Teaser
Arlit, ein zweites Paris

Dokumentarfilm von Idrissou Mora-Kpai
Benin, Frankreich, Deutschland 2005, 78 Minuten, OmU

Inhaltsangabe
Der Regisseur Idrissou Mora-Kpai stammt aus Benin und hat an der HFF in Babelsberg studiert. 2004 kehrt er gemeinsam mit einem alten Mann, Issa, den er vor 17 Jahren in der Wüstenstadt Arlit im afrikanischen Niger kennen gelernt hat, dorthin zurück. In Gesprächen mit den Bewohnern von Arlit entsteht das Portrait einer Stadt, die sich nach Uranfunden in den siebziger Jahren von einem kleinen Dorf mit Lehmhütten zur Boomtown entwickelt hat. Damit wurde Arlit zum Sammelbecken von Menschen aus den unterschiedlichsten afrikanischen Ländern. Doch die Blütezeit dieses Eldorado des schnellen Geldes war kurz.
Gestenreich erzählen die Bewohner von Arlit von ihrem Leid und ihren Sehnsüchten, von der Arbeit in der Uranmine und deren gesundheitlichen, oft tödlichen Folgen. In den Gesprächen untereinander oder direkt in die Kamera geht es um die Zukunft derer, die in der Stadt geblieben sind und um ihre Versuche, Zukunft zu gestalten: Sie reparieren Autos, arbeiten in einer Bar oder verdienen ihr Geld damit, Migranten über die Grenze zu bringen. Und es geht um ihren Traum, anderswo ein neues, besseres Leben zu beginnen.
Mora-Kpai lässt die Menschen vor ruhiger, bedächtig geführter Kamera erzählen, meistens in Französisch, oft auch in den Sprachen ihrer Ethnie oder Herkunftsländer, etwa Nigeria, Kamerun oder Benin. In ihren Erzählungen wird die Hoffnung lebendig, die viele von ihnen nach Arlit geführt hatte: Die Hoffnung, mit dem Reichtum des Bodens, dessen tödliche Gefahr den Arbeitern verschwiegen wurde, selbst „reich zu werden“. In der Erinnerung wird das Bild des Arlit wieder lebendig, das einmal 25.000 Beschäftigte beherbergte und der Stadt den Beinamen „zweites Paris“ eingebracht hat. Hier arbeiteten Minenarbeiter, Elektriker, Installateure, Menschen die Häuser und Straßen bauten oder in schicken Restaurants arbeiteten. Wie ein Magnet zog Arlit Menschen aus allen Himmelsrichtungen an, seien es Tuaregs oder Zuwanderer aus südlich gelegenen schwarzafrikanischen Ländern, aus dem Maghreb, aber auch aus Europa. Man kann es sich heute nur schwer vorstellen, aber Arlit muss eine sehr lebendige, quirlige, fast mondäne Stadt gewesen sein. Einige bauliche Erinnerungsstücke und Maschinenwracks aus dieser Zeit sind im Film zu sehen. Heute wirkt die Stadt wie eine Geisterstadt, verlassen vom industriellen Kapital wie von Menschen.
Ein Wendepunkt für Arlit war der Aufstand der Tuareg und der Verfall des Uranpreises, der um 1990 aufgrund einer weitweiten Überproduktion einsetzte und erst, nach einem kurzen Zwischenhoch um 1996, bei Abschluss der Dreharbeiten wieder anzog. Das im Niger abgebaute Uran wird hauptsächlich nach Frankreich geliefert. Zwischenzeitlich ist der Uranabbau mit riesigen Bulldozern, die das Uranerz abgraben, hoch mechanisiert. In der Folge sanken die Löhne, die Arbeitslosigkeit stieg.
Ein weiteres Bild: Zwei alte Männer – Issa mit seinem Freund – berichten von ihrer Freundschaft über alle schlechten Zeiten hinweg, vor allem aber von ihren Krankheiten. Denn Arlit ist nicht nur von Armut betroffen, sondern auch vom schleichenden Tod durch Radioaktivität. Niemand, so erzählt ein Tuareg, hätte die Arbeiter je über die Gefahren des Uran-Erzes aufgeklärt, weshalb sie jahrelang ungeschützt in den Minen tätig waren und dazu noch in ihrer verseuchten Arbeitskleidung zu Hause mit ihren Kindern gespielt hätten. Sie funktionierten alte, verstrahlte Maschinenteile um und setzen sie in der Küche als Behälter für Lebensmittel oder als Herde ein. Manche der Arbeiter starben qualvoll noch während ihrer Beschäftigung, andere später. Der im Film interviewte Betriebsarzt behauptet vor der Kamera, dass 99 Prozent der