruanda, Somalia, Kongo), wie auch in Europa (Zypern, Ex-Jugoslawien). Und weil die Auswirkungen aus dieser Zeit der Dekolonisierung aktuell geblieben sind, haben sich nur die Methoden etwas verändert.
Der Film möchte sich mit modernen Mitteln einem Helden der Zeitgeschichte nähern, indem das Romanhafte, das Politische, die große Geschichte wie die kleine, das Intime wie das Alltägliche so ineinander verflochten sind und miteinander korrespondieren, daß sie gleichzeitig das Schicksal eines außergewöhnlichen Individuums wie eine Schlüsselperiode unserer Zeit erhellen.
Lumumba stört, er befragt unsere Gegenwart nach ihren vergangenen wie ihren gegenwärtigen Mängeln. Und in diesem Sinne wird der Film weder Heldenverehrung noch nur einfache Chronik der Entkolonisierung, wird die Erzählung nicht linear, sondern mehrzeitig sein.” zitiert nach: Le Film Africain, Mai 2000

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