Lungenkrebs-Toten auf das Konto von Tabakgenuss gingen. Gesundheitliche Folgen des Kontaktes mit dem strahlenden Uran werden von der Firma ignoriert, obwohl die radioaktive Belastung in einem Monat höher ist als der zulässige Grenzwert für das ganze Jahr. Der Werksarzt aber behauptet, dass man sich in den Minen aufgrund des Klimas und der Luftfeuchtigkeit höchstens Ekzeme holen könne. In dem kurzen Filmausschnitt mit dem Arzt wird offensichtlich, dass bewusst „weggeschaut“ wird und der Zusammenhang zwischen Krankheiten und Uranabbau geleugnet wird. Dies erklärt auch, dass andere Vertreter der Firmenleitung von Somair/Cogema sich dem Filmemacher nicht stellen.
Im Film wird neben den ehemaligen Minenarbeitern ein Selfmade-KFZ-Mechaniker porträtiert, der in Hinterhofwerkstätten alte Geländefahrzeuge wieder flott macht, damit sie die Wüstendurchquerung überstehen. Wie er suchen viele der verbliebenen Bewohner von Arlit Wege zum Überleben. Was will man tun, wenn kein Gast in die Bar kommt, aber man/frau dringend Geld braucht, um ins Heimatland zurückzukehren: Zwei Frauen sitzen tagein, tagaus vor leeren Regalen und hinter einem aufgeräumten Tresen einer Kneipe, die nie ein Gast betritt. Auf die Frage an eine von ihnen, womit sie ihren Lebensunterhalt bestreite, antwortet sie geheimnisvoll: „Auf meine Weise.“ Hätte sie das Geld, würde sie sofort zu ihren Kindern zurückkehren. Aber ohne Geld heimzukehren, nach Kamerun oder Nigeria, wo nur die Arbeitslosigkeit wartet, scheidet für die Frauen aus. So warten sie – man hat den Eindruck –  auch auf Männer oder bis sich sonst „eine Tür auftut“.
In Gesprächen mit Issas Sohn und seinen Freunden, mit Barmädchen und Mechanikern,  wird die Erinnerung an die goldenen Zeiten der Stadt Arlit genauso lebendig wie ihr Niedergang und die Trost- und Hoffnungslosigkeit ihrer Bewohner heute. Deutlich wird im Film auch die multiethnische Zusammensetzung der Stadtbevölkerung. Arlit ist für zahllose Afrikaner, die der Armut entfliehen wollen, die letzte schwarzafrikanische Stadt vor der Sahara auf dem ungewissen Weg nach Europa. Viele von denen, die bis heute in Arlit geblieben sind, würden jede Gelegenheit ergreifen, weiter zu ziehen – wenn sie denn das nötige Geld hätten. Sie träumen von ihrer Rückkehr in ihre Heimatländer oder noch besser gleich von Europa. Denn Arlit ist inzwischen eine Stadt der Gescheiterten und der Kranken. Sie ist die Stadt derer, die auf eine Chance warten, ihren Weg zunächst nach Algerien und dann nach Frankreich fortzusetzen. Geduldig, fast Schicksalsergeben, warten die Menschen in dem eintönigen Meer aus ockerfarbigen Sand und sandfarbenen Häusern. Sie suchen unter dem Staub verhangenen Himmel und in halb verfallenen Hütten Schutz vor Wind und Sand und hoffen darauf, irgendwie Geld zu beschaffen, um doch noch ins gelobte Land zu kommen, auch um den Preis auf dem Weg oder dort zu sterben.
Der Filmemacher Mora-Kpai spricht mit Menschenschmugglern, manche davon Tuaregs, denen es egal ist, was mit ihren Kunden am Ankunftsort in Algerien passiert. Für die Migranten aus Nigeria, Kamerun, Togo, Benin oder dem Senegal sind Algerien, Frankreich, überhaupt Europa, das Paradies: Eine Garantie für Arbeit, Einkommen und Wohlstand. Dafür riskieren sie auf der langen Reise auch ihr Leben. „Besser auf dem Weg zu sterben, als in Arlit zu warten und zu warten und zu warten.“
Arlits Aufstieg und Verfall spiegeln so nicht nur die Probleme einer Region, sondern auch die menschlichen Tragödien wider, die die falschen Versprechungen eines raschen Anschlusses an die europäische Entwicklung mit sich brachte. Für die meisten Bewohner von Arlit, die Mora-Kpai in seinem Film porträtiert, herrscht Stillstand in der Stadt. Der Traum vom „zweiten Paris“ ist ausgeträumt. Der Traum vom (illegalen) Sprung über die Grenze bleibt.

Würdigung und Kritik
Mora Kpai hat einen sehr ruhigen, gemächlichen Film gedreht, der sich dem Tempo der Menschen vor Ort anzugleichen scheint. Der Regisseur hört zu, nimmt die Erfahrungen seiner Gesprächspartner ernst. Die Originalfassung mit Untertiteln lässt den Zuschauer auch Zwischentöne wahrnehmen: Das gestenreiche Erzählen, Tonfall und Mimik der Menschen sprechen von Niedergeschlagenheit und Fatalismus, aber auch von Hoffnung. Dann zum Beispiel, wenn jemand den Traum beschreibt, nach Marseille zu reisen, um sein Idol, einen Fußballspieler, live zu erleben.
Er lässt die Menschen sprechen und setzt unserem Auge die Bilder von Arlit vor, in denen die Menschen, ihre Kleidung vor allem ihre Gesichter fast das einzig Lebendige sind, wie kleine Farbtupfer, die aus dem Ocker von Sand und Häusern herausleuchten. Der Film macht deutlich, dass „Sprechen über“ nicht ausreicht. Die Migranten kommen selbst zu Wort, mit ihren speziellen Erfahrungen, die sie dazu bringen, einen weiteren Leidensweg auf sich zu nehmen verbunden mit der Hoffnung, dass er doch gut enden könnte.
Auch wenn es die Brisanz des Themas nahe legen würde, über politische Zusammenhänge zu informieren, über Unrecht aufzuklären, bleibt der Filmemacher sachlich. Er lässt die Menschen sprechen. Dass Radioaktivität eine unsichtbare Gefahr ist, spiegelt sich nur in den eindrucksvollen Erzählungen der ehemaligen Arbeiter wieder. Manchmal wünscht man sich als Betrachter etwas mehr Ausführlichkeit in der Aussagekraft der Untertitel. Deshalb bedarf der Film unterstützender Information. Er birgt Sprengstoff in sich, da er eine Seite der atomaren Energieerzeugung deutlich macht, die so gut wie kaum bekannt ist: die rücksichtslose, profitorientierte Ausbeutung von Rohstoffen für die Atomindustrie, die weder der Entwicklung des Erzeugerlandes zu gute kommt noch seiner Bevölkerung, vielmehr dort eine Spur der Verseuchung und des Todes hinterlässt. Dies wiederum liefert ein weiteres Argument, aus der Atomenergie auszusteigen.
Der vom EED geförderte Dokumentarfilm des Regisseurs Idrissou Mora-Kpai aus Benin gewann den 3. Platz des Eine-Welt-Filmpreis NRW 2005.

Didaktische Hinweise
Da der Film Bilder und Menschen sprechen lässt und jeden Kommentar und Erklärung vermeidet, empfiehlt es sich, vor der Vorführung die geografische Situation von Arlit und Niger zu veranschaulichen. Geeignet ist der Film für Leistungskurse in der Oberstufe, vor allem aber für Studenten und in der Erwachsenenbildung.
Die Kapitelüberschriften im Menü können thematisch gelesen werden. Wenn einzelne Themen vertieft werden sollen, kann so die entsprechende Filmsequenz angesteuert werden.

  1. Rückkehr
  2. Nostalgie
  3. Migranten
  4. Niedergang
  5. Lügen und Wahrheiten
  6. Verstrahltes Leben
  7. Warten

Themen:

  • Globalisierung, Rohstoffausbeutung und Entwicklung;
  • Urangewinnung und Atomenergie sowie Bezüge zu Stromproduktion und Stromnutzung in Deutschland wie in Europa;
  • Unterentwicklung, Armut und Immigration nach Europa;

Hintergrundinformationen:
Die Wüstenstadt Arlit liegt im Norden von Niger, nahe der Grenze zu Algerien, und damit an der kulturellen Nahtstelle zwischen Sahara und Schwarzafrika. Nach Uranfunden in den 70er Jahren gegründet, erlebte Arlit eine kurze Blütezeit und war Anziehungspunkt einer innerafrikanischen Migration sowohl aus den Nachbarländern wie aus den westafrikanischen Küstenstaaten.
Die Republik Niger – seit 1960 unabhängig – ist eine ehemalige französische Kolonie in Westafrika und hat ca. 14 Millionen Einwohner. Fast alle, die Arbeit haben, sind in der Landwirtschaft beschäftigt. Ein zentrales Problem der Landwirtschaft stellt die Abholzung zur Gewinnung von Brennmaterial dar, sowie das fast vollständige Abtragen von Pflanzenmaterial nach der Ernte, so dass Ackerflächen zum einen vor der Sonneneinstrahlung nicht mehr geschützt sind und zum anderen der Düngungseffekt durch verrottendes Pflanzenmaterial ausbleibt. Die Böden verarmen. Seit Mitte der 80er Jahre wird diesem Problem mit einer systematischen Begrünung und traditionellen Methoden im Landbau entgegen getreten (siehe auch http://www.zef.de/).
Eine eigene Industrie, abgesehen von der Rohstoffförderung, gibt es nicht. Die Republik Niger ist drittgrößter Produzent von Uran und gleichzeitig ärmstes Land der Erde. Das durchschnittliche Jahreseinkommen beträgt 200 US $. Noch 2003 belief sich der Anteil der Bevölkerung, der mit weniger als 1 US-Dollar pro Tag auskommen musste, auf 61%. Etwa 2/3 der Bevölkerung hungert seit vielen Jahren. Seit 1973 haben im Niger vier schwere Hungersnöte stattgefunden, an denen mindestens 500.000 Menschen gestorben sind. Im Gegensatz hierzu zählen die Haupthandelspartner von Niger in Sachen Uran, also Frankreich, USA und Deutschland, zu den reichsten Ländern der Erde.
Die Tuareg sind ein zu den Berbern zählendes Volk in Afrika, dessen Siedlungsgebiet sich über die Wüste Sahara und den Sahel ausbreitet. Ihre Sprache ist das Tamascheq. Sie leben seit Jahrhunderten nomadisch im Gebiet der heutigen Staaten Mali, Algerien, Niger, Libyen, Mauretanien, Burkina Faso und Nigeria und zählen heute etwa eine Million Menschen. In den letzten Jahrzehnten – so von 1990 bis 1995 in Mali und Niger – kam es immer wieder zu Aufständen der Tuareg, die sich dabei behindert fühlen, ihre traditionelle nomadische Lebensweise fortzuführen. Bis heute wehren sie sich gegen Ausgrenzung und Unterdrückung durch die jeweiligen Regierungen und deren Komplizenschaft mit internationalen Konzernen, die am Reichtum der Länder an Bodenschätzen interessiert sind.
Quelle: www.wikipedia.de

Uranförderung in der Republik Niger
Seit 1957 sind im Niger Uranvorkommen nachgewiesen. Nach Kanada und Australien ist Niger drittgrößter Uranproduzent der Welt, noch vor Kasachstan. Uran ist für Niger wichtigstes Exportgut, die Ausfuhr von Uran macht 32 % der Gesamtexporte aus. Wichtigster Handelspartner bleibt Frankreich. Rund 1/7 des in der EU verwendeten Urans stammt aus dem Niger. Mitte der achtziger Jahre wurden 4500 Tonnen Uran gefördert, die dann auf durchschnittlich 3500 Tonnen absanken. Heute steigt die Produktion wieder leicht an. Um 1990 sanken die Preise von Uran angesichts einer weltweiten Überproduktion. Erst kurz nach Abschluss der Dreharbeiten begann der Uranpreis wieder signifikant zu steigen. Vor einigen Jahren kostete Uran noch 40 $, inzwischen bringt es auf dem Weltmarkt einen Preis von ca. 144 US $ pro Kilogramm ein. Damit hat Uran innerhalb von 3 Jahren seinen Wert um mehrere hundert Prozent gesteigert. Uran wird im Zentrum des Landes rund um die Stadt Arlit gefördert. Im Niger waren zur Blütezeit des Uranabbaus 4400 Leute beschäftigt, Ende 2003 waren es nur noch 1700.
Die französische Gesellschaft Cogema/Areva ist Haupteigentümerin der im Film erwähnten Minengesellschaft Somair. An Somair sind über die deutsche Urangesellschaft auch die deutschen Unternehmen EnBW und E.ON beteiligt. Da die Konzentration von Uranerz meist sehr niedrig ist, müssen große Gesteinsmengen abgebaut werden: Zurück bleiben große Mengen radioaktiv und chemisch verseuchter Abraumhalden und Grubenabwässer. Aus einer Tonne geförderten Abraums lassen sich 3 – 3,5 kg Uran gewinnen. In einer Uranmühle wird das im Tagebau geförderte Gestein zerkleinert, mit Schwefelsäure behandelt, wobei das Uran herausgelöst wird. Nach einer weiteren chemischen Behandlung hat man das als „yellow cake“ bezeichnete Uran, das zu Brennstäben für Atomkraftwerke weiterverarbeitet wird. Um Arlit herum gibt es neu entdeckte Förderstätten auf einer Fläche von 4000qkm, die noch nicht ausgebeutet werden. Hintergrund für die Preissprünge ist:

  • der weltweite steigende Energiehunger – bzw. Stromverbrauch;
    der geplante Bau von 30 zusätzlichen Atomkraftwerken(zu den 435 bereits weltweit existierenden) aus der Annahme heraus, dass die Nutzung von Atomenergie eine CO2 freie Energieproduktion wäre und damit eine sinnvolle Gegenstrategie zum Klimawandel werden könnte, aber auch aus nationalen Prestigegründen. Bis 2020 will China acht Milliarden Dollar in den Bau von 27 Atomreaktoren stecken, Indien will bis 2012 17 bauen. In Afrika setzen Südafrika und Libyen auf die Atomenergie - aber auch andere Länder.

Nach Jahren der Überproduktion kann das aus Bergwerken geförderte Uran derzeit nurmehr 60 Prozent des Bedarfs der Atomenergieproduzenten decken; der Rest kommt aus staatlichen Lagerbeständen und abgerüsteten Atomwaffen. Diese Quellen werden knapp. Deshalb werden neue Fördergebiete gesucht - vor allem in Afrika, dem Kontinent, der am wenigsten in diesem Bereich erschlossen ist. In fünf afrikanischen Ländern - Kongo, Niger, Südafrika, Namibia und Algerien - befindet sich zusammen ein Fünftel der Uranreserven der Welt. Die Uranförderung wird außenpolitisch intensiv beäugt, denn der sehr wertvolle Stoff weckt die Begehrlichkeiten vieler Staaten. Aus Sorge, dass Uran in falsche Hände kommt (Proliferationsrisiko) versuchen USA, Australien, Kanada, die EU aber auch China ihren Einfluss geltend zu machen.
Siehe auch: www.anti-atom-aktuell.de
Interessant ist auch, dass Niger als einer der großen Uranlieferanten der Welt den eigenen Strom zu 100 % aus fossilen Brennstoffen gewinnt. Die später kostengünstige, aber mit hohen Anfangsinvestitionen verbundene Sonnenenergie wird überhaupt nicht genutzt. Sie würde sich zum Aufbau dezentraler energieautarker Dorfsysteme und zur Armutsbekämpfung eignen.

Energieträger des Niger:

Stromerzeugung des Niger in Millionen Kilowattstunden:

266 (2002)
242 (2001)

Stromerzeugung des Niger nach Energieträgern (2001):

fossile Brennstoffe (Erdöl, Steinkohle u.a.): 100%
Wasserkraft: 0%
Kernkraft: 0%
andere (Windkraft, Solarenergie u.a.): 0%

Stromverbrauch des Niger in Millionen Kilowattstunden pro Jahr:

416 kWh (2004)
328 kWh (2002)
Vergleichszahl Bundesrepublik Deutschland 2004: 566.900,

Erdölverbrauch des Niger in Barrel pro Tag:
1 Barrel = 159 Liter

5.500 (2004 geschätzt)
5.000 (2001 geschätzt)
Vergleichszahl Bundesrepublik Deutschland 2004: 2.650.000

Erdgasverbrauch des Niger in Millionen Kubikmeter pro Jahr:

0 m³ (2004 geschätzt)
Vergleichszahl Bundesrepublik Deutschland 2005: 102.000,

Quelle: www.afrika-auf-einen-blick.de

Gesundheitliche Auswirkungen radioaktiver Strahlung
Der Mensch kann radioaktive Strahlung nicht direkt wahrnehmen. Doch durch Strahleneinwirkung werden Veränderungen oder Zerstörung von lebenden Zellen hervorgerufen. Diese Strahlenschäden können so gravierend sein, dass sie große Leiden oder den Tod bewirken. Bis zur Wende in Deutschland wurde auch in Ostdeutschland Uran in größeren Mengen abgebaut. Zwischen 1946 und 1990 starben 7.163 Bergleute in der damaligen DDR an Lungenkrebs. Sie arbeiteten in den Uranminen der Wismut AG. Viel schwerer und langfristiger ist nach der Katastrophe von Tschernobyl die Bevölkerung in Weißrussland und in der Ukraine betroffen. Dort müssen heute, rund 20 Jahres später, immer noch Menschen täglich behandelt werden, weil sie durch die Schwächung ihres Immunsystems für Krankheiten viel anfälliger sind. Schon durch eine geringe kumulative Strahlenexposition erhöht sich das Risiko, an einem Krebsleiden zu sterben, um zehn Prozent. Nicht nur die spektakulären Unfälle wie Tschernobyl, auch die schleichende Kontamination durch Uranabbau und Wiederaufbereitung tragen zu einer weltweiten Verseuchung bei. Da die Nutzung der Atomkraft – zivil wie militärisch – krank macht und zum Tod vieler Menschen führt, fordert die Initiative „Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges“, den Ausstieg aus jeglicher atomarer Nutzung.
Siehe auch: www.ippnw.de

Ausstieg aus der Atomenergie – warum?
Am 26. April 1986 löst eine außer Kontrolle geratene Kettenreaktion im Block 4 des ukrainischen Atomkraftwerks Tschernobyl eine gewaltige Explosion aus. Mehrere zehntausend Menschen aus der nächsten Umgebung werden sofort evakuiert. Die Strahlung breitet sich innerhalb weniger Tage bis nach Westeuropa aus. Sie kontaminiert Städte, Dörfer, Äcker, Wiesen und Wälder. Spiel- und Sportplätze werden gesperrt. Viele Lebensmittel sind aufgrund ihrer hohen Strahlenbelastung für lange Zeit nicht mehr zum Verzehr geeignet. Die Bilanz des schrecklichen Ereignisses: 400.000 Menschen müssen wegen Verstrahlung ihrer Heimat umgesiedelt werden, mehr als 200 Gemeinden hören auf zu existieren. Zahlreiche Menschen sterben, andere erkranken schwer und müssen zeitlebens ärztlich behandelt werden.
Argumente die für einen Ausstieg sprechen, wie er zwischen der Bundesregierung und der Energiewirtschaft langfristig beschlossen und geregelt ist:

  1. Atomstrom ist – zieht man die Subventionen ab (auf EU Ebene fast 4 Milliarden € im Zeitraum von 1994 – 2006, nicht eingerechnet sind die direkten Bausubventionen) und würde man den Betreibern eine unbegrenzte Deckung eines möglichen Schadens auferlegen – viel teurer als behauptet. Ohne staatliche Subventionierung würde kein weiteres Atomkraftwerk gebaut.
  2. Atomkraftwerke sind eine hochriskante Technologie mit oft nicht mehr rückholbaren Folgen, wie auch jüngste Beispiele von radioaktiver Verseuchungen nach Erdbeben und Pannen aus den hoch entwickelten Ländern Deutschland und Japan zeigen.
  3. Deutschland ist bei keinem Energieträger so sehr abhängig von Importen wie beim Brennstoff Uran – nämlich zu 100 Prozent. Kein anderer Brennstoff ist so begrenzt verfügbar. Das wirtschaftlich abbaubare Vorkommen wird weltweit auf zwischen 1,25 und vier Millionen Tonnen geschätzt. Angesichts der aktuellen Nutzungspläne bedeutet das eine Reichweite von 30 bis 40 Jahren.
  4. Der Beitrag der Atomenergie zur weltweiten Energieversorgung liegt heute bei unter fünf Prozent. Wenn Atomkraft aus Klimaschutzgründen einen deutlich höheren Anteil am weltweiten Energiebedarf abdecken sollte, müssten zusätzlich tausende neuer AKW gebaut werden. Das würde schon an den geringen Uranvorräten scheitern.
  5. Atomkraft wird oft als notwendig für den Klimaschutz gepriesen. Faktisch – bezieht man die gesamte Produktlinie mit ein vom Uranabbau, dem Transport der Brennstäbe etc. mit ein – ist auch diese Nutzung mit einer Freisetzung von CO2 verbunden, die nur wenig besser als die moderner Gaskraftwerke ist.
  6. Atomkraft ist das klassische Beispiel für eine zentrale Energieerzeugung, die mit hohen Wärme- und damit Energieverlusten und einer auf Dauer geringen Beschäftigung verbunden ist. Atomkraftwerke erfordern konstant hohe Energieverbräuche und fördern so die massive Verschwendung von Energie.
  7. Darüber hinaus ist  der potenzielle Missbrauch von nuklearem Material für militärische Zwecke gegeben. Außerdem besteht die Gefahr, dass Terroristen Atomkraftwerke als Angriffsziel auswählen können.

Als einzelner Bürger kann man durch seinen Wechsel zu einem alternativen, grünen Stromanbieter eine Politik mit dem Einkaufkorb praktizieren.
Siehe auch: www.ews-schoenau.de . www.greenpeace.de . www.atomausstieg-selber-machen.de

Migration
Eine wichtige Triebkraft der Wanderungsbewegungen ist die Globalisierung und deren negative Folgen für Mensch und Natur. Neben politischer Unterdrückung sind es Arbeitslosigkeit, Hunger, Armut und eine perspektivlose Lebenssituation, die Menschen zur Flucht in andere Länder bewegen. Dort sind sie selten gern gesehen. Alle Staaten bemühen sich um eine Steuerung der Zuwanderung, manche auch um eine Begrenzung der Abwanderung. So hat auch die EU keine offenen Grenzen, was dann zu illegaler Zuwanderung führte.
Im Jahr 2004 einigten sich die rot-grüne Bundesregierung sowie die Opposition bzw. Bundesländer auf ein Zuwanderungsgesetz, das am 1. Januar 2005 in Kraft trat. Das Gesetz enthält Bestimmungen zur Zuwanderung ausländischer Arbeitnehmer, Aufnahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern und Integration von Zuwanderern.
Global nimmt die Migration zu – auch bedingt durch die Auswirkungen des Klimawandels. Es bleibt zu hoffen, dass die Einsicht wächst, dass nur durch eine intensivere internationale Zusammenarbeit und vor allem durch eine Stärkung einer nachhaltigen Entwicklung in den Herkunftsländern die Ursachen von Migration bearbeitet und gelöst werden können. Global gerechtere Verhältnisse würden die Migrationsbewegungen verringern.
Siehe auch: www.focus-migration.de und www.migration-info.de

Szenische Umsetzung
Auf der Kunstausstellung Documenta 12 in Kassel war eine Installation des international bekannten Künstlers Romuald Hazoumé aus Benin zu sehen, in der er das Drama der afrikanischen Migration szenisch umsetzte. Das Werk „dream“ besteht aus einem 12 Meter langen Flüchtlingsboot, das vollständig aus zerschnittenen Plastikkanistern zusammenmontiert wurde. Das Flüchtlingsboot wurde vor einem riesigen Farbfoto von einem afrikanischen Flussdorf platziert. Auf dem Boden findet sich in 5 Sprachen in riesigen Lettern der Satz: „Verdammt, wenn sie gehen und verdammt, wenn sie bleiben, besser, wenigstens gegangen zu sein und zu scheitern im Boot ihrer Träume“.   

Literaturtipps:

  • Hermann Scheer, Energieautonomie. Eine neue Politik für Erneuerbare Energien, München, 2005
  •  B.Fischer/L.Hahn/C.Küppers/M.Sailer/G.Schmidt: „Der Atommüll Report“, Knaur Sachbuch, 1991.
  • Wolfgang Sachs, Tilman Santarius: Fair Future - Begrenzte Ressourcen und Globale Gerechtigkeit, München  2005
  • Sachs, Wolfgang ; Santarius, Tilman: Slow trade - sound farming : Handelsregeln für eine global zukunftsfähige Landwirtschaft. – Berlin, 2007
  • Dossier zum Thema Migration der Bundeszentrale für politische Bildung, www.bpb.de/themen/8T2L6Z,0,0,Migration.html
  • Le Monde Diplomatique (Hg.) Atlas der Globalisierung 2007.

Medienhinweise:
Blinder Passagier

Spielfilm von Ben van Lieshout, 90 Min., OmU, Usbekistan, Niederlande 1997

 

Autor: Jobst Kraus
Juli 2007

